Andreas Maier

Der Ort

Roman
Cover: Der Ort
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
ISBN 9783518424735
Gebunden, 154 Seiten, 17,95 EUR

Klappentext

Der Beginn der Liebe ist der Beginn der Macht. Die einen kommen in Frage, die anderen nicht. Selbst wenn sie, noch einmal wie Kinder, Gummitwist spielen, wissen sie doch bereits um ihre eigene Schönheit, denkt der Erzähler, der im Zimmer seines verstorbenen Onkels sitzt und an einer "Ortsumgehung" schreibt, während sie draußen die Landschaft planieren und ganz konkret eine Ortsumgehung bauen. Und in seiner Vorstellung geht er noch einmal einen Spaziergang, den er Jahrzehnte zuvor oft gegangen ist, als das Steinerne Kreuz noch nicht mitten im Ort, sondern noch draußen auf dem Feld mitten in der Wetterau stand. Und als die Mädchen Gummitwist spielten. Er erinnert sich an die Liebe zu Katja Melchior und an die erste Nacht mit dem Mädchen. "Alles war gut. Hätte man mich in diesem Augenblick getötet, wäre ich in einem vollkommen geheilten Zustand zum lieben Gott gekommen …"

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.08.2015

Schnell einsteigen in diesen Romanzyklus der fortschreitenden Chronik der Wetterau, rät Christian Metz. Andreas Maiers Großprojekt nimmt laut Rezensent Formen an, hier als erzählerisches Kleinod, das scharfe Analyse (der Kohl-Ära) und liebevolle Charakterzeichnung verbindet, wie Metz versichert. Es geht um Pubertät, erste Liebe, Provinz und um das Auftauchen der Pose, der Selbstermächtigung im Leben des Protagonisten. Gutes Thema, findet Metz, der Maiers wagemutigen Zyklus selbst als einzige große Pose versteht. Wann fing das an, nach der ersten Thomas-Mann-Lektüre, der ersten Liebe oder mit Kohl im Festzelt? Die atmosphärische Dichte, die Präzision und sogar die stilistische Widerspenstigkeit, mit der Maier diese Erkundung vornimmt, hat den Rezensenten nachhaltig fasziniert und hält ihn weiter bei der Stange.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.06.2015

Laut Michael Braun lohnt die Lektüre des vierten Bandes von Andreas Maiers großer Familien- und Heimat-Saga auf jeden Fall. Nicht nur, dass der Autor die erste Liebe mit der gebotenen Diskretion zu beschreiben weiß, auch die Lektüreerfahungen und das Rebellentum des Helden sowie die Eigenarten des mittelhessischen Kosmos' bringt er dem Rezensenten in diesem kleinen Roman auf konzentrierte wie verstörende Weise nah.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.06.2015

Andreas Maiers Roman "Der Ort" ist ein kleines Meisterstück in Sachen Psychologie der Pubertät, findet Ina Hartwig. Das Buch ist Teil von Maiers Romanzyklus "Ortsumgehung". Andy ist fünfzehn, und in Friedberg in der Wetterau ist die geplante Umgehungsstraße noch immer die größte Sorge vieler Einwohner, was für Andy zunächst aber noch nebensächlich ist, weil er sich in Katja verliebt hat, die auf eine andere Schule am Ort geht und einen ähnlichen Status innerhalb der Schulhof- und Gruppenhierarchien hält wie er, fasst die Rezensentin zusammen. Hartwig findet es großartig, wie präzise Maier die Choreografien jugendlich-pubertären Verhaltens beschreibt, die beinahe magisch etablierte Hackordnung, die Regeln des angemessenen Verhaltens, und wie der Erzähler sich an sein Bemühen um die erste selbst gewählte Identität erinnert. Die Rezensentin freut sich schon auf die folgenden Bände des Zyklus.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.05.2015

Nach "Das Zimmer", "Das Haus", "Die Straße" - nun also "Der Ort", berichtet Rezensent Jörg Magenau nach der Lektüre von Andreas Maiers neuem Selbsterkundungs-Roman aus der Wetterau. Und einmal mehr zeigt sich der Kritiker begeistert: Hier folgt er dem inzwischen jugendlichen Erzähler in die Achtziger Jahre, liest von der ersten intensiven Verliebtheit, Trennung, Selbstmordgedanken, Rausch und der Flucht in eine Einsamkeitsexistenz, wunderbar verwebt etwa mit Charlie Chaplins "Spring Song" und von Maier mit genauer Beobachtungsgabe und sprachlicher Meisterschaft geschildert. Vor allem aber lobt der Rezensent die Kunst des Autors, den Erinnerungsraum zu weiten und sich dabei dennoch mikroskopisch den verschiedenen Gefühlszuständen des Ichs zu nähern. Und so bleibt Magenau in Erwartungsfreude auf weitere Romane zurück.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 16.05.2015

Auch wenn Paul Jandl sich beim Lesen des vierten Bands von Andreas Maiers autobiografischer Provinz-Saga mitunter peinlich an Momente aus der eigenen Pubertät erinnert fühlt, kann er das Buch nur empfehlen. Mit Proustscher Tiefenschärfe, meint Jandl, hält der Autor das Erzähler-Ich gegen die Welt und stellt existenzielle Fragen, ohne den Begriff Heimat ausbuchstabieren zu müssen. Sexualität kommt vor, aber in einer Zartheit, die Jandl unerhört findet. Dass Maier seinen Erzähler als hochintelligenten Idioten vorstellt, ihn aber nicht bloßstellt, gefällt dem Rezensenten, ebenso das Tempo des Textes, bestimmt laut Jandl durch den Gestus des sezierenden Staunens, eine Maiersche Spezialität.
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