Markus Orths

Catalina

Roman
Cover: Catalina
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783895610974
Gebunden, 309 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Was, wenn ein Mädchen sich entscheidet, als Mann zu leben? Ihre Haare abschneidet, Männerkleidung trägt und ihr Verhalten der neuen Rolle anpasst? Was, wenn sie die fremde Identität mit der Zeit immer mehr verinnerlicht? "Ganz von vorn beginnen, ein neuer Mensch, selber zusammengenäht, selber gestrickt in der Finsternis." "Catalina": Das ist die Geschichte von Catalina de Erauso, die im 17. Jahrhundert lebte, eine schmale Autobiografie hinterließ und ein unglaubliches Leben führte. Markus Orths erfindet dieses Leben noch einmal neu: packend, rasant, kenntnisreich und voll unglaublicher Ereignisse und Wendungen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.09.2005

Burkhard Müller kann historische Romane grundsätzlich nicht leiden und so stellt für ihn auch dieses Buch keine Ausnahme dar, nicht zuletzt, weil es alle gängigen Mängel des Genres aufweist. Markus Orths erzählt von Catalina de Erauso, die sich im 16. Jahrhundert auf der Suche nach ihrem Bruder als Mann verkleidete und so allein durch die Welt reiste, berichtet Müller, der es nicht nur problematisch findet, dass dieser Stoff bereits in mehreren Bearbeitungen vorliegt, sondern zudem ein Bericht der Catalina selbst existiert. Diesem Bericht, der im Roman zitiert wird, meint der Autor durch "angewandte Psychologie" im Ton von Ratgebern mehr Farbe geben zu müssen, was nach Ansicht des Rezensenten gründlich schief geht. "Einfühlung", so Müller streng, ist der falsche Weg, um der Protagonistin gerecht zu werden, und er betont, dass er den Film ohnehin für ein sehr viel geeigneteres Medium für dieses Sujet hält. Zudem moniert Müller einen zur Schau gestellten Recherchefleiß, Dialoge von "peinlichster Unwahrscheinlichkeit" und "anbiederndem Schmiss", und so lässt er keinen Zweifel daran, dass er diesem historischen Roman, der das Spanien des 16. Jahrhunderts evozieren will, aber dennoch nur einen "Zweitaufguss des 19. Jahrhunderts" darstellt, rein gar nichts abgewinnen kann.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.08.2005

Einen Fan des historischen Romans kann man Rezensent Anton Thuswaldner nicht gerade nennen. Eingehend problematisiert er in seiner Besprechung von Markus Orths Roman "Catalina" zunächst dieses Genre. Was seines Erachtens für den historischen Roman generell zutrifft, gilt auch für Orths' im 17. Jahrhundert spielenden Roman "Catalina": er erzählt mehr von seinem Autor und seiner Zeit, als von der Vergangenheit. Orths' Protagonistin Catalina, die sich aus Karrieregründen als Mann verkleidet, erscheint Thuswaldner ziemlich egoistisch und gewaltbereit und also ideal in unsere Zeit passend. Ihr gelinge die Verwandlung zum Mann so perfekt, "dass sie härter, brutaler, kämpferischer auftritt als die Männer, und im Krieg gegen die Indianer zeichnet sie sich besonders aus". Vor allem die fehlende Distanz des Autors zu seiner Heldin geht dem Rezensenten auf der Nerven. Orths stehe ganz auf ihrer Seite, was immer sie auch an Furchtbarem oder weniger Furchtbaren unternehme. Damit Catalina dem Leser nicht als primitive Schlächterin erscheine, nehme Orths gar Zuflucht bei "halbherzig defensiven Sätzen" und "verlegenen Hilfskonstruktionen". Trotz aller Kritik nennt Thuswaldner den Roman am Ende einen "gediegenen Schmöker", der für ein paar Stunden Unterhaltung allemal etwas hergebe.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.05.2005

