Tom Holland

Herrschaft

Die Entstehung des Westens
Cover: Herrschaft
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2021
ISBN 9783608983562
Gebunden, 624 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Wie wurde der Westen zu dem, was er heute ist? Welches Erbe schlägt sich in seiner Gedanken- und Vorstellungswelt nieder? Tom Holland schildert die Geschichte des Westens ausgehend von seinem antiken und christlichen Erbe. Dabei zeigt er, dass genuin christliche Traditionen und Vorstellungshorizonte auch in unserer modernen Gesellschaft sowie ihren vermeintlich universellen Wertesystemen allgegenwärtig sind - sogar dort, wo sie negiert werden: etwa im Säkularismus, Atheismus oder in den Naturwissenschaften.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 14.08.2021

Rezensent Claus Leggewie ist ratlos angesichts von Tom Hollands Generalthese vom unumstürzlichen, alles umfassenden, alles durchwirkenden christlichen Wertekosmos. Wenn alles christlich ist, ist eigentlich nichts mehr wirklich christlich, meint er. Ungläubig folgt Leggewie dem Autor bei seiner Darstellung der Assimilationsprozesse, mit denen sich das Christentum laut Holland jede moderne Idee einverleibt hat. Antike, Christentum, Modernitas schreitet Holland ab und, laut Leggewie die eigentliche Provokation des Buches, bezieht auch den Orient mit ein. Dass die Dialektik von Hollands "Gleichheitsprinzip" es möglich macht, sogar die Schoah als durch christliche Grundsätze geheilt zu sehen, überzeugt Leggewie offensichtlich auch nicht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 01.06.2021

Einen "Leserausch" verspricht dieses Buch schon wegen des "wuchtigen Sounds" von Tom Holland, meint Rezensent Arno Orzessek. Allerdings muss der Leser damit klarkommen, dass Holland aber auch wirklich alles auf das Christentum zurückführt, fährt der Kritiker fort. Begonnen bei der Kreuzigung Jesu schreitet der Autor durch die Geschichte, erzählt lebendig von Gewalt und Sexualität, Askese und Fanatismus, Ejakulat und Exkrementen - und schafft es immer wieder die vermeintlich christlichen Wurzeln herauszustellen. Dass von Beatles-Songs über Dinosaurier-Ausgrabungen bis zur LGBTQ-Bewegung und sogar dem Islamischen Staat alles aus dem Christentum rührt, möchte der Kritiker allerdings dann doch nicht glauben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.05.2021

Mit diesem Buch schlägt Tom Holland ein "neues Kapitel im fruchtbaren Austausch zwischen Historiografie und schöner Literatur" auf, befindet Gustav Seibt zum Ende einer epischen Besprechung. Wähnt sich der Kritiker mitunter während der Lektüre in einer 2500 Jahre umspannenden Version von "Herr der Ringe" wird er dank der Faktenfülle dieses Buches immer wieder daraufgestoßen, dass es sich hier um pure Geschichte handelt. Holland habe sich nicht weniger vorgenommen als die Entstehung des Westens von den alten Griechen bis zu #MeToo zu erzählen, lebendig und wild, und doch so wissenschaftlich und nahe an der aktuellen Forschung, dass das Buch auch den Vergleich mit Heinrich August Winklers vierbändiger Geschichte des Westens nicht scheuen muss, lobt der Rezensent. Ausgehend von der Grundthese, dass die Welt nach wie vor von westlichen christlichen Werten beherrscht werde, verweist Holland bei Themen wie Gleichheit der Geschlechter, Homosexualität, Aufklärung oder Kommunismus immer wieder auf christliche Ursprünge, lässt dabei Debatten zur Säkularisierung, geführt unter anderem von Löwith, Schmitt oder Blumenberg völlig außen vor, geht aber immerhin auf Darwin und Nietzsche ein, klärt Seibt auf. Hollands Botschaft eines "universalen Anspruchs" vernimmt der Kritiker auf allen Seiten, eine Lektüreempfehlung spricht er dennoch ohne Einschränkungen aus.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.04.2021

Dieses Buch ist eine Mogelpackung, warnt Rezensentin Claudia Mäder, denn es enthält nur einen Aspekt dessen, was es verspricht: die Antwort auf die Frage, wie der Westen wurde, was er ist. Doch in diesem Fall ist die halbe Wahrheit keine Antwort, nicht mal eine halbe. Ohne Frage: Tom Holland ist ein hervorragender Erzähler, und zu Anfang liest Mäder noch mit aufrichtigem Interesse und Wohlwollen über die Bedeutung von Jesu Kreuzigung sowie die dem christlichen Glauben inhärenten Widersprüche. Doch spätestens wenn Holland die französische Revolution und die Einführung der Menschenrechte als direkte, logische Folge der Entstehung des Christentums erklärt, wird ihr klar, dass hier etwas nicht stimmt. Nicht nur gibt Holland seinem Gegenstand eine deutliche Teleologie, auch blendet der Autor politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte in der Entstehung des Westens komplett aus. Alles über die Beatles bis zum Transgender-Aktivismus und seiner Gegenbewegung wird als "Ausdruck christlichen Glaubens" erklärt, sodass sich die Rezensentin fragen muss: "Ist etwas, was alles und sein Gegenteil ist, am Schluss nicht eher nichts?"