Robert Menasse

Die Erweiterung

Roman
Cover: Die Erweiterung
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518430804
Gebunden, 653 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Zwei Brüder, nicht leibliche Brüder, sondern "Blutsbrüder", verbunden durch einen Schwur, den sie im polnischen Untergrundkampf gegen das kommunistische Regime geleistet haben, gehen nach dessen Zusammenbruch getrennte Wege. Der eine, Mateusz, steigt in höchste Ämter auf und wird schließlich polnischer Ministerpräsident. Der andere, Adam, macht nach dem EU-Beitritt Polens in der Europäischen Kommission Karriere, in Brüssel ist er zuständig für die Erweiterungs-Politik. Während die Vorbereitungen für die Westbalkankonferenz im polnischen Poznan auf Hochtouren laufen, bittet Adam Mateusz um Unterstützung, doch der beginnt das Beitrittsgesuch Albaniens zu unterminieren. Aus der einstmals tiefen Verbundenheit wird eine unversöhnliche Feindschaft von europäischer Dimension. Auf einer vom albanischen Ministerpräsidenten organisierten Kreuzschifffahrt auf der SS Skanderbeg, zu der er alle Regierungschefs der Balkanstaaten, die EU-Außenminister und sämtliche Vertreter der Europäischen Union eingeladen hat, treffen die Beiden wieder aufeinander. Was dann passiert, steht längst nicht mehr in ihrer Macht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.10.2022

Rezensent Paul Jandl hat viel Freude am zweiten Teil von Robert Menasses EU-Groteske. Dem Buch, das Jandl als "Unterhaltungsroman für die gebildeten Stände" preist, liegt erneut Menasses Plädoyer für ein Europa der Regionen zugrunde, klärt der Kritiker auf. In diesem Fall möchte Albanien in die EU, aber Macron mauert. Schon wie Menasse die "Arroganz" des Westens gegenüber dem Osten aufspießt, amüsiert den Rezensenten. Wenn dann noch kurz vor der Rückgabe der Helm des albanischen Volkshelden Skanderbeg verschwindet und die europäischen Staatschefs führerlos, aber mit einem Virus an Bord übers Meer schippern, ist der Spaß für Jandl perfekt. Mit ein paar "Redundanzen" , "Kalauern" und Erfindungen kann der Kritiker gut leben, denn: Niemand erkennt das "Absurde der Wirklichkeit" so genau wie Menasse, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.10.2022

Rezensentin Katharina Teutsch hört in Robert Menasses zweitem Teil seiner EU-Trilogie das Herz eines Europäers schlagen - auch wenn es gerade die Verfehlungen der EU-Politik in den Blick nimmt: dieses Mal das Thema der Aufnahme Albaniens, zunächst von französischer Seite mit dem Veto bedacht, obwohl das Land selbstbewusster europäische Werte vertrete als so manches andere innerhalb der EU, so Teutsch. Dabei lasse der Autor allerlei politisches Personal aufmarschieren, das sich zum Teil an realen Vorbildern orientiert (zum Beispiel am albanischen Premierminister Edi Rama), und verwebe echte politische Ereignisse mit fiktiven. Aber Menasse sei eben nicht nur Chronist der EU-Geschichte, sondern auch sehr fähiger Erzähler, wie Teutsch wieder feststellt: gekonnt halte er sein "episches" Figurengeflecht motivisch zusammen, lobt die Kritikerin, und zwar über den Helm des albanischen Helden Skanderbeg, der allerlei Etappen vom Dingsymbol über Beweismittel bis zum Slapstick-Aufhänger durchmache. Was ihr außerdem noch auffällt im Roman, sei eine "schmerzhafte Mutterlosigkeit" vieler Figuren. Insgesamt auf jeden Fall ein sehr informierter "Page-Turner", so Teutsch.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 22.10.2022

Trotz 650 Seiten Länge hat Rezensent Carsten Otte ein "kurzweiliges" Lesevergnügen mit Robert Menasses EU-Roman. Getreu seinem Projekt, so Otte, geht es auch hier wieder um Geschichte und Zustand Europas, und dabei viel um Albanien und seinen Beitrittswunsch in die EU, den Menasse in die absurde Jagd eines Museumsartefakts münden lässt: Begehrt und dupliziert wird der goldene Helm des albanischen Nationalhelden Skanderbeg. Aber nicht nur auf satirische Eskalation verstehe sich Menasse, sondern auch auf emotionalen Tiefgang, lobt der Kritiker und verweist hier auf eine alte Jugendfreundschaft zweier polnischer Politiker. Auch Liebesbeziehungen zwischen zahlreichen europäischen Figuren kommen nicht zu kurz, meint der Kritiker - so werde im Buch nicht nur die widersprüchliche Politik der EU, sondern auch ihr Zusammengehalten-Werden von emotionalen Bindungen deutlich, analysiert Otte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.10.2022

Auch wenn Robert Menasse nicht als "glühender Europäer" bezeichnet werden will, wie Rezensentin Alexandra Föderl-Schmid bei einem Gespräch mit dem Autor erfährt, merkt sie seinem neuen Roman seinen anhaltenden Eifer für das Thema an. Wieder habe Menasse, nachdem er für seinen ersten Europa-Roman "Die Hauptstadt" nach Brüssel gegangen war, intensiv vor Ort recherchiert, so Föderl-Schmid, dieses Mal in Albanien, das er nun im neuen Buch als Beispielland für die Erweiterungspolitik der EU beleuchte. Die Romanhandlung, in die Menasse sein Wissen verpacke, bewege sich dabei zwischen Tragödie, Satire, Liebesgeschichte und historischer Lektion, analysiert die Kritikerin, und falle dabei sehr figurenreich aus - so, dass ihr manchmal die Orientierung etwas schwerfällt. Auch die Mischung aus Fakten und Fiktion (die dem Autor auch schon mal einen kleinen Skandal beschert hat, wie Föderl-Schmid rekapituliert) präsentiere Menasse hier wieder - nach anfänglichem Google-Drang lässt sich die Kritikerin aber ganz vom "Sog" des Romans mitreißen.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 11.10.2022

Rezensent Oliver Jungen staunt, wie Robert Menasse die sich in die Länge ziehende EU-Beitrittsverhandlungen in Literatur verwandelt. Der Autor, der 2017 mit seinem Roman "Die Hauptstadt" die Gattung des EU-Romans einführte, erzählt hier wieder etwas skizzenhaft von seinen bürokratischen Helden, darunter dem eher langweiligen Juristen Karl Auer oder dem Kommissionsbeamten Adam Prawdower, die sich in einer andauernden Beitrittsverhandlung im albanischen Tirana behaupten müssen, erklärt Jungen. Leider schweift Menasse immer wieder ab und überhöht jede Szene ins Symbolische, wodurch der Rezensent keinen eindeutigen Handlungsstrang erkennen kann, doch das Finale, in dem alle Akteure zusammenkommen, findet er stark. Jungen empfiehlt, das Buch als "engagierten, bebilderten Essay" und "europäische Mahnung vor dem zunehmenden Nationalismus" zu lesen, um sich aufrichtig daran freuen zu können.