Urs Widmer

Der Geliebte der Mutter

Roman
Cover: Der Geliebte der Mutter
Diogenes Verlag, Zürich 2000
ISBN 9783257062458
Gebunden, 130 Seiten, 16,82 EUR

Klappentext

"Der Geliebte der Mutter" handelt von der unerwiderten lebenslangen Liebe Claras zu dem berühmten Dirigenten Edwin, aufgezeichnet von ihrem Sohn. Es ist zugleich ein Roman über das Geld und die Macht, über die Umkehr der Verhältnisse und über das 20. Jahrhundert.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.12.2000

Zunächst ist es nicht sicher, hat der Roman ihr gefallen oder nicht? Zunächst lesen wir bei Ursula März von der "Süßlichkeit eines sentimentalen Frauenschicksals", die der Text nur durch einen dramaturgischen Kunstgriff abzuwehren vermag. Dann aber, nach einer knappen wie informativen Inhaltsangabe, wissen wir: die Rezensentin hält das Buch für "ein kleines Meisterwerk". März sieht den Grund dafür vor allem in dem vom Autor ausgiebig genutzten Prinzip der Reduktion, das selbst vor dem Erzähler nicht halt macht. Dieser, so März, werde, wie auch die Zeitgeschichte in diesem Buch, zum blinden Fleck. Und betreffend die Sprechweise, erzeuge das Verfahren der Verknappung den "ironisierten Schrecken".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.12.2000

Martin Lüdke bezeichnet den neuen Roman von Urs Widmer - diesmal gibt es einen autobiografischen Hintergrund - als "wahres Meisterwerk". Darin beschreibt Widmer die schicksalhafte Affäre einer Frau (seiner Mutter) mit einem Dirigenten. Diese Affäre bleibt zwar belanglos für den Dirigenten, aber die Mutter richtet ihr gesamtes Leben darauf aus und begeht am Ende Selbstmord. Lüdke vergleicht diese Erzählung mit Peter Handkes "Wunschloses Unglück", die einen ähnlichen biografischen Hintergrund hat, hebt aber im Vergleich die konkrete "Erschütterung", die Widmer in Sprache umsetzen kann, lobend hervor. Nach Lüdkes Meinung gelingt es dem Autoren hier, "eine sehr persönliche Geschichte aus nächster Nähe und größtmöglicher Distanz zu erzählen". Lüdke sieht bei Urs Widmers Erzählstil eine große innere Verwandtschaft zu Robert Walser.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.10.2000

Mag der Titel des Buches auch auf die falsche Fährte locken : die Frage, welche Figur im Zentrum der Handlung von Urs Widmers neuem Roman steht, wird in der Rezension von Samuel Moser eindeutig beantwortet: im Mittelpunkt steht `das langsame Sterben einer Mutter` und nicht das Leben oder der viel spätere Tod des Geliebten, den der Rezensent als einen `Berg von Empfindungslosigkeit ` charakterisiert. Moser versteht es, neugierig zu machen auf eine Frau, die von der Liebe, ja eigentlich vom Leben allgemein gebeutelt worden ist. `Eine Liebesgeschichte`? reflektiert er am Ende seiner Besprechung ohne rechte Überzeugung. Wohl kaum, aber dass diese Frau `in den Himmel der Literatur eingehen wird`, daran hegt Moser keinen Zweifel.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2000

Nach Thomas Steinfeld ist der Autor hier mit seinem "Versuch, einen Wald in eine Streichholzschachtel zu zaubern, (...) gescheitert". Dafür macht er vor allem die Absicht Widmers verantwortlich, dem Schicksal, dem sich in diesem Buch jede Figur zu ergeben hat, eine übergroße Bedeutung zuzumessen. Dies kann nach Steinfelds Ansicht in einem so kleinen Band nicht überzeugend gelingen. Für ihn reicht es nicht aus, Dinge kurz anzureißen, ihnen aber gleichzeitig eine große Bedeutung mitzugeben. Und so gleitet die Geschichte für seinen Geschmack zu sehr in klischeelastigen Kitsch ab, "in die Nähe jener billigen Romane, in denen schon immer alles Schicksal war". Für Steinfeld jedoch ist "das Leben (...) ein kleines bisschen komplizierter."
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.08.2000

Was aus dem Stoff des Roman hätte werden können, zeigt sich für Roman Bucheli an gerade sieben Seiten des Buchs, da nämlich, wo die Mutter ihre inneren Qualen mit Gartenarbeit betäubt, während Hitler Moskau belagerte. Hier ist es vor allem das Unausgesprochene, was den Rezensenten bewegt. Ansonsten kann Bucheli dem Roman jedoch nur wenig abgewinnen. Viele Abschweifungen und Verästelungen lenken seiner Ansicht nach eher ab, als dass sie die eigentliche Handlung sinnvoll ergänzen. In sprachlicher Hinsicht stören ihn Klischees, für die er zahlreiche Beispiele anführt (`wehende` Röcke, `funkelnde` Augen, `schneidende` Stimmen etc.). Auch die auffallend vielen Todesfälle in dem Roman scheinen den Rezensenten eher zu verwirren. "Gleich reihenweise" fällt das Personal, wie er anmerkt, plötzlich tot zu Boden.
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