Sophokles

Ödipus in Kolonos

Cover: Ödipus in Kolonos
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783518414521
Kartoniert, 159 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Aus dem Griechischen von Peter Handke. Verbannt aus Theben, gelangt der alte, blinde, zum Bettler gewordene Ödipus nach Kolonos. Dort, in dem ländlichen Vorort Athens, sucht er Zuflucht an einem Altar, wo er auf Theseus, König von Athen, wartet, um von ihm Asyl zu erbitten. Theseus gewährt ihm diesen Wunsch und bietet dem Fremden Schutz und bequemere Unterkunft an. Ödipus Töchter Antigone und Ismene sind fürsorglich beim Vater, während seine Söhne Eteokles und Polyneikes sowie deren Onkel Kreon in Theben Machtkämpfe ausfechten und Ödipus jeweils eigennützig zur Rückkehr und zu politischer Parteinahme zu bewegen versuchen. Ödipus aber verkündet, bis zu seinem Tod in Kolonos bleiben zu wollen, und gibt seinen schutzspendenden Segen, den er den streiten Parteien in Theben verweigert hat, den Athenern, die für Pflege der Gastfreundschaft, Achtung der Götter und Rechtssicherheit stehen. "Ödipus in Kolonos", entstanden 406/405 v.Chr., ist das letzte und mit mehr als 1770 Versen längste Werk von Sophokles.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.06.2003

Andreas Dorschel bricht eine Lanze für die von der Theaterkritik heftig verrissene Neuübersetzung Peter Handkes von Sophokles' "Ödipus in Kolonos". Zu diesem Zweck hat Dorschel selbst Philologenarbeit betrieben und holt in seiner Rezension entsprechend weit aus. Er berichtet von der alten, tief im Bewusstsein (auch der Kritik) verankerten Lesart des Stücks a la Lessing, Hegel und Nietzsche, wonach Ödipus zu seiner Untat stehe und die Folgen auf sich nehme. Alles ein grandioser, folgenreicher Irrtum, erklärt Dorschel und beruft sich auf eine bahnbrechende Studie des Gräzisten Wolfgang Bernard ("Das Ende des Ödipus bei Sophokles"), der vor kurzem nachgewiesen habe, dass Ödipus sich ganz im Gegenteil mit allen Mitteln den Folgen seiner Handlung zu entziehen suche. Offenbar hat auch Handke diese Untersuchung zur Kenntnis genommen und sich vom Ballast der philosophischen Tradition hierzulande freigemacht: Ödipus nimmt zum ersten Mal, schreibt Dorschel, "als der große Hasser" Gestalt an. Nach der Uraufführung sei Handke mangelnde Philologie vorgeworfen worden, berichtet der Rezensent und hat sich daraufhin selbst das Original vorgenommen: und siehe da, man tut Handke Unrecht, erklärt Dorschel. Handke habe sehr genau am Text gearbeitet, und dort , wo er sich Freiheiten herausgenommen habe, seien diese auch "errungen, nicht nonchalant zusammenphantasiert". Dorschel kommt zu dem Schluss, dass die Kritiker aus Bequemlichkeit eine der alten Übersetzungen zum Vergleich herangezogen haben und damit die verklärende Tradition des Ödipus-Dramas fortschreiben.
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