Thomas Hauschild

Ritual und Gewalt

Ethnologische Studien an europäischen und mediterranen Gesellschaften
Cover: Ritual und Gewalt
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 2008
ISBN 9783518584910
Gebunden, 258 Seiten, 24,80 EUR

Klappentext

Noch in den 1980er Jahren galten religiös motivierte Rituale hierzulande als vom Aussterben bedrohte Spezies, als archaische Reste von bestenfalls folkloristischem oder unterhaltungsindustriellem Interesse, die in einer globalisierten, hochtechnisierten und zunehm säkularisierten Welt keine Bedeutung mehr haben würden. Zwanzig Jahre später hat sich diese Situation gründlich geändert. Alte Rituale leben weiter, neue werden erfunden, importiert oder drängen aus anderen Weltgegenden nach Europa hinein. Gewaltexzesse, die scheinbar von außen in die westlichen Gesellschaften einbrechen, erweisen sich häufig als rituell grundiert und haben ihre europäischen Resonanzen und Gegenstücke. Angesichts dessen entwickelt Thomas Hauschild eine neue Sicht auf Rituale und deren Zusammenhang mit Ressentiment und Gewalt. Die "Kultur" von Al Qaida wird ebenso untersucht wie die der sizilianischen Mafia, der "Ehrenmord", der "böse Blick" sowie andere magische und religiöse Riten und Fetischismen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.07.2008

Durchwachsen wirkt Thomas Hauschilds Band "Ritual und Gewalt" auf Rezensent Oliver Pfohlmann. Neben bedenkenswerten Überlegungen findet er darin einige Thesen, denen er nicht zustimmen kann. Während er die Beobachtungen des Ethnologen zum Thema "Ehrenmord" ausdrücklich lobt, haben ihn dessen Erklärungsversuche des Terrorismus islamischer Fanatiker nicht überzeugt. Für ihn wird nicht ersichtlich, was süditalienische Riten und Traditionen, die Hauschild untersucht hat, mit Osama bin Ladens Terrornetzwerk zu tun haben. Pfohlmann kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Buch aus verschiedenen Aufsätzen "notdürftig" zusammengeschustert ist. Er hält dem Autor vor, sich zu Lasten der Lesbarkeit immer wieder in "innerethnologische Grabenkriege" zu verstricken, die für das Publikum jenseits der Fachgrenzen uninteressant sind. Insgesamt verspricht das Buch zu seinem Bedauern mehr als es letztlich hält.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.05.2008

Niels Beintker kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es Thomas Hauschild mit seinem jüngsten Buch über "Ritual und Gewalt" nicht zuletzt darum geht, die Bedeutung seines Fachs, der Ethnologie, durch das Thema des globalen Terrorismus zu untermauern. Zentrale Thesen zum Verhältnis von Ritual und Gewalt oder Aufschlussreiches zum islamistischen Terror hat der Rezensent jedenfalls nach eigenem Bekunden vergeblich gesucht. Beintker wolle aus lokalen Einzelstudien - in diesem Buch wird vor allem Heiligenverehrung und Aberglaube in der italienischen Basilicata analysiert - Rückschlüsse auf globale Zusammenhänge ziehen, erklärt der Rezensent, der aber mit den Erkenntnissen, die Hauschild daraus für den weltweiten Terrorismus gewinnt, wenig Neues gelernt hat. Und so sei dieses Buch insgesamt trotz hochinteressanter Fragestellungen ein schlechtes Aushängeschild für die Ethnologie, kritisiert Beintker, der etwas boshaft bemerkt, am ehesten eigne sich diese Sammlung von Studien vielleicht für einen Antrag auf Fördergelder.
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