Nicolas Bouvier

Der Skorpionsfisch

Cover: Der Skorpionsfisch
Ammann Verlag, Zürich 2002
ISBN 9783250300113
Kartoniert, 158 Seiten, 12,50 EUR

Klappentext

Im Anschluss an die gemeinsame Reise mit Thierry Vernet von Genf nach Afghanistan - eindrücklich geschildert in dem Reisebericht "Die Erfahrung der Welt" - durchquert Nicolas Bouvier in seinem Fiat Topolino alleine den indischen Subkontinent, um sich im März 1955 vorübergehend auf Ceylon, dem "Smaragd am Halse" Indiens, niederzulassen. Nicht ganz freiwillig wird diese Reiseetappe zum Moment des Innehaltens. Einsam, geschwächt von Krankheiten und träge vom feuchtheißen Klima der Insel, sind seine Sinne für die Wahrnehmung der kleinen Dinge in unmittelbarer Umgebung geschärft. Zunehmend gerät die Reise zur geistigen Gratwanderung eines Mannes, der mit westlichem Blick hin- und hergeworfen zwischen Faszination und Schrecken - die magischen Phänomene der Schatten- und Insektenwelt Ceylons zu erfassen sucht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.04.2003

Die besten Reisebücher beziehen ihre Wirkung aus der Einmaligkeit des Unternehmens, zitiert Rezensent Georg Sütterlin den englischen Verleger Peter Hatt. Der Genfer Journalist und Autor Nicolas Bouvier habe zwar vier Reisebücher geschrieben, rechnet er, dennoch sei er kein abgestumpfter Reiseprofi gewesen. Bouvier hat seine Reise, die ihn Mitte der fünfziger Jahre durch Asien geführt hat, in eine Trilogie gefasst, die nun komplett neu aufgelegt wurde; "Der Skorpionsfisch" (1981) ist das Mittelstück daraus. Es markiert den absoluten Tiefpunkt jener Rundreise, behauptet Sütterlin. Sieben Monate hielt Bouvier seine private Krise in einer südceylonesischen Kleinstadt fest, seine Umgebung nahm er nur noch feindlich wahr. Als Sinnbild dafür agierten die Insektenscharen, die sich im "Skorpionsfisch", berichtet Sütterlin, mitreißende Schlachten lieferten. Auf den Rezensenten wirkt "Der Skorpionfisch" wie ein finsterer Fiebertraum, in dem die persönlichen Erlebnisse und Nöte vom Autor, schonungslos mit sich selbst und eindrucksvoll für die anderen, überhöht und verdichtet wurden.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 24.12.2002

In Frankreich hat man Nicolas Bouvier mit Bruce Chatwin verglichen, behauptet Karsten Kredel von dem Schweizer Autor, der in den fünfziger Jahren eine zweijährige Reise durch Osteuropa, die Türkei, Iran, Afghanistan bis nach Pakistan und Indien unternahm. Dort erst setzt "Der Skorpionsfisch" ein, berichtet Kredel, am geografischen Endpunkt dieser Reise, der Insel Ceylon, wie sie damals noch hieß, wohin sich Bouvier nach zwei Jahren "kontinentaler Kontinuität" begab. "Der Skorpionsfisch" gibt einen schlechten Reiseführer über Ceylon ab, warnt Kredel, da sein Verfasser dort eigentlich nichts unternommen habe, sondern in eine Ruhephase geraten sei, wo er sich selbst ausgeliefert war und über die elementaren Erfahrungen des Reisens sinnierte. Bouvier fand in Ceylon "sein Herz der Finsternis", schreibt der Rezensent, doch bleiben die Aufzeichnungen, kleine Miniaturen, eher beiläufig und distanziert. Bouviers Prosa ist so wunderbar knapp, schwärmt Kredel, dass er am liebsten die Sätze wie kleine Perlen aufgereiht sehen und vorführen würde.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002

Zu Recht wird der 1929 geborene und 1998 verstorbene Autor und Reisende Nicolas Bouvier "in einem Atemzug" mit Bruce Chatwin genannt, stimmt Hans-Jürgen Heinrichs den Vergleichen der Literaturkritiker zu. In "Der Skorpionsfisch" hat es Bouvier, informiert der Rezensent, auf die Insel Ceylon verschlagen, die er als "Abstecher" während einer Indien-Reise aufgesucht hatte. Für Bouvier war diese Insel ein "Aufenthaltsort der Magier, Zauberer, Dämonen und Insekten", zitiert Heinrichs den Autor. Vor allem die Insekten wisse Bouvier sehr eindrücklich zu beschreiben. In einem "an Kafka erinnernden Kleinod der Beschreibungskunst" schildere Bouvier zum Beispiel einen "gehörnten Käfer", der ihn an die Kochkesselgestalten von Hieronymus Bosch erinnerte. In einem "lapidaren Ton" konfrontiere Bouvier den Leser mit den "absonderlichsten Szenarien". Doch gelinge es ihm dabei immer, den Leser von ihrer Wirklichkeit zu überzeugen. Davon abgesehen, verspricht der Rezensent, enthält das Buch auch "bemerkenswerte poetologische" Passagen, die Bouviers Geschichten aus der "menschlichen und tierischen Geisterwelt" zu einem Teil unserer "Seelenlandschaft" machten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.10.2002

Nicolas Bouviers vor kurzem neu aufgelegtes Buch "Die Erfahrung der Welt", ein Reisebericht über Afghanistan, war ein großer Erfolg bei Publikum und Kritik, weiß Rezensent Karl-Markus Gauß. Ganz anders im Tonfall als dieses ironische, von großer Sympathie für Land und Leute geprägte Buch von 1953 ist Gauß zufolge Bouviers Reisebuch "Der Skorpionsfisch" über seinen Aufenthalt in Ceylon, dem heutige Sri Lanka. Obwohl Bouvier Ceylon im Unterschied zu Afghanistan und Pakistan hasste, blieb er mehrere Monate. So wurde die Insel für Bouvier zum "Experiment einer Selbsterfahrung", erklärt Gauß. Darin liegt für ihn sowohl die Stärke als auch die Schwäche des Buches. Weniger Land und Leute stehen im Mittelpunkt des Berichts, hält Gauß fest. Mehr interessiere sich Bouvier hier für die Veränderungen, die er an sich selbst wahrnehme, für die "beklemmende Erfahrung, langsam verschluckt zu werden, sich den in feuchter Hitze und träger Korruption vegetierenden Bewohners der Insel anzugleichen". Bevor Bouvier in die Schweiz zurückkehrte, bereiste er noch Japan. Auf die dort entstandene "Japanische Chronik", die demnächst erscheinen wird, freut sich Gauß schon jetzt.
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