William Boyd

Eine große Zeit

Roman
Cover: Eine große Zeit
Berlin Verlag, Berlin 2012
ISBN 9783827010667
Gebunden, 480 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Patricia Klobusiczky. "Wien, 1913. Lysander Rief, ein aufstrebender junger Schauspieler, hat alle Zelte in London abgebrochen und sich nicht zufällig in die Stadt Sigmund Freuds begeben. Vor seiner Hochzeit muss er sich einem delikaten Problem stellen. Doch als er im Wartezimmer von Dr. Bensimon Hettie begegnet, weiß er sofort, diese unergründlichen braungrünen Augen werden ihn nicht mehr loslassen. Hettie Bull öffnet ihm alle Türen zum ausschweifenden Wiener Künstlerleben, sie betört, umgarnt und blendet ihn und drängt ihn in ein undurchschaubares Spiel, das ihn zur Flucht aus Wien und in die Arme zweier britischer Agenten treibt. Boyds neuer Roman ist eine Erkundung der Tiefen menschlicher Psyche und ein Spionageroman zugleich.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.07.2012

Eigentlich hat William Boyd diesmal zwei Bücher geschrieben, findet Barbara Weitzel. In "Eine große Zeit" entdeckt die Rezensentin Weitzel viele Elemente, die sie von Boyd bereits kennt: düstere Agenten, schillernde Bars und Bühnen, Kunst und Krisen. Sie ist begeistert von der Sprache, lobt die Atmosphäre und - ärgert sich darüber, dass der Autor versucht hat, zwei Geschichten "mit grober Nadel" zusammenzuschustern: Der Theaterschauspieler Lysander Rief begibt sich 1913 mit einer Orgasmusblockade nach Wien, um Heilung in der Psychoanalyse zu suchen. Heilung findet er dann stattdessen im Bett einer Frau, berichtet die Rezensentin nicht wirklich überrascht. Seine Retterin Hettie wird schwanger und Rief verlässt Wien fluchtartig, wobei ihm der britische Geheimdienst unter die Arme greift und im Gegenzug seine Dienste einfordert. Hier beginnt die zweite Geschichte, schreibt Weitzel, die Geschichte eines normalen Menschen, der zum Agenten wird und sich immer wieder selbst überrascht, besonders durch seine eigene Fähigkeit zur Grausamkeit. Genau diese Verwandlung kauft die Rezensentin Rief und Boyd nicht ganz ab: trotz allen Könnens und aller "Fabulierlust" entsteht kein wirkliches Ganzes, findet Weitzel.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 28.03.2012

Der hundertste Jahrestag des Titanic-Untergang und die TV-Serie "Downton Abbey" lassen die edwardianische Epoche gerade hoch im Kurs stehen, da findet es Rezensent Günther Grosser nur recht und billig, wenn William Boyd in seinem neuen Roman daran erinnert, dass die wahre Hauptstadt der Epoche nicht London, sondern Wien war. Leider kann Boyd nicht wirklich etwas mit der Stadt anfangen, und auch die Psychoanalyse scheint dem Briten noch immer etwas ungebührlich, so dass dem Rezensenten zumindest auf den ersten 150 Seiten das Lesevergnügen etwas getrübt wurde. Aber dann bricht der Erste Weltkrieg aus, und der Roman entfaltet sich zu einem veritablen Agententhriller, der Grosser nicht mehr losgelassen hat. Jedes Naserümpfen gegenüber dem Genre sei fehl am Platze, beteuert er, der Roman "großartig, spannend" und Boyd leiste "Exzellentes".