Was für ein Stoff für einen historischen Roman, stöhnt Tobias Rüther: eine transsexuelle Nonne im Baskenland des 17. Jahrhunderts! Das hätte vielleicht 1995 die Herzen der Kulturwissenschaftler, Historiker, Gender Studierenden höher schlagen lassen, mosert er, als man noch an Ego-Quellen und Körperpolitiken interessiert gewesen sei. Aber jetzt? Jetzt muss man wie der Karlsruher Autor Markus Orths das historisch verbürgte Geschehen möglichst konventionell wiedergeben, ohne Stimmenzersplitterung, gebrochene Perspektiven, verborgene Zeichen. Das ist Orths auf sattsame Weise gelungen, stellt Rüther klar: sein Roman sei ein richtiger Historienschinken, der sich "saftig, deftig, schillernd, schaurig" lese. Der also mit Wonne in Stichwunden wühlt, Eiterbeulen platzen sieht, Kurpfuscher bei der Arbeit beobachtet und die Pest sich ausbreiten lässt. Das alles ist mit soviel "Fingerfertigkeit" erzählt, dass sie Rüther etwas ratlos lässt, denn die ganze Kunstfertigkeit führe irgendwann zu Langeweile - trotz des gebildet-exotischen Sujets, stellt er fest. In den gelungensten Passagen, tritt der Rezensent dann wieder zur Ehrenrettung des Buches an, sei es aber eine "Hymne auf das Erzählen" selbst, und auch wenn man das als Rezensent nicht mehr schreiben dürfe, stimme es in diesem Fall einfach.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 02.04.2005

Hätte es die historische Catalina nicht gegeben, so Rezensent Stefan Kister, hätte Markus Orths sie erfinden müssen, so sehr passt die zum Conquistador gewordene Nonne in den Problemkreis von "Anpassungsdruck und Widerstand, Identität und Geschlecht, Aufstand der Körper gegen die Vollmacht der Zeichen", den Orths in seinen Romanen erörtere. Besonders hat den Rezensenten interessiert, wie Catalina sich "von einer Rebellin gegen ihr eigenes Geschlecht zum Konformisten in dem angenommenen anderen" wandelt. Im Gegensatz zu seinen bisherigen Texten, in denen Orths das theoretische Problem und die Erzählung klar voneinander absetze, passiere ihm hier dasselbe wie seiner Protagonistin: "Die Hülle verselbständigt sich", die Geschichte werde wichtiger als das dargestellte Problem. Orths erliege hier schlicht der Lust am Erzählen - zur großen Freude des Lesers - und lote jedes nur erdenkliche Erzählpotential aus, bis hin zur Perspektive eines Bakteriums. Amüsiert schließt der Rezensent, dass "die größte Lüge des Romans" in der vermeintlichen Realitäts- und Historiennähe des bibliografischen Apparats besteht. Und so lautet das lobende Fazit: "Hier ist ein Talent zum Manne gereift - was auch immer das nach diesem Buch nun eigentlich heißen mag."

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2005

Aufgrund von wirklich Geschehenem eine Geschichte zu erzählen, ist grundsätzlich nicht einfach, doziert Silke Ukena. Die Nähe zu den Fakten muss einigermaßen eingehalten werden, unter zu großer Nähe aber kann die Farbigkeit der Geschichte leiden. Markus Orths "hält die Balance mit bewundernswerter Leichtigkeit". Sein Erzähler tritt als "nüchterner, aufgeklärter Chronist" auf, der hier und da einige Spitzen abfeuert, vor allem gegen die spanische katholische Kirche. Mit dem durch diese kritische Haltung gewonnenen Kredit wiederum erlaubt sich Markus Orths in der Erzählung vom Leben des Catalina de Erauso, der als Mädchen im 17. Jahrhundert das Leben eines Mannes geführt hat, einige Freiheiten. Und Orths kann "glänzend" erzählen, schwärmt die Rezensentin, die allerdings auch davor warnt, die Taten Catalinas ausschließlich als Weg zu sich selbst zu deuten. Am besten, man schert sich wenig darum und erfreut sich einfach an der "furiosen Geschichte", rät Ukena.