Adolf Muschg

Der weiße Freitag

Erzählung vom Entgegenkommen
Cover: Der weiße Freitag
C.H. Beck Verlag, München 2017
ISBN 9783406706219
Gebunden, 251 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Goethes zweite Schweizer Reise 1779 hätte gut die letzte des damals Dreißigjährigen sein können, und der "Werther" sein einziges bekanntes Werk. Denn das Risiko einer neunstündigen Fußwanderung über die Furka im November durch Neuschnee war unberechenbar. Aber der frisch ernannte Geheimrat hatte es auf den kürzesten Weg zu seinem heiligen Berg, dem Gotthard, abgesehen, seinen acht Jahre jüngeren Landesfürsten Carl August mitgenommen und alle Warnungen in den Wind geschlagen. Adolf Muschg liest diesen 12. November, den "weißen Freitag", die Wette Goethes mit seinem Schicksal, als Gegenstück zu Fausts Teufelswette und zugleich als Kommentar zum eigenen Fall eines gealterten Mannes, der mit einer Krebsdiagnose konfrontiert ist. Als Zeitgenosse weltweiter Flucht und Vertreibung und einer immer dichteren elektronischen Verwaltung des Lebens findet er gute Gründe, nach Vorhersagen, Warnungen und Versprechen in einer Geschichte zu suchen, die gar nicht vergangen ist. Sie handelt vom Umgang mit dem Risiko, dem auch der noch so zivilisierte Mensch ausgesetzt ist, weil er es als Naturgeschöpf mit Kräften zu tun hat, die er nicht beherrschen kann.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.07.2017

Rezensent Jürg Altwegg liest das "wohl letzte" Buch von Adolf Muschg mit Bewunderung für den Abschied nehmenden Autor. Das Zwiegespräch mit Goethe, in dem der Autor sein Leben Revue passieren lässt, täuscht Altwegg nicht darüber hinweg, wie persönlich dieses Buch ist. Die Erzählungen über seine Frau, über seine Mutter, über Hermann Burger und über den Wallis findet der Rezensent herrlich. Die Heiterkeit, mit der Muschg über seine Erkrankung schreibt, verblüfft Altwegg und flößt ihm Respekt ein. Ebenso die Dankbarkeit, die laut Rezensent aus den Texten spricht.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.02.2017

In Adolf Muschgs neuem Buch wird die Erzählung von Goethes zweiter Schweizreise zum Vehikel für das Nachdenken über das eigene Leben, erkennt Rezensent Martin Ebel. Während sich der Dichter, sein Werk und seine Biografie dem Autor immer mehr als Gesamtkunstwerk darstellen, will sich sein eigenes Leben in der Retrospektion so gar nicht runden, lesen wir. Mal dicht, mal ab- und ausschweifend berichtet Muschg von Versäumnissen, Beschädigungen und Verletzungen. Gelungen sind vor allem die Abschnitte der Rückschau und Vorausschau auf das dem 82-Jährigen unweigerlich Bevorstehende, erklärt der berührte Rezensent, während er Muschgs gewagte Thesen über Goethe, seine Kalauer und Spekulationen "in eroticis" für zweifelhaft bis geschmacklos hält. Somit halten sich Lob und Kritik in etwa die Wage und immerhin ist es nicht das schlechteste Buch des Autors, so das zwiespältige Urteil des Rezensenten.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.02.2017

Roman Bucheli liest Adolf Muschgs jüngste Erzählung als Memento mori. Wie der Erzähler, den Bucheli kurzerhand mit dem Autor gleichsetzt, einmal ausrutschte, dem Tod von der Schippe sprang und sich mit Goethes Schweizer Reise von 1779 wieder ins Leben zurückfantasierte, das zu lesen, findet Bucheli unterhaltsam, persönlich, intim, auch ohne Spektakuläres oder Delikates. Schön subtil und mit rhetorischem Raffinement, so Bucheli, geht Muschg mit Goethe durchs Gebirge und gelangt im Angesicht des Todes ins Offene zurück. Dass der Autor nie anmaßend wird, sondern demütig bleibt, wenn er die eigene Biografie mit der Goethes engzuführen versucht, rechnet Bucheli ihm hoch an. Auch wenn letzteres Projekt scheitern muss, die Textexegese gelingt, meint Bucheli.