Zygmunt Bauman

Die Krise der Politik

Fluch und Chance einer neuen Öffentlichkeit
Cover: Die Krise der Politik
Hamburger Edition, Hamburg 2000
ISBN 9783930908608
Gebunden, 295 Seiten, 29,65 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Edith Boxberger. Ist Deregulierung das Tor zur wahren menschlichen Freiheit? Mit ihrem Verzicht darauf, zumindest den Rahmen der Entscheidungen, die den Einzelnen offen stehen, festzulegen, ist die Politik immer mehr zum Spielball der Gesetzte des Marktes geworden. Angesichts dieser Trennung von Macht und Politik erinnert Bauman an eine verloren gegangene Vermittlungsinstanz zwischen den privaten und den öffentlichen Interessen. Der entscheidende Schritt zur Autonomie wurde getan, als die Griechen ihren Gesetzen die Präambel voranstellten: "Es ist dem Rat und dem Volk gut erschienen". Mit dieser bescheideneren Formulierung errangen die Griechen das Bewußtsein, daß sie selbst für ihre Institutionen verantwortlich waren. Und diese Selbstverantwortlichkeit brauchte einen Raum, um Entscheidungen zu diskutieren : die agora, den Marktplatz, auf dem die Vermittlung zwischen dem privaten Bereich des Hauses, dem oikos, und der ekklesia, der Volksversammlung, stattfand. Solche öffentlichen Räume der Kommunikation bestehen gegenwärtig nicht.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.07.2001

Hanno Zickgraf stellt zwei Bände des Soziologen Zygmunt Bauman vor ("Die Krise der Politik", erschienen in der Hamburger Edition, und "Vom Nutzen der Soziologie", erschienen bei Suhrkamp) und bleibt dabei recht allgemein. Zickgraf sieht die beiden Bücher gleichermaßen als Suche des Autors nach Wegen, "wie den privaten Nöten der Menschen im global enthemmten Kapitalismus ein Name zu geben sei, der in einem wirklich öffentlichen Raum auch verstehbar wäre." Dass der Autor auf seiner Suche allen Ernstes noch von "menschlicher Freiheit" sprechen mag, rechnet der Rezensent ihm hoch an, "selbst wenn vieles, was er sagt, bekannt klingt" und man geneigt ist, sein Ansinnen als frommen Wunsch abzutun. Zickgraf aber erschiene das zu billig. Wenn dem vorgebrachten Universalismus auch eine verbindliche Theorie fehlt, so erklärt er, der Autor schlägt uns immerhin "eine Bresche für die Utopie einer anderen Gesellschaft."
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.12.2000

Die Krise der Politik läßt sich als "Verlust an Kontinuitäten" beschreiben. "Was ist dagegen zu tun?" fragt Baumann in seinem Essay und geht dabei "über das Materielle hinaus", wie Rezensentin Barbara Dribbusch bemerkt. Schließlich stehe letztlich ein Gefühl im Zentrum und der Wunsch, dass die Welt `beständig und verlässlich` sei. Auch vermeintlich positive Flexibilität lässt sich als neues Machtverhältnis beschreiben, referiert Dribbusch den Autor. Ob es sich bei diesen Thesen bereits um die "überraschenden Inseln der Erkenntnis" handelt, die Dribbusch an diesem Buch ebenso wie an seinen früheren Büchern erkennt, bleibt unklar. Und in dem Moment, in dem sie Baumann zitiert, der "die voyeuristischen Talks im Fernsehen (?) als `Enteignung` des Privaten" ansieht, fragt man sich, ob seine anderen Thesen ebenso klischeehaft und alles andere als neu sind. Dribbusch spricht denn auch von "alten Rezepten und frischen Begriffen", wie etwa dem "modularen Mensch" der Zukunft. "Eine große neue Strategie gegen die Machtverhältnisse" hat Bauman nicht zu bieten, gibt Dribbusch zu.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.12.2000

