Ulrich Holbein

Isis entschleiert

Roman
Cover: Isis entschleiert
Elfenbein Verlag, Heidelberg 2000
ISBN 9783932245305
Gebunden, 384 Seiten, 34,77 EUR

Klappentext

"Isis entschleiert" ist ein großangelegter Mosaikroman zum Thema Schleier und Entschleierung. Eine Romanfigur namens ausgerechnet Ulrich Holbein verlässt seine hausbackene Geliebte Rosi, um solo auf Reise zu gehen. Er schreitet Richtung Orient, um im Tempel der Isis die nackte Wahrheit zu sehen, d. h., den hierfür zuständigen Schleier zu lüften. Hierzu werden mehrere Entschleierungsvarianten durchgeführt: sieben an der Zahl. Einige Entschleierungen verlaufen glücklich und führen zu ekstatischer Einswerdung und Erleuchtungserlebnissen, doch auch das Gegenteil, die Apokalypse im Guckkasten, nimmt seinen Lauf. Holbein operiert in der "Isis" mit dem Zitat. Damit entsteht eine überschwappende Großcollage aus Literatur-, Film-, Gebrauchstext-, Volksmund-, und Selbstzitaten, Paraphrasen und Bildern - ein internationales Kollektivgebräu aus 5437 Zitaten von etwa 732 teilweise sehr unvereinbaren Dichtern, Denkern, Religionsstiftern, Obergurus, Ekstatikern, Ghostwritern und Illustratoren verschiedener Zeiten und Zonen, von Graf Zeppelin bis Albertus Magnus. Mit Index.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.01.2001

Ein Roman, der sich als Parodie einer wissenschaftlichen Arbeit ausgibt. Ein Kollektivroman, an dem der Leser gar mitarbeiten muss. Eine Kompilation aus Texten, von denen der Autor wahrscheinlich viele nicht selbst verfasst hat. Wer weiß das schon so genau oder will das noch wissen, fragt Dieter Borchmeyer, den die Lektüre von Holbeins "postmodern-alexandrinischem Verwirrspiel" amüsiert hat. Holbein schreibt, collagiert und kompiliert sich laut Borchmeyer durch die verschiedensten Literaturgattungen; festzuhalten bleibt dem Rezensenten, dass man in Holbeins Buch alles über Schleier erfahre: vom muslimischen Kopftuch bis zur Vermummung bei Demonstrationen oder die Kopfbedeckung der Maya. Holbein geht es nicht darum, das Erhabene in den Mysterien nachzuinszenieren, bemerkt Borchmeyer, sondern sein Ziel ist "die Dekonstruktion der Metaphysik von Transzendenz und Schleier". Wer sich mit den klassischen Tüchern und der Transzendenz nicht auskennt, wird von Borchmeyer auf eine kürzlich herausgekommene Untersuchung zu Schillers Ballade "Das verschleierte Bild zu Sais" verwiesen, worin der Ägyptologe Jan Assmann dem Isis-Kult von Schillers Ballade ausgehend nachspürt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.09.2000

Das hört sich nach einem dicken Brocken Kompliziertheit an, auch wenn Lutz Hagestedt sich alle Mühe gibt, das Buch verständlich zu machen. Der Rezensent widmet sich ausführlich dem Verfahren des Autors, eine "Autobiografie zweiter Ordnung herbeizuschreiben", indem er alle Ulrichs der Weltliteratur und allen Holbeins samt anverwandten Namensvettern (wie Hohler, Holl, Holk etc) zu einer biografischen Collage zusammenschneidet. Der "Isis-Kult" scheint dabei eine Metapher für den Ich-Kult des Autobiografen zu sein; und der wird auf so phantastische Weise ausgespielt, dass, meint Hagestedt, am Ende der "Schleier" zerreißt und den Blick freigibt auf die Egomanie des Egomanen: ein System von "Doppelgängerfiguren" fügt sich zusammen zum "fiktiven Ego" des Ulrich Holbein. Dem Rezensenten hat das Lust gemacht auf eine eigene Egomanie; er bittet um Bücher, in denen der Name Lutz vorkommt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.09.2000

Der Autor schreibt ein Buch, das nur aus Sätzen anderer Autoren besteht: Seltsam - obwohl wenn kein Satz vom hoch geschätzten Autor selbst stammt, mag der Rezensent Martin Ebel das Buch trotzdem. Sogar der Titel sei Zitat, teilt Ebel mit. Die Lektüre des Buchs veranlasst ihn allerdings zu fragen: "Was ist noch Zitat, wenn alles Zitat ist?" Zitiert wird aus den unterschiedlichsten Quellen, werden wir informiert, hohe Philosophie sei ebenso vertreten wie Groschenhefte. Auch formal ist alles vertreten: Epik, Dramatik, Lyrik. Das Thema ist die Methode zugleich: Verhüllen und entschleiern, zitieren, verstecken - entdecken. Für Martin Ebel ist das Buch ein großer und kurzweiliger Lesespaß, der hinter der Komik immer auch den Ernst der Fragen (siehe oben) durchscheinen lässt. Darum schließen wir ausnahmsweise mit einem Zitat: "Nichts ist origineller, (...) , als sich von anderen zu nähren." So zitiert Ebel Holbein, zitiert Holbein Valéry. Etwas später heißt es bei Valéry: "Allerdings muss man sie auch verdauen." Jetzt wissen wir, wie es in der Literaturkritik zu der Formulierung "gut verdaulich" gekommen ist.