Zadie Smith

London NW

Roman
Cover: London NW
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2014
ISBN 9783462045574
Gebunden, 432 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Tanja Handels. Zadie Smiths tragikomischer Roman erzählt von vier Londonern - Leah, Natalie, Felix und Nathan -, die zwar den sozialen Wohnungsbau ihrer Kindheit verlassen haben, doch bis zum heutigen Tag im Londoner Nordwesten leben, dem eigentlichen Zentrum der Stadt. Leah, Natalie, Felix und Nathan wachsen in einer Hochhaussiedlung auf, wie es sie in jeder Großstadt gibt - immer das Ziel vor Augen, Caldwell eines Tages zu verlassen und etwas Größeres, Besseres aus ihrem Leben zu machen. Dreißig Jahre später sind sie zwar erwachsen, doch richtig weit gekommen sind sie nicht. Nur Natalie hat es scheinbar geschafft. Als erfolgreiche Anwältin gibt sie mit ihrem Mann vornehme Dinnerpartys, auf denen sich ihre weit weniger zielstrebige Freundin Leah und deren Mann Michel alles andere als wohlfühlen. Überhaupt sind Natalie und Leah blind für die Probleme der jeweils anderen und neiden einander das vermeintlich perfekte Leben. Als eine Fremde an Leahs Tür klingelt und sie um Hilfe bittet, überschlagen sich die Ereignisse... Zadie Smiths Roman über North West London, das jenseits der Touristenströme liegt, ist ein sehr Text über einen multikulturellen Stadtteil und die Schicksale seiner Bewohner.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.03.2014

Über die inneren Wahrheiten dieses Romans von Zadie Smith kann Martin Zähringer noch lange nachdenken. Derart vielschichtig hat die Autorin ihren Text angelegt, der im Nordwesten Londons, genauer in der Hochhaussiedlung Caldwell spielt. Zähringer stellt die HeldInnen des Romans und ihre Geschichten vor, problematische Geschichten vor allem, und erkennt den dramatischen Impetus der Geschichten in der "Aufstiegsenergie" der Figuren. Den Weg ins Establishment, erklärt der Rezensent, zeichnet Smith mittels allerhand poetologischen Kniffen, etwa indem sie in der Zeit vor- und zurückspringt, Schicksale miteinander verknüpft und literarische Kleinformen in den Roman integriert. Dass die Figuren auf die Art je ihre eigene erzählerische Form erhalten, mal auktorial, mal in Form von Paragrafen und Abschnitten oder visueller Poesie, scheint für Zähringer Sinn zu machen und sogar eine Moral zu beinhalten, auch wenn er die Kernproblematik des Buches (Klassenfrage, Multikulti, Selbsterkenntnis?) nicht dingfest machen kann.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.01.2014

Nach Zadie Smiths Debüt "Zähne zeigen" hat Katharina Granzin die letzten vierzehn Jahre geduldig auf den nächsten großen Erfolg der Autorin gewartet - zurecht, meint die Rezensentin jetzt nach der Lektüre von "London NW", dessen Handlung zwar ein wenig auf der Stelle tritt, was aber dank Smiths Erzähltalent kein Problem darstellt, so Granzin. Wie im ersten Roman der Autorin geht es um eine Londoner Freundschaft, diesmal allerdings um die zweier Frauen: Leah Hanwell und Natalie Blake, die eine weiß, die andere schwarz, die eine Sozialarbeiterin, die andere Anwältin, beide stammen sie aus dem ärmlichen Viertel Kilburn im Nordwesten Londons, beide sind erfolgreich, selbstbestimmt und trotzdem unglücklich, fasst Granzin zusammen. Dass handlungsmäßig praktisch nichts passiert, trübt für sie das Lektürevergnügen nicht weiter: "Ein echtes Erzähltalent darf fast alles."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.01.2014

Liegt das Problem beim Leben in der Stadt oder an dieser Erzählung davon? Johan Schloemann ist sich am Ende der Lektüre von Zadie Smiths neuem Roman nicht so sicher. Die Autorin bietet ihm noch einmal die harte Großstadt-Tour - die ethnische Problematik in ihrem Kiez der Kilburn High Road, diesmal aber vor allem die gnadenlose Dynamik der Ökonomie. Für Schloemann liest sich das kurzweilig, atemlos, mal sehr hart, mal musikalisch, ganz gemäß dem Rhythmus und der Polyphonie Londons. Dass es der Autorin immer wieder auch gelingt, virtuos Charakterbilder und Zeitstimmungen einzufangen, macht das kleine Buch für den Rezensenten noch wunderbarer. Und die eingangs gestellte Frage scheint sich schließlich von selbst zu beantworten.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.01.2014

Zadie Smiths neuer Roman "London NW" ist das Paradebeispiel eines ernstzunehmenden modernen Romans, findet Ijoma Mangold. Die Autorin bringt sich hinter ihren Figuren zum Verschwinden, nur durch die Beobachtung derer Perspektiven kann man sich ein Bild von ihnen machen, so der Rezensent. Auch ein Plot ist nicht wirklich in Sicht, der hätte Smith die Welt zu sehr vereinfacht, vermutet Mangold. Was es also zu lesen gibt, sind Auszüge aus dem Leben verschiedener Menschen mit unterschiedlichsten ethnischen Hintergründen, die alle in der gleichen traurigen Ecke Londons aufgewachsen, aber mittlerweile in sehr unterschiedlichen Milieus gelandet sind, fasst Mangold zusammen, dem es leichter fällt, diesen Roman zu bewundern, als ihn zu lieben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.01.2014

Gleich drei mal hat Rezensent Tilman Spreckelsen Zadie Smith' neuen Roman "London NW" gelesen und scheint nach wie vor gleichermaßen fasziniert von diesem Buch über vier dreißig bis vierzig Jahre alte Londoner, die sich alle aus der Schulzeit in einem Armenviertel kennen und ganz unterschiedlich entwickelt haben. Er beobachtet etwa, wie Nathalie, die als Anwältin Karriere gemacht hat, ihr Leben und ihre Ehe schrittweise zugrunde richtet, wie Felix gegen seine Drogensucht und für seine Schauspielkarriere kämpft, Nathan vom aufstrebenden Profifußballer zum Junkie, Dealer und Zuhälter abrutscht oder die Sozialarbeiterin Leah sich mit heimlicher Einnahme der Pille und einer Abtreibung vor dem Kinderwunsch ihres Mannes schützt. Ganz gebannt liest der Kritiker die unterschiedlich scheiternden Lebensentwürfe, von denen Smith nicht nur humorvoll und klug, sondern auch sinnlich und voller Poesie erzählt. Schließlich scheut der Rezensent auch den Vergleich mit Joyces "Ulysses" nicht.
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