Peter Vogt kann diesem Buch nicht viel abgewinnen. Mehrfach deutet er an, dass sich Baumann hier gegenüber früher von ihm geäußerten Ansichten im Widerspruch befindet. So etwa bei seinem "Plädoyer für die Revitalisierung der Republik", weil der Liberalismus nicht imstande sei, die "Balance zwischen der Befreiung des einzelnen von Einmischung und des Bürgerrechts auf Einmischung" zu erreichen. Gerade das Gegenteil habe Baumann in seiner Studie über die Genese des Holocaust vertreten. Erstaunt zeigt sich Vogt weiterhin, dass der Autor die amerikanischen Debatten "über die kulturellen und zivilgesellschaftlichen Grundlagen von Demokratie" in keiner Weise in seine Überlegungen mit einbezieht. Insgesamt bewertet der Rezensent die Ausführungen Baumann als zu häufig oberflächlich und manchmal gar "leichtsinnig", wofür er einige Beispiele aufzählt. Auch das "wehklagende Getöse" Baumanns über die deutschen Intellektuellen geht dem Rezensenten spürbar auf die Nerven. Auch hier empfiehlt er dem Autor "einen Blick über den Atlantik".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.12.2000

In allen Bereichen unserer Lebenswelt konstatiert Zygmunt Baumann Defizite: die Verbindung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Leben sei abgerissen, die Politik entmachtet, die Welt durchsetzt von Unsicherheit, um nur einige Beispiele zu nennen, die Rezensent Rüdiger Suchsland aufzählt. Ein "bitterer, ernster Ton" herrscht vor in diesem Buch, stellt er fest. Baumanns Kulturpessimismus geht ihm sichtlich auf die Nerven: die "seitenlangen Litanei über die bösen Folgen der Postmoderne und Globalisierung" bergen "kaum Erkenntnisgewinn" keine Lösungsansätze und wenig Innovatives, zumal Baumann das Meiste an anderer Stelle schon einmal gesagt hat.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2000

Kapitalismuskritik - in den 80ern ein Refugium der (ganz) Linken - ist als Bestandteil gesellschaftlicher Zustandsbeschreibungen wieder dick da, wie unter anderem in Ludger Heidbrinks knapper und klarer Besprechung zweier soziologischer Entwürfe zu erfahren ist.
1) Zygmunt Bauman: "Die Krise der Politik"
Bauman liefert, so Heidbrink, eine "schwarze Suada über das Ende des Traums von der guten Gesellschaft". Der vom globalen Markt beherrschte und von der Politik vernachlässigte Mensch tritt die Flucht ins Private an. Heidbrink wundert sich, dass Bauman trotzdem Lösungen anbietet, nämlich "das republikanische Modell aktiver Staatsbürgerschaft, die Bereitstellung eines ? Grundeinkommens und die Stärkung autonomer Institutionen". Völlig unklar bleibe allerdings, wie das in der "Diktatur anonymer Mächte" wirksam werden könnte. Baumans Zeitdiagnose ist "widersprüchlich."
2) Nico Stehr: "Die Zerbrechlichkeit moderner Gesellschaften"
Da ist Nico Stehr viel genauer, urteilt Heidbrink. Bei ihm gibt es durchweg ein `sowohl? als auch`: Sowohl ein Abbau von Sicherheit, als auch neue Chancen der Einmischung, weil sich die Wissensgesellschaft unaufhaltsam verbreitet. Anders als Bauman macht Stehr "keine Verlustrechnung auf", sondern analysiert sorgfältig die "Widersprüchlichkeit der Verhältnisse". Am Ende favorisiert Heidbrink dann aber eine eigene Idee: Am ehesten könnte "situative Mikropolitik soziale Kursänderungen bewirken."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.10.2000

Der Vordenker der Postmoderne, Zygmunt Bauman, verortet in seinem neuen essayistischen Buch “Die Krise der Politik” (englisches Original: “In Search of Politics”) die moderne Gesellschaft im Spannungsfeld von (zu viel) Freiheit und (zu wenig) Sicherheit. Und Uwe Justus Wenzel kann sich in seiner langen Kritik nicht entscheiden, ob er das wichtig findet. Zum einen vermisst er den Bezug zum ähnlich denkenden Richard Sennet (“Der flexible Mensch”), zum anderen gibt er zu bedenken, dass die von Baumann mal wieder als “Vision” bezeichnete Idee eines Grundeinkommens für alle doch ein “arg kleines Brötchen … aus einem groß angerührten Teig” sein könnte. Analytisch interessant scheint ohnehin nur Baumanns Differenzierung der allgemeinen Unsicherheit in (ethische) uncertainty, (materielle) insecurity und (emotionale) unsafety.