In eigener Sache

FAZ und SZ gegen Perlentaucher zum Zweiten

12.06.2007. Am 9. Oktober fand vor dem Oberlandesgericht Frankfurt in zweiter Instanz die Verhandlung in der Sache FAZ und SZ gegen Perlentaucher statt. Das Urteil wird am 13. November verkündet. Erste Reaktionen in der Presse.
13. November

Aktualisierung: Die Urteilsverkündung wurde auf den 11. Dezember verschoben.

10. Oktober

Das Urteil in Sachen FAZ und SZ gegen Perlentaucher ergeht am 13. November. In der etwa zweistündigen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt wurde deutlich, dass keine der beiden Seiten einen Vergleich anstrebt. Die Gegenseite hat Haupt- und Hilfsanträge zum Teil neu formuliert. Die Richter werden Revision zulassen, so dass die Sache möglicherweise vor dem Bundesgerichtshof weiterverhandelt wird.

Erste Reaktionen in der Presse: Eine kurze Zusammenfassung findet sich bei 3sat. In der FR kommentiert Daland Segler. Der Deutschlandfunk hat über die Verhandlung berichtet (den Beitrag kann man sich anhören, der Link steht in der rechten Spalte unter "Audio on demand"). Und bei Heise steht ein - nicht ganz korrekter - Bericht (es geht in dem Prozess nicht um "Heute in den Feuilletons", sondern um die Rezensionsnotizen in unserer Bücherschau). Aber der Artikel hat eine lebhafte Debatte ausgelöst.


8. Oktober

Nachdem der Termin zwei Mal verschoben worden ist, findet nun morgen, am 9. Oktober, vor dem Oberlandesgericht Frankfurt in zweiter Instanz der Prozess FAZ und SZ gegen Perlentaucher statt. Die beiden Zeitungen haben sich zusammengetan, um gegen eine angebliche Geschäftsschädigung durch den Perlentaucher zu klagen. In erster Instanz hat der Perlentaucher den Prozess vor dem Landgericht Frankfurt mit Urteil vom 24. November letzten Jahres gewonnen. Die Presse berichtete.

In zweiter Instanz bleiben FAZ und SZ bei ihren Vorwürfen. Kurz gesagt möchten die beiden Zeitungen erreichen, dass der Perlentaucher den Vertrieb von Resümees ihrer Buchkritiken an Internetbuchhändler unterlässt. Die Zeitungen begründen ihre Klage mit urheberrechtlichen, wettbewerbsrechtlichen und markenrechtlichen Argumenten. Eine besondere Rolle spielt in der Argumentation der Kläger die vermeintliche Ersetzungsfunktion der Notizen. Die Lektüre der Perlentaucher-Notiz zu einer ihrer Rezensionen erübrige die Lektüre dieser Rezension selbst - so die Meinung der klagenden Verlage über die Substanz der von ihren Redaktionen produzierten Inhalte.

Die beiden Zeitungen haben für die zweite Instanz auch ein Gutachten des Rechtsprofessors Artur-Axel Wandtke bestellt, der in allen Punkten seines 57-seitigen Papiers zur Auffassung seiner Auftraggeber gelangt.

Der Perlentaucher betrachtet seine "Rezensionsnotizen" als Berichterstattung über Berichterstattung und somit als eigene Leistungen, über die er frei verfügen kann. Seine Notizen versteht er als Information über die Artikel der Zeitungen, als eine Brücke vom Internet zur unerreichten Qualität der Traditionsmedien. Viele Leser erfahren im Internet überhaupt erst durch die Perlentaucher-Notizen von der Existenz eines Originalartikels. Durch den Link, den wir - wenn möglich - setzen, können sie ihn anklicken. Eine Funktion, die Perlentaucher-Leser ausgiebig nutzen. Ebenso verhält es sich auf den Seiten des Internetbuchhändlers buecher.de, der in der Regel sowohl die Rezensionsnotizen des Perlentauchers als auch die Originalartikel von SZ und FAZ präsentiert.

Der Ton in der Berufungsinstanz ist merklich schärfer geworden. Hieß es in der ersten Instanz noch, dass "das Angebot der Beklagten einen positiven kulturellen Beitrag darstellt", so annonciert die Berufungsschrift: "Die Klägerin wehrt sich gegen das Geschäftskonzept der Beklagten, das darin besteht, die Feuilletons der deutschen Qualitätszeitungen - darunter auch der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung', der Klägerin - auszuwerten und Kurzzusammenfassungen (...) der dort veröffentlichten Buchkritiken für den eiligen Leser sowohl auf ihrer eigenen Website unter www.perlentaucher.de zu veröffentlichen als auch an Dritte, insbesondere Internet-Buchhändler, zu lizenzieren."

Obwohl nur diese Lizenzierung an Dritte Streitgegenstand ist, betonen die Klägerinnen ganz allgemein, dass der Geschäftszweck des Perlentauchers allein darin bestehe, Feuilletons "für sich selbst kommerziell auszuwerten", und "dabei weder eigenen Content zu entwickeln, noch einen Rahmen oder eine Plattform für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Feuilletons der deutschen Presse insgesamt zu bieten".

Der hierdurch vermittelte Eindruck, der Perlentaucher stelle keinen eigenen Inhalt bereit, ist falsch. Der Perlentaucher bot von Anfang an auch eigenen Inhalt: Arno Widmanns Buchkolumne "Vom Nachttisch geräumt", die "Post aus...", die Krimi-Kolumne "Mord und Ratschlag" oder der "Virtualienmarkt" sind nur einige Beispiele. Und zusammen mit seinem englischsprachigen Dienst signandsight.com hat der Perlentaucher die wichtigste Feuilletondebatte der letzten Monate lanciert, die Bruckner-Buruma-Debatte - die von der FAZ selbstverständlich mit keinem Wort erwähnt wurde. Kann es sein, dass sich die Anwälte der Kläger ausschließlich in dieser Zeitung informieren?

Thierry Chervel
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