Richard Rorty

Wahrheit und Fortschritt

Cover: Wahrheit und Fortschritt
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783518582978
Gebunden, 507 Seiten, 32,72 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Joachim Schulte. Das Verhältnis zwischen Wahrheit und Fortschritt wird von Rorty ganz anders dargestellt, als es in der Philosophie üblich ist. Nicht die Erkenntnis der Wahrheit führt zum Fortschritt, nein ? es ist die Einsicht in die Belanglosigkeit aller herkömmlichen Wahrheitsvorstellungen, die Fortschritte ermöglicht. Wer philosophische Wahrheitsbegriffe auf die leichte Schulter nimmt, kann den Fortschritt ernst nehmen. Wer die Vorstellung von einer unabhängig existierenden, der menschlichen Vernunft zugänglichen Realität der Tatsachen und der Werte aufgibt, kann mit offenen Ohren neuen Stimmen lauschen und von fremden Kulturen, dem Ende des Leninismus sowie von feministischer Politik lernen. In seinem neuen Buch erhellt Rorty das dialektische Verhältnis zwischen Wahrheit und Fortschritt durch Kritik an eingebürgerten philosophischen Theorien, durch verständnisvolle Interpretationen anderer Autoren und durch geduldige Abwehr der gegen seine Position erhobenen Einwände.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.03.2001

Sympathie empfindet Thomas Eckart für diesen Autor, der, wie der Rezensent fast mitleidig feststellt, an einem "sozialdemokratischen Utopia" hänge, den Aufstand gegen das eiserne "Phantom der Marktwirtschaft" noch immer probe. Dass Rorty ein "grundgütiger Mensch" ist, will Eckart uns denn auch beweisen und legt uns diesen umfangreichen Aufsatzband behutsam ans Herz: Präsentiere der erste Teil des Bandes vornehmlich "philosophische Scharmützel" mit Kollegen Charles Taylor oder Hilary Putnam, gehe es späterhin um Politik. Hier - und besonders bei Fragen zum Feminismus und zur Chancengleichheit unserer Kinder - wähnt Eckart das Hauptinteresse des Autors, wobei Rorty, wie es heißt, auch Technik und Wissenschaft "explizit politisch" begreife. Bei solchen Interessenschwerpunkten aber kann es kaum verwundern, wenn Eckart zwischendurch der Glaube verlässt. Dann nämlich, wenn der Autor wieder mal anhebt, sich von jeglichem Sinn zu verabschieden und behauptet, auch er habe schließlich keine rechte Ahnung, ´wie wir uns nützlich machen können´.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.11.2000

Einen "Streifzug" nennt René Aguigah seine Besprechung der drei jüngst auf deutsch erschienenen Essaybände "Wahrheit und Fortschritt", "Philosophie & die Zukunft" und "Die Schönheit, die Erhabenheit und die Gemeinschaft der Philosophen" des Amerikaners Richard Rorty. Und wie es sich für einen Streifzug gehört, kommt nicht alles, was vorhanden ist, auch zur Sprache. So widmet der Rezensent dem schmalsten der drei Bücher mit dem sperrigen Titel "Die Schönheit, die Erhabenheit und die Gemeinschaft der Philosophen" gerade mal einen Absatz, Rortys Definition des Philosophen wiedergebend - das war`s. Bei "Philosophie & die Zukunft", dem thematisch am weitesten ausgreifenden der drei Bücher, gibt es immerhin was am Lektorat und an der Übersetzung zu beanstanden: "lax" seien diese, so Aguigah angesichts gestraffter Sätze und der einen oder anderen Absatz- bzw. Sinnverschiebung; lesenswert allerdings findet er die Texte dennoch. Das gleiche gilt für den umfangreichen Band "Wahrheit und Fortschritt": Obschon kein "Buch aus einem Guss", wie Aguigah feststellt, den die vielen Wiederholungen irritiert haben, blieben die Essays als Einzelstudien allemal interessant. Der Rest ist einfach Rorty: "von detailversessener Repetition bis zu chauvinistischem Pathos, vom breit grinsenden Humor... bis zu einer Art Parlamentsrhetorik" - erklärt Aguigah.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2000

