Michel de Certeau

Mystische Fabel

16. bis 17. Jahrhundert
Cover: Mystische Fabel
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
ISBN 9783518585436
Gebunden, 542 Seiten, 32,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Michael Lauble. In seiner historischen Studie befreit Michel de Certeau die Mystiker der frühen Neuzeit von der Aura einer religiösen Nischenexistenz und rückt sie in die Mitte der geistig-politischen Auseinandersetzungen um die Moderne. Sie sind sensibel für die Krise der religiösen Institutionen, bemerken als erste, was sich verändert, wenn überkommene Sinnkontexte zerbrechen und die soziokulturellen Transmissionsriemen des Religiösen nicht mehr funktionieren. Mystik begründet nicht eine Geheimsprache, sondern kämpft mit den Mitteln der untergehenden Welt um deren mögliche Zukunft. Die Tradition wird zum Ruinenfeld, das es neu zu bewohnen gilt im Interesse einer wiederzugewinnenden Plausibilität. Als Figuren des Übergangs markieren Mystiker die Genealogie eines epistemologischen Bruchs: Religion und Moderne unterhalten eine schwierige, aber enge Beziehung, sie liegen nicht so weit auseinander wie oft vermutet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.10.2011

Dass es bei Michel de Certeau nicht wie bei den positivistischen Anthropologietechnikern und Blasenspezialisten, wie zum Beispiel Peter Sloterdijk, darum geht, einen bestimmten Begriff zu formulieren, damit kann Jörg Dünne gut leben. Certeaus Konzept der Heterologie, das sich um verlorene Präsenzen schert und für den Rezensenten eine gewisse Melancholie verströmt, scheint ihm ohnehin lieber zu sein. Zumal der Verlag mit der späten deutschen Publikation von Certeaus Hauptwerk über Sprach- und Körperpraktiken in der Mystik der Frühen Neuzeit in genauer Übersetzung dankenswerterweise, wie er meint, endlich auch den Textwissenschaftler neben dem Sozialwissenschaftler Certeau bekannt macht. So vermag Dünne Certeaus voraussetzungsreiche, provozierende These zu lesen, derzufolge sich die Mystik, von der Kirche marginalisiert, in säkulare Bereiche absetzte, in die Erotik, die Reiseliteratur und, dies das Unerhörte, in die Psychoanalyse!
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.12.2010

Rezensent Helmut Zander kommt zu einem gemischten Fazit über dieses sich mit der religiösen Mystik nach dem Mittelalter befassenden Buch von Michel de Certeau. Zwar ist die Studie seiner Meinung nach zweifelsohne "bedeutend", doch die Lektüre bisweilen ziemlich mühsam. Eine "leicht verständliche Einführung in die Mystik" liefern weder seine "langatmigen Materialschlachten des Poststrukturalismus" noch die Kurzbiografien des Mystiker, die ohne Vorkenntnisse kaum zu verstehen seien. Das gelungenste Kapitel ist nach Zanders Meinung die Einleitung, weil dort auf die "veränderten Problemkoordinaten" des Themas ausführlich eingegangen wird: Schließlich "defilieren" in Folge "fast alle großen Themen der Moderne vorbei".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.08.2010

Michel de Certeau lesen? Gern, aber nur mit poststrukturalistischer Rüstung, meint Barbara Stollberg-Rillinger. Ob der Autor selber dem mystischen Schreiben fröhnt, wer weiß. Der Rezensentin erscheint es manchmal so, auch weil ihr Certeaus metaphernselige Sprache in der Übersetzung eher dunkel und hölzern im Ohr klingt. Obgleich die Rezensentin das Buch als Einführung in die Mystik also nicht empfehlen kann, als Einstieg in Certeau eignet es sich. Laut Stollberg-Rillinger begegnet der Autor einem nicht als Historiker, sondern als Hermeneutiker, wenn er die großen Mystiker des 16. und 17. Jahrhunderts behandelt, denen der Glauben abhanden kam und die sich eine eigene Wahrheit schufen im Sprechen einer Sprache, die nur auf sich selbst verweist.
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