Nikos Kavvadias

Die Wache

Roman
Cover: Die Wache
Alexander Fest Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783828601680
Gebunden, 203 Seiten, 19,89 EUR

Klappentext

Aus dem Neugriechischen von Maria Petersen. Auf dem Chinesischen Meer, Ende der vierziger Jahre. Ein griechisches Frachtschiff - alt, ramponiert, ohne Radar - ist unterwegs nach Shantou. Tag und Nacht stehen die Matrosen in den langen Stunden des Wachens auf der Brücke, Heizer, Funker und Steuermann. Sie reden über das, was ihr Leben ausmacht: die Endlosigkeit der Ozeane, den Seemannsberuf. Sie reden über den Alkohol, über Geheimnisse und Verbrechen und, immer wieder, über die Lust.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.02.2002

Andreas Breitenstein wundert sich nicht, dass der Roman des griechischen Autors, der bereits 1954 erschienen ist und in Griechenland Kultstatus hat, jetzt erst in deutscher Übersetzung vorliegt. Denn das Buch habe nichts mit dem von Melville oder Conrad geprägten, hierzulande so beliebten "Seefahrerroman" zu tun, meint der Rezensent, der hier vielmehr ein "Abenteuer" der "Sprache und Form" entdeckt hat. Einfühlsam beschreibt Breitenstein die seltsam träumerische Atmosphäre des Romans, von dem er den Eindruck gewinnt, ein "kollektives Unbewusstes" komme zum Ausdruck. Nichts liege dem Autor ferner, als die alte "Seefahrerromantik" zu beschreiben, die bei ihm längst einer trostlosen Heimatlosigkeit gewichen ist, so der Rezensent beeindruckt. Ganz besonders lobt er auch die Übersetzerin, der es wie er findet hervorragend gelungen ist, sich "tief in die Sprache der Seefahrt" einzuarbeiten und die den Text für die deutschen Leser lebendig macht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.01.2002

Rezensent Burkhard Scherer freut sich, dass der vor knapp fünfzig Jahren verfasste Roman jetzt auch auf Deutsch zu lesen ist. Zumal diese Geschichte von syphilitischen Seemännern, die schon mal sexistische Sprüche machen über ihre Frauenbesuche an Land, aber doch eher "melancholisch milde Machos auf schwankendem Grund" sind, wie Burkhard bemerkt, von Maria Petersen "lebendig und jargongerecht" übersetzt wurde. Auch, dass Fachbegriffe aus dem Bereich der Seefahrt in Fußnoten auf der Seite, auf der sie auftauchen, gleich erklärt werden, findet Scherer wunderbar. Nur für die türkischen und spanischen Schimpfworte hätte er lieber statt des Hinweises "Schimpfwort" auch eine Übersetzung bekommen...
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.11.2001

Dem Rezensent Eberhard Falcke gefällt recht gut, was Nikos Kavvadias in diesem Roman an Geschichten über das Meer und die Seefahrt erzählt - obwohl das Buch seiner Ansicht nach definitiv "kein literarisches Wunderwerk" ist. Er nennt es eher ein "Logbuch der existenzialistischen Seefahrt" und findet, dass der Autor insgesamt den richtigen Ton trifft und sein alter ego in dem Roman auch mit genügend Ironie betrachtet. Deswegen rutschen die Erzählungen kaum ins Peinliche oder ins Sentimentale. Manchmal wird solche "Genrephilosophie" allerdings angedeutet und an einigen Stellen gibt es nach Falckes Geschmack ein bisschen zuviel "Vagabundenromantik" - alles in allem aber haben die Abenteuer der Protagonisten "kaum noch die Aura von Tragik und Heldentum".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.10.2001

In gewisser Hinsicht erinnert "Die Wache" an "Tausendundeine Nacht", so Aimee Torre Brons, auch wenn hier nicht ums Leben, sondern - schlimmer! meint Brons - um das eigene Seelenheil erzählt und gerungen wird. Nikos Kavvadias hat einen Seemannsroman geschrieben, 1959 bereits im Original erschienen und ziemlich authentisch, meint Brons, zumal Kavvadias selber lange zur See gefahren ist. Für die Männer an Bord des Schiffes sei "zur See fahren eine Droge" - und bedeute Flucht vor Frauen, Müttern, Bindungen, Enge, Ängsten, die sie an Bord wieder einholen. Wogegen es nur ein Mittel gebe, resümiert Brons: erzählen. Den Erzählfaden weiterreichen, das Seemannsgarn weiterspinnen. Ein Geschichtenreigen, der sowohl von den Seeleuten wie von den Prostituierten, ihrem weiblichen Pendant, ein ebenso zärtliches wie schonungsloses Bild zeichne. In Griechenland, so Brons, längst ein Klassiker.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2001

Da rollt die Welle der griechischen Literatur, der Erstveröffentlichungen und Neuübersetzungen heran. Kavvadias' einziger Roman "Die Wache" aus dem Jahr 1954 blieb bislang unübersetzt, teilt Manuel Gogos mit, der die Leser zunächst mit dem Leben des schriftstellernden Seefahrers vertraut macht. Gogos sieht den Roman der oralen Tradition verhaftet, wo sich Seemansgarn spinnen lässt und Anekdote an Anekdote reiht. Das ganze funktioniere nach dem Motto "Geschichten müssen nicht wahr sein, sondern gut erzählt". Dennoch meint der Rezensent in der zentralen Figur des Funkers einen stillen Wiedergänger des Autors zu entdecken, dessen innere Monologe, unterstützt von Alkohol, zu delirieren beginnen und eine Genetsche Welt der schönen wie schrecklichen Laster umkreisen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2001

Ein bisschen kitschig, aber durchaus schön findet Jochen Jung die Geschichten, die Nikos Kavvadis vom Meer und den Seefahrern zu erzählen hat. Zwar warnt er den Leserin, dass er besser Freude am Sentimentalen haben sollte. Doch wenn er die hat, wird er laut Jung viel Freude an dem Buch haben: "Es ist ein Roman, dem man sich gerne überlässt, seinem Ton und jener Atmosphäre ...". Die beiden Protagonisten des Romans sind zwar austauschbar, so der Rezensent, doch das macht nichts: es geht nicht um sie, sondern um die Geschichten, die sie sich gegenseitig vom Leben auf See erzählen. Der Autor Kavvidis ist tatsächlich sein Leben lang zur See gefahren und in Griechenland sind seine Gedichte und dieser, sein einziger Roman ungeheuer populär, erzählt Jung. Diese zusätzlichen Informationen sind in der deutschen Ausgabe im Nachwort der Übersetzerin nachzulesen, deren detailtreue Übersetzungsarbeit Jochen Jung im übrigen ausdrücklich lobt.