Nein, Richard Rorty, der ironische Pragmatiker unter den amerikanischen Philosophen, hat keinen Kehrtwende zum klassischen Wahrheits- und Fortschrittsglauben gemacht, erläutert Thomas Schäfer in seiner ernsten und klaren Besprechung. Im Gegenteil: In der Sammlung von Texten aus den 90er Jahren integriere Rorty die Begriffe in seine Philosophie. Schäfer beobachtet darin ein politisches Ziel: Die Herstellung einer bestimmten intellektuellen Kultur der Toleranz, in der "metaphysische Auffassungen von Wahrheit und Fortschritt" keinen Platz mehr haben. Und er beobachtet bei Rorty die fortgesetzte Konfrontation mit der philosophischen "Korrespondenztheorie der Wahrheit": Für Rorty existiert das "Wesen der Dinge" nicht, wahr ist letztlich, was "am besten bestimmte Probleme lösen kann". Das erfordert ständige Rechtfertigung. Kritik hat Schäfer keine, und gut übersetzt sind die Texte auch.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2000

Thorsten Jantschek geht dem Gedankengerüst dreier Neuerscheinungen des amerikanischen liberalen Rhetors und Philosophen Richard Rorty auf den Grund. Es handelt sich um:
1. "Philosophie & die Zukunft", erschienen bei Fischer, in dem Rorty sich an ein breiteres Publikum wende und in seinen Reden "lustvoll" die "Entprofessionalisierung" (Rorty) der Philosophie vorexerziere sowie
2. "Wahrheit und Fortschritt", erschienen bei Suhrkamp, einer 500-seitigen Sammlung "subtiler akademischer Diskurse" und Kontroversen mit Hilary Putnam, John Searle, Charles Taylor und anderen.
3. Das Bändchen mit dem langen Titel "Die Schönheit, die Erhabenheit und die Gemeinschaft der Philosophen" ist mit 87 Seiten auch das kürzeste. Mehr ist dazu vom Rezensenten nicht zu erfahren.
Da sich Rortys Argumentation gleichermaßen durch alle drei Bücher zieht - es geht hier schließlich um Rhetorik -, geht der Rezensent nur am Rande auf die konkreten Titel ein. Grundsätzlich erteile Rorty der platonischen Wahrheitssuche ebenso wie dem Empirismus eine Absage, schreibt Jantschek. Seine philosophische Kunst bestehe darin, die großen Fragen nach der Wahrheit zu verscheuchen "wie lästige kleine Fruchtfliegen", von denen aber anzunehmen sei, dass sie gleich wiederkehrten. Rorty wisse nämlich, dass Fragen nach einer allgemeinen Wahrheit dem Wesen des Menschen entsprächen. Deshalb versuche er, nach ihrem Nutzen zu fragen und ein neues Vokabular für die wirklichen politischen, sozialen und ästhetischen Bedürfnisse des Menschen zu finden. Auch wenn der Rezensent Rorty moralphilosophische Widersprüche nachweist, etwa hinsichtlich der Tolerierung eines theoretischen Fundamentalismus, kann er sich doch seine Bewunderung nicht versagen. Rorty räume mit einem alten Vorurteil auf, denn seine "Rhetorik zielt darauf ab, die Welt zu verändern, indem man sie neu interpretiert", schreibt Jantschek. Auch wenn Jantschek Rorty schließlich einen "smarten Schmuseliberalen" nennt, stellt er sich vor, dass Karl Marx durch dessen "Wandel durch Neuinterpretation-Dialektik" (Rorty) immerhin verwirrt wäre, während Sokrates daran sicherlich einen "Heidenspaß" gefunden hätte.