Fotolot

Lust am Spiel

Über Bilder, Bände und Sites Von Peter Truschner
07.06.2018. Unsere neue Rubrik Fotolot aktuell: Die Kunsthalle Mannheim setzt zur Neueröffnung ganz ohne Risiko auf Jeff Wall. Gabor Arion Kudasz' "Human" ist ein Must Have für Fotobuchfreunde. Außerdem: Fotoworkshops mit Fred Hüning und Todd Hido.
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© Jeff Wall, Kuma Art


Ein zwiespältiges Ereignis: Jeff Wall in Mannheim. Mannheim freut sich über den ansehnlichen Neubau der Kunsthalle, die FAZ freut sich über den Aufstieg Mannheims "in die erste Liga der Museumsarchitektur". In Mannheim gibt es in Zukunft nicht nur Meisterwerke von Manet bis Bacon, sondern auch als Leihgabe Hans Grothes wohl größte private Sammlung an Werken von Anselm Kiefer zu sehen.
Zur Eröffnung haben sich Direktorin Ulrike Lorenz und Kurator Sebastian Baden (gemeinsam mit dem Musée d'Art Moderne Luxembourg) eine Sonderausstellung mit Werken von Jeff Wall einfallen lassen.

Wer die ikonischen, von (kunst-)historischen und situativen Erzählfäden durchwobenen Leuchtkästen von Wall noch nicht gesehen hat - nichts wie hin. Wer sie gut kennt und schon mehrfach (Einzel-)Ausstellungen besucht hat wie der Autor dieser Zeilen und viele seiner kunstinteressierten Bekannten, fragt sich jedoch, welches Signal diese Ausstellung setzen will. Wall war seit 1982 vier Mal auf der Documenta, es gab weit über hundert Einzel- und Gruppenausstellungen im deutschsprachigen Raum. (In seiner Heimat Kanada gab es nur 31, in den USA 90 Ausstellungen.) Eine letzte Retrospektive war erst 2014 in Bregenz zu sehen. Die große Resonanz in Deutschland erklärt sich nicht nur aus Walls eminenter Bedeutung für die Fotografie der letzten dreißig Jahre, sondern auch aufgrund seiner inhaltlichen und formalen Nähe zu Vertretern der Düsseldorfer Schule um Bernd und Hilla Becher, die die deutsche Foto-Szene lange beherrscht hat und partiell immer noch beherrscht - zumindest, wenn es um große Summen, große Ausstellungen und Medienpräsenz geht.

Angesichts dieser Umstände ist die Mannheimer Sonderausstellung kein Coup (wie etwa die Irving-Penn-Ausstellung bei C/O - Berlin) oder ein kuratorisches Ausrufezeichen, sondern geradezu das Gegenteil davon: Es dominieren bei dieser Wahl Vorhersehbarkeit und Sicherheitsdenken. Man wird sich wohl darauf einstellen müssen, in Mannheim trotz Neubau vor allem Etabliertes vorgesetzt zu bekommen, auch wenn die Ausstellungstexte - wie bei Wall - selbstverständlich versprechen werden, einen "neuen Blick auf die Arbeiten" der Künstler*innen zu ermöglichen.


© Gabor Arion Kudasz


Fotobuch: Gabor Arion Kudasz, HUMAN. "Ein so gutes Fotobuch wie HUMAN habe ich lange nicht gesehen", sagt der Verleger von "Peperoni Books", Hannes Wanderer - und der hat so gut wie alles gesehen und in seiner legendären Berliner Fotobuchhandlung "25 Books" nicht selten auf dem Tisch liegen gehabt. Es geht um Ziegelsteine, mit denen Häuser gebaut werden, die zu Siedlungen und schließlich zu Städten werden. Kudasz setzt diesen Prozess im Zuge eines von der Baustofffirma "Wienerberger" gestifteten Stipendiums in Relation zu den Menschen, die unmittelbar mit der Herstellung der Ziegel zu tun haben, und bündelt die dabei entstandene Aufnahmen zu einem Buch, in dem sowohl der Baustoff als auch die damit errichteten Bauwerke ein menschliches Maß bekommen. Arbeiter und Angestellte entwickelten im Zuge des Projekts eine unerwartete Lust am Spiel mit dem Material, das sonst nur Gegenstand ihrer Arbeit ist, und verschmelzen förmlich mit ihm zu vergänglichen Skulpturen und Installationen. Konkret und abstrakt, handfest und surreal zugleich, ist HUMAN schlicht ein Must Have für Fotobuchfreunde, dessen erste, im Selbstverlag erschienene Auflage so gut wie ausverkauft ist.

© Fred Hüning


Fotoworkshops: Wer im Sommer 2018 sowohl fotografisch vorankommen als auch seine freie Zeit in ausgewählt schöner Umgebung verbringen möchte, dem seien folgende Workshops empfohlen: Fred Hüning vom 6. bis 8. Juli in der Basilika Giovanni e Paolo in Venedig. Hüning hat in seinen bei "Peperoni Books" erschienenen Büchern aus dem Familiengebiet "One Circle" und "Two Mothers" großartig den heiklen Spagat zwischen zärtlicher Zurückhaltung und hemmungsloser Entblößung geschafft. - Todd Hido vom 10. bis zum 16. Juli auf Chateau de La Salle im französischen Burgund. Hido ist mit seinen stimmungsvollen, im Prachtband "Intimate Distance" bei "Aperture" erschienenen Aufnahmen US-amerikanischer Vorstadtlandschaften sowie mit Porträts, die wie Stilleben anmuten, bekannt geworden.