Ocean Vuong

Nachthimmel mit Austrittswunden

Gedichte. Zweisprachig
Cover: Nachthimmel mit Austrittswunden
Carl Hanser Verlag, München 2020
ISBN 9783446266438
Gebunden, 176 Seiten, 19,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Anne-Kristin Mittag. In den zwischen Versform und Prosa changierenden Gedichten beschwört Ocean Vuong seine Vergangenheit herauf: die Kindheit, die Liebe zum Vater, die Gewalt, die er als schwuler Sohn vietnamesischer Einwanderer auch im Land der erträumten Freiheit Amerika erfährt. Sein preisgekrönter Lyrikband wagt es, die Wunden der Menschheit zu erkunden.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 27.05.2020

Rezensentin Dorothea Dieckmann liest die zweisprachige Ausgabe mit Gedichten von Ocean Vuong und ärgert sich über die Übersetzung von Ann-Kristin Mittag, die ihrer Meinung nach einen gehobenen Ton einschmuggelt, wo der Autor oft alles andere als pathetisch ist, nämlich variabel, mal üppig, dann wieder diszipliniert, wie sie schreibt. Vielfältig findet sie auch die Formensprache der Texte aus Notizbuchfragmenten, Haibun oder Anmerkungen. Die "gespaltene Identität" des Einwanderkindes ist in den anspielungsreichen Gedichten laut Dieckmann wiederum Thema (wie im Roman), wobei hier nun nicht mehr die Mutter dominiert, sondern der Vater, so die Rezensentin. Für Liebe und Krieg und ihre "Gleichursprünglichkeit" in seiner Biografie findet Vuong starke Bilder und Verweise zu Homer und Rilke, erklärt Dieckmann.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.03.2020

Rezensentin Angela Schader scheint tief berührt von der Strahlkraft der Gedichte des vietnamesisch-amerikanischen Schriftstellers Ocean Vuong. Dessen Lyrik liest sie als Ergänzung des Romans "Auf Erden sind wir kurz grandios", insofern als nunmehr der Vater des Autors stärker miteinbezogen wird, der im Roman nur durch die der Mutter angetane Gewalt sichtbar war. Um Gewalt (in der Familie, im Vietnamkrieg, in den homosexuellen Beziehungen des Autors) geht es auch in den Gedichten, erklärt Schader. Wie Vuong seine "erlesene" Bildsprache dagegen ins Feld führt, "milimetergenau getroffenes Entsetzen" bannt und es mit "fast unirdischer Schönheit" ausbalanciert, verschlägt Schader mitunter den Atem.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.03.2020

Stefan Hochgesand gibt sich als Verehrer des amerikanischen Schriftstellers Ocean Vuong zu erkennen und freut sich daher, dass nun auch dessen Gedichtband "Nachthimmel mit Austrittswunden" auf Deutsch erscheint. Viele Motive, die Vuong in den Gedichten anklingen lässt, kennt Hochgesand bereits aus dem Roman "Auf Erden sind wir kurz grandios": die vietnamesische Familie, den Analphabetismus der Mutter, die Abwesenheit des Vaters, die schwule Liebe. "Zärtlich und schonungslos" zugleich findet der Rezensent diese Lyrik, auch "hartnäckig und flüchtig". Die Übersetzung der Gedichte in dem zweisprachigen Band tut er forsch als "Verständnishilfen" ab, die mit dem Sound der Originale nicht mithalten können: Für Hochgesand steht Vuong als Lyriker und Träger des T.S.Eliot-Prize in einer Reihe mit John Burnside oder Ted Hughes.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.02.2020

Rezensent Samir Sellami scheint sich an die Eindeutigkeit in Ocean Vuongs Gedichten erst gewöhnen zu müssen, findet dann aber zumindest teilweise Gefallen an der sprachlichen und emotionalen "Transparenz" dieser Lyrik. Nach seinem Erfolgsroman "Auf der Erde sind wir kurz grandios" geht es in diesem Lyrikdebüt des vietnamesisch-amerikanischen Jungautors wieder um die eigene Biografie, aber auch um Vaterrollen und Männlichkeitsstereotype, verrät er. Die Direktheit, mit der Vuongs Sprache dabei auftritt und ihre Emotionalität ausstellt, so Sellami, wirken zwar gelegentlich trivial, aber einige "sprachverknappende" sowie "schroffere" Gedichte nehmen den Rezensenten doch ein. Ein bisschen expliziter hätte es seiner Meinung nach allerdings schon werden können: Immerhin wollte der queere Autor nach eigener Aussage über Körperlichkeit schreiben. Vor allem zwei Grundsätze zur Dichtung scheint Sellami herauszulesen und nachvollziehen zu können: Die "zwanghafte" Vermeidung von Kitsch ist nicht immer hilfreich.  Und Dichten bedeutet nicht Selbstfindung, manchmal reicht es schon, "sich an den eigenen Namen zu gewöhnen". 
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.02.2020

Dem Rezensenten Nico Bleutge zufolge schreibt Ocean Vuong eine faszinierende "Lyrik der Assoziationen", die die Sprache und die von ihr heraufbeschworenen Bilder gleichermaßen beweglich hält. Dass der Autor dabei ab und an ein wenig zu pathetisch wird, verzeiht Bleutge ihm gern. Wie in seinem gefeierten Debütroman tauchen auch hier die erzählende Großmutter, die gewalttätigen Eltern und die Flucht aus Vietnam auf, aber auch die Entdeckung der eigenen Homosexualität und Reflexionen auf den Körper bestimmen die Gedichte, erzählt der Kritiker. Er empfiehlt, sich auf die englischen Originaltexte zu konzentrieren, denn die Übersetzung von Anne-Kristin Mittag konnte ihn leider nicht überzeugen.

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