Vizconde de Lascano Tegui

Familienalbum mit Bildnissen von Unbekannten

Roman
Cover: Familienalbum mit Bildnissen von Unbekannten
Zsolnay Verlag, Wien 2000
ISBN 9783552049703
Pappband, 182 Seiten, 17,38 EUR

Klappentext

Aus dem argentinischen Spanisch von Christian Hansen. Der selbsternannte argentinische Vizconde gehört zu den großen Unbekannten der Literatur des 20. Jahrhunderts. Sein Roman Familienalbum, 1936 erstmals erschienen, erzählt eine Fülle von Lebensläufen: Michael Bingham, ein englischer Versicherungsagent, hat als einer von wenigen Passagieren eine Bahnkatastrophe überlebt, die sich am 8. Juni 1900 in Frankreich zutrug. Die Versicherungsfirma, für die er arbeitet, beauftragt ihn, Nachforschungen über die Toten anzustellen. Nach zwanzig Jahren Suche muß er feststellen, daß seine Arbeitgeber mittlerweile Pleite gemacht haben und sein Unternehmen sinnlos geworden ist. Er wird wahnsinnig und überläßt seine Aufzeichnungen dem Wind. Dem Autor, Zeuge dieser Szene, gelingt es, sechs dieser Dossiers, dieser kleinen Familienromane, zu retten, die den Anschein geben, als sei die ganze Menschheit auf unentwirrbare Weise ineinander verstrickt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.04.2000

Eine „originelle Variante der Herausgeberfiktion“ hat sich der argentinische Schriftsteller (1876 -1966) hier ausgedacht, schreibt Hanns Grössel. Den englischen Überlebenden eines Zugunglücks im Jahre 1900 in Frankreich lässt er eine „Enzyklopädie der Wahrscheinlichkeit“ im Auftrag einer Versicherung schreiben. Als diese Jahrhunderte zurückgreifende Genealogie der Verunglückten fertig ist, stellt der Schreiber, Michael Bingham fest, dass die Versicherung seit zwanzig Jahren schon nicht mehr existiert. Der von ihm verfasste Bericht wird in Teilen von einem Schriftsteller gefunden, der sie als „Familienalbum“ herausgibt. Darin erfährt man nun die Ergebnisse, d.h. die Familiengeschichte der Verunglückten, und tatsächlich gibt es nichts, was in Gestalt ihrer Vorfahren auf ein Wahrscheinlichkeit ihres Unfalltodes schließen lassen könnte; dennoch sind es vor allem deren Leben, die das Konvolut füllen, während die Verunglückten nur noch als „nachgetragene Schlussfloskeln“ wirken. Hanns Grössel fügt seiner Besprechung einige bio-bibliografische Daten zu Tegui hinzu und gibt als Quelle die Zeitschrift „Schreibheft“ Nr.49 von 1997 an, in der erste Auszüge aus diesem Roman erstmals auf Deutsch erschienen waren.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.04.2000

Dass hier eine äußerst rätselhafte Geschichte eines mindestens ebenso rätselhaften Autors wieder entdeckt wurde, läßt den Rezensenten Norbert Wehr in ansteckende Schwärmerei verfallen. Schon bei der Inhaltsangabe dieser ungewöhnlichen Geschichte vermittelt Wehr viel von der Sogkraft, die dieser Band auf ihn ausgeübt hat. Dabei stellt er fest, dass nicht nur die Handlung selbst äußerst skurril ist, sondern die Untersuchungsergebnisse des Versicherungsinspektors Bingham noch um einiges bizarrer ausfallen - und schließlich ohne jeden praktischen Wert für eine Versicherung bleiben, da die Fantasie Binghams nicht nur gelegentlich mit ihm durchgegangen ist. Wichtig scheint dem Rezensenten neben den grotesken Aspekten jedoch auch, dass Bingham eine ganz wichtige Erkenntnis gewonnen hat: Adel und Reinrassigkeit beim Menschen gibt es nicht, denn wir alle stammen letztlich von Söhnen "`Simeons oder Sauls`" und werden der Nachwelt nicht mehr "`als ein rotes Blutkörperchen ohne eigene Individualität`" sein.
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