Navid Kermani

Wer ist wir?

Deutschland und seine Muslime
Cover: Wer ist wir?
C.H. Beck Verlag, München 2009
ISBN 9783406577598
Gebunden, 173 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Ohne darüber nachgedacht zu haben, ist Deutschland zu einem Einwandererland geworden. Mit den Menschen kam auch eine neue Religion: der Islam. In seinem neuen Buch erzählt der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani auf sehr persönliche Weise von seinem Leben als Kind iranischer Eltern in Deutschland und berichtet von seinen Erfahrungen als Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz. Dabei erweist er sich einmal mehr als genauer Beobachter, scharfer Analytiker und mitreißender Erzähler. Nicht nur innerhalb der islamischen Welt findet ein Kulturkampf statt. Auch in Europa ist die Debatte darüber, was die eigene Kultur ausmacht, in vollem Gange. Am deutlichsten zeigen sich die Frontlinien am Umgang mit den Muslimen: Einem Europa, das sich durch seine christlichen Wurzeln definiert, also durch die Abgrenzung vom Islam, liegt ein anderes Konzept zugrunde als einem Deutschland, dem der Islam zumindest potentiell angehört. Wie immer die Antwort ausfällt, sie hat angesichts der demographischen Entwicklung und der weltpolitischen Lage gravierende Auswirkungen auf unsere Zukunft. In welchem Europa möchten wir leben?

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.07.2009

Für Sieglinde Geisel ein wichtiges Buch zur richtigen Zeit. Weil Geisel die Nervosität in den interreligiösen Dialogen zu spüren meint, erscheint ihr Navid Kermanis aus Zeitungsartikeln und Vorträgen kompiliertes Buch so wertvoll. Wenn der Autor mit den zwei Pässen seine Einsichten zum Thema Identität und zum "Wörtchen 'wir'" zum besten gibt, liest Geisel das mit Gewinn. Dass sie ein wenig sorgfältiges Lektorat und ein offenbar eiliger Autor mit dem Defragmentieren von Themen und Zusammentragen von Argumentationssträngen im Text alleine lassen, findet die Rezensentin vor diesem Hintergrund allerdings mehr als bedauerlich.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.07.2009

In weiten Passagen trifft Navid Kermani mit seinen Essays über den Stand der Integration in Deutschland und seinem Plädoyer gegen "vorschnelle Zuschreibungen" bei Rezensent Stefan Luft auf Zustimmung. Etwa wenn er betont, dass sich die iranische Elitenmigration mit der türkischen Arbeitermigration nicht über den Kamm einer islamischen Einwanderung scheren lässt. Und auch wenn Kermani zugibt, dass er - in bester deutscher Mittelschichtstradition - sein Kind nicht in die öffentliche Kita, sondern lieber in den katholischen Privatkindergarten gibt, dann stimmt Luft mit Kermani überein, dass Deutschland eine eine "gewaltige Integrationsleistung" erbracht habe. Womit der Rezensent nicht einverstanden ist, dass Kermani nur rot-grüner Politik ernsthaftes Interesse an der Einwanderungspolitik zubilligt. Das werde der "Komplexität" der Thematik nicht gerecht, meint Luft.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.04.2009

Rupert Neudeck scheint einverstanden zu sein mit Navid Kermanis Buch, aus dem er vor allem gelernt hat, dass man Fan des 1. FC Köln sein kann, egal ob man "mit Kölsch getauft wurde oder Mekka-Wasser". Leider fällt Neudeck kein explizites Urteil, sondern beschränkt sich darauf, Kermanis Gedanken wiederzugeben. Dass dieser sich nicht auf den Islam als alleiniges Identitätsmerkmal festschreiben lassen will, findet Neudeck offenbar ebenso verständlich wie Kermanis Ansicht, dass deutsche Politiker für den vier Jahre unschuldig in Guantanamo festgehaltenen Bremer Murat Kurnaz verantwortlich waren, auch wenn er einen türkischen Pass hat.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2009

Karen Krüger ist völlig einverstanden mit Navid Kermanis Abrechnung mit eindimensionalen Vorstellungsbildern zum Islam. Das Grundproblem im Umgang mit dem Islam, erfahren wir, sieht der Autor in der "zunehmenden Zuspitzung von Identitäten", also der Reduktion von Identität auf ein einzelnes Kriterium wie die Religionszugehörigkeit. Doch "die" Muslime und "den" Koran gibt es nicht, stellt der Islamwissenschaftler Kermani klar. Die Entstehung von Parallelgesellschaften hingegen hat vor allem soziale Gründe, meint der Autor, und da gibt ihm die Rezensentin völlig recht. Demgegenüber sei es gerade die Abstempelung der Muslime zu einem gewalttätigen Kollektiv, die ein Gefühl von Unzugehörigkeit hervorrufe und damit die befürchtete Abschottung erst erzeuge. Pessimistisch steht Kermani dem Thema Integration trotzdem nicht gegenüber, teilt Krüger mit, die sein Buch als "brillant" erzählt und "scharf" analysiert lobt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.03.2009

Zustimmend hat Ruth Fühner dieses Buch über "Deutschland und seine Muslime? von Navid Kermani gelesen. Sie schätzt den im Iran geborenen, in Köln lebenden Islamwissenschaftler, Mitglied der von Bundesinnenminister Schäuble einberufenen Islam-Konferenz, als "scharfsinnigen und gelassenen Beobachter des muslimisch-deutschen Alltags?. Das Buch wird ihres Erachtens sowohl Multikulti-Romantiker als auch deren Verächter irritieren. Sie findet darin jede Menge kluge Beobachtungen über die Entwicklung der bundesdeutschen Einwanderungsgesellschaft. Kermanis Deutschland-Bild falle dabei "entschieden antialarmistisch? aus. Nur anschließen kann sich Fühner dem Plädoyer des Autors für eine europäische Leitkultur, die den in Europa lebenden Türken, Arabern oder Iranern erlauben würde, Europäer zu werden.