Alexis Jenni

Die französische Kunst des Krieges

Roman
Cover: Die französische Kunst des Krieges
Luchterhand Literaturverlag, München 2012
ISBN 9783630874029
Gebunden, 768 Seiten, 24,99 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Uli Wittmann. Als 1991 der erste Golfkrieg ausbricht, ist er für den jungen Erzähler von Alexis Jennis Roman nicht viel mehr als ein paar harmlose Bilder im Fernsehen - ein Geschehen, weit weg, das sein Dasein nicht berührt. Er lässt sich treiben wie immer, als ginge ihn das alles nichts an. Bis er eines Tages in einem Bistro Victor Salagnon kennenlernt, einen Greis, der als junger Mann in der Résistance gegen die Deutschen kämpfte und später in Indochina und Algerien in Frankreichs schmutzigen Kolonialkriegen diente. Bei diesem Mann, in dessen Wesen sich das Zivilisierte und das Barbarische merkwürdig vereint finden, lernt der Erzähler das Zeichnen. Und währenddessen erzählt ihm Salagnon von seinem Leben im Krieg und für den Krieg, von seinen Träumen und seinen Alpträumen, die ihn bis heute verfolgen. Und je länger der Erzähler dieser Geschichte lauscht, desto mehr begreift er, dass Salagnons Vergangenheit direkt in unsere Gegenwart zielt. Dass wir, die wir glauben in einer Epoche des Friedens aufgewachsen zu sein, den Krieg lediglich tabuisiert und verdrängt haben. Dass wir das Morden und Töten verlagert, es in ferne Länder exportiert haben: nach Südostasien, nach Afrika, in den mittleren Osten. Und dass der Krieg deshalb bis heute untergründig alle westlichen Gesellschaften durchzieht …

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.01.2013

Dieser mit dem Prix Goncourt ausgezeichnete Roman ist ein sehr französischen Buch, warnt Rezensent Helmut Böttiger und rät, über das rhetorische Arsenal der gebildeten Mittelschicht und die ihr eigene "Oberflächen-Suada" hinwegzulesen. Dann nämlich könne man "Die französische Kunst des Krieges" als ein Werk genießen, das dem Diskurs in Deutschland weit voraus sei. Jenni verbindet darin die Geschichte eines Indochina-Veteranen mit der Geschichte des antriebsarmen Erzählers, die sehr plastischen und sinnlichen Passagen der Biografie wechseln sich ab mit den trockeneren Kommentaren des Erzählers, der aber sehr virtuose Bilder für den "französischen Abgrund" findet. Hingerissen ist Böttiger etwas von einer Szene, in der der Erzähler zum Entsetzen seiner Gäste und seiner Frau - wir befinden uns Lyon - fast rohe Blutwurst serviert. Zu einem vielschichtigen Romansystem machen aber in Böttigers Augen das "raffinierte Motivsystem", die Verzahnung von Krieg und Kunst sowie manch gelungene Vorstöße in die "französische Tabuzone".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.12.2012

Ein eindeutiges Urteil möchte Rezensent Jörg Aufenanger nach der Lektüre des mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Debütromans "Die französische Kunst des Krieges" von Alexis Jenni nicht fällen. Zwar scheint ihm die Geschichte um einen unbenannten Ich-Erzähler, der, nachdem er im Fernsehen Bilder von französischen Soldaten im Golfkrieg gesehen hat, seine Frau und seine Arbeit verlässt, durchaus gefallen zu haben. Gespannt verfolgt der Kritiker auch das Zusammentreffen von Jennis Helden mit einem Veteranen, der in der Resistance und später in den Kolonialkriegen von Indochina und Algerien kämpfte und in einer Mischung aus "Horror und Scham" von der Gewalt und der Lust daran berichtet. Doch mit der "Marotte" französischer Autoren, den Leser an intimsten Details aus ihrem Liebesleben teilhaben zu lassen, kann sich der Kritiker nicht recht anfreunden. Auch den Bezug von Kriegen zum antiken Mythos hat der Rezensent - etwa in Mathias Enards Roman "Die Zone" - schon einmal besser beschrieben gelesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.12.2012

Trotz der Tatsache, dass Alexis Jennis erster veröffentlichter Roman "Die französische Kunst des Krieges" gleich mit dem Prix Goncourt ausgezeichnete wurde, ist Rezensentin Lena Bopp von diesem Buch nicht überzeugt. In erster Linie erscheint der Kritikerin der 760 starke Roman, in dem Jenni nichts Geringeres versuche, als eine moderne Mentalitätsgeschichte Frankreichs zu schreiben, dank zahlreicher Wiederholungen zu lang. Und so liest sie mit zunehmender Ermüdung die Geschichte um einen namenlosen Mann, der im Jahre 1991, nachdem er im Fernsehen Bilder vom Golfkrieg gesehen hat, Frau und Arbeit verlässt, um dem Unbehagen, das er angesichts der französischen Soldaten empfand, nachzuspüren. Jenni versuche in seiner historisch weit zurückgreifenden Erzählung dem Entstehen von Gewalt nachzugehen und die heutigen gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Banlieues mit den Kriegen der letzten sechzig Jahre zu erklären, berichtet die Kritikerin. Doch sie kann weder der Geschichte noch Jennis dröger Sprache etwas abgewinnen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.11.2012

Ein großartiger Abenteuer-, sozialer und politischer Roman ist Alexis Jenni mit "Die französische Kunst des Krieges" gelungen, lobt Rezensent Gero von Randow, der sich gebannt durch das 768-Seiten-Buch geschmökert hat. Zwei Erzähler führen durch den Roman, der eine ist den sozialen Kriegsständen Frankreichs zum Opfer gefallen, der andere ist ein ehemaliger Widerstandskämpfer und Soldat im Indochina- und Algerienkrieg, erfahren wir. Der zweite erinnert nicht nur dem Namen nach, sondern auch mit seiner Biografie an den in Frankreich berühmten General Salan, der sich nach den Kriegen der Terrororganisation OAS anschloss, lässt der Rezensent wissen. Man lernt in diesem Buch viel über den Krieg und viel über Frankreich, insbesondere der bis heute fast totgeschwiegene Indochinakrieg wird in den Vordergrund gerückt, konstatiert Randow. Wenn der französische Autor am Ende den Kolonialkrieg in den Ghettos Lyons "mit anderen Mitteln" fortgesetzt sieht und "Identität mit Idiotie" gleichsetzt, findet das der Rezensent sehr bedenkenswert.