William T. Vollmann

Europe Central

Roman
Cover: Europe Central
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
ISBN 9783518423684
Gebunden, 1028 Seiten, 39,95 EUR

Klappentext

Aus dem amerikanischen Englisch von Robin Detje. Europe Central ist ein historischer Roman mit Abweichungen, ein Krieg und Frieden für das 21. Jahrhundert, ein postmodernes Epos aus 37 teils umfangreichen Geschichten, die, paarweise zusammengespannt, den zweiten Weltkrieg auf sowjetischer und deutscher Seite heraufbeschwören, indem sie das Leben von Künstlern (wie Käthe Kollwitz und Dmitiri Schostakowitsch) und Militärs (wie Wlassow und Paulus, dem Verlierer von Stalingrad) und vielen anderen erzählen. Europe Central, eine Bezeichnung für Mitteleuropa, ist in Vollmanns Epos vor allem eine riesige, unsichtbar bleibende Schaltstelle und Telefonzentrale, ein Kommunikationskrake, dessen schwarze Bakelittentakeln sich jeden jederzeit und überall "greifen".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.08.2013

Carsten Hueck kommt aus dem Staunen nicht raus. Was dieser stark übersetzte Roman alles ist und kann: Liebesgeschichte, Künstlerroman, Historienschinken, Verhaltens- und Gewaltstudie etc. Zusammengehalten laut Hueck durch die überbordende Fantasie des William T. Vollmann. Allerdings warnt Hueck den Leser auch vor enttäuschten Erwartungen. So auf die Schnelle sei der Genuss der Vielfalt nicht zu haben, schreibt er, der Leser müsse sich Zeit nehmen. Dann aber erlebt er die ersten drei Viertel des letzten Jahrhunderts, Leningrad, Stalingrad, Dresden, Berlin und Moskau, bevölkert mit drei Dutzend (!) Hauptfiguren, Schicksalen, aus wechselnder Erzählperspektive. Klassische Erzählweisen tauscht der Rezensent da gerne gegen Fakten und Imagination in schönster Bewegung und eine Sprache, zynisch und poetisch, erschreckend und lakonisch. Fragen, wie zuletzt bei Peter Weiss und Sartre beschäftigen den Rezensenten sodann, Fragen nach dem Aggregatzustand der Identität in Extremen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.04.2013

Jürgen Berger bedenkt William T. Vollmanns "gewaltigen" Roman "Europe Central" mit höchster Anerkennung. Der 1000-Seiten-Wälzer zeichnet in seinen Augen ein großes historisches Panorama Europas von der Weimarer Republik bis in den Kalten Krieg. Eindrucksvoll findet er, wie Vollmann seine fast vierzig Einzelgeschichten miteinander verbindet, die verschiedenen Erzählerstimmen moduliert, die zahlreichen Protagonisten - SS-Männer, deutsche und sowjetische Generäle, der Komponist Schostakowitsch, seine Geliebte - gestaltet. Mitunter fühlt sich Berger an "Krieg und Frieden" erinnert, etwa beim gekonnten Wechsel von privaten, ja intimen Szenen und großem, historischem Kriegsgeschehen. Bisweilen wird ihm der Autor etwas zu pathetisch. Auch gibt es Hin und Wieder Passagen, die für seinen Geschmack etwas zu lang geraten sind. Aber diese Schwächen werden von den Stärken des Werkes nach Ansicht des Rezensenten bei weitem überwogen. Lobend äußert er sich nicht zuletzt über die "geschmeidige" Übersetzung Robin Detjes.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.04.2013

Lothar Müller nennt das Buch einen großen Weltkriegsroman, doch keinen allein der amerikanischen Literatur, wie man annehmen könnte, sondern dank Robin Detjes stilsicherer Übersetzung einen der deutschen Gegenwartsliteratur, die sich gegen die Geschichtsschreibung behauptet, einen Roman wie von Alexander Kluge oder Marcel Beyer. Über die Schwachstellen des Buches, wenn William T. Vollmann Biografien und Ereignisse bloß nacherzählt, sieht Müller hinweg angesichts der Höhepunkte der Erzählung, zu denen für ihn die Schilderung der Entstehung eines Streichquartetts von Schostakowitsch zählt. Und immer wieder geht er dem Autor beinahe auf den Leim, wenn dieser sein historisches Panorama mit Fußnoten und Kommentaren versieht. Dann ruft sich Müller ins Gedächtnis, dass Personal und Ereignisse hier literarischen Gesetzen gehorchen.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.04.2013

Ein manisches, ja ein "ausgefuchstes" Stück Literatur hat Andreas Platthaus hier bewältigt, ein tausendseitiges, in der Geschichte verankertes Textgebirge aus den beiden Totalitarismen des 20. Jahrhunderts, zugleich eine hochmusikalische Konstruktion, denn Vollmann inspiriert sich laut Platthaus am "Schostakowitsch-Prinzip des kontrastiven Komponierens" und führt Parallelfiguren ein: Dem russischen General Andrej Wlassow, der zu den Deutschen überlief, entspricht sein deutsches Pendant Friedrich Paulus, der in Stalingrad kapitulierte. Zwei Zumutungen muss der Leser laut Platthaus bestehen: Die Figur der Geliebten von Schostakowitsch, Elena Konstantinowskaja, ist zwar nicht erfunden, aber doch in allen ihren Facetten erdichtet, denn man weiß nicht viel über sie. Und der Roman ist, ähnlich wie Jonathan Littells "Wohlgesinnte" aus den Perspektiven von Parteigängern der Regimes erzählt. Trotz mancher zu sehr an den Ereignissen haftenden Passagen ist dieser Roman für Platthaus ein Meisterwerk, und dies auch im Deutschen: Ausdrücklich lobt Platthaus Robin Detjes akribische Übersetzungsleistung.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de