Marie NDiaye

Mein Herz in der Enge

Roman
Cover: Mein Herz in der Enge
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008
ISBN 9783518420164
Gebunden, 285 Seiten, 22,80 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Was haben die Leute in Bordeaux gegen Nadia und ihren Mann Ange, beide überaus engagierte Lehrer an einer Grundschule? Plötzlich haben die Kinder Angst vor ihnen, sie werden gemieden, ja sogar angegriffen. Eines Tages kommt Ange mit einer rätselhaften Bauchwunde nach Hause. Einer ihrer Nachbarn, ein obskurer Schriftsteller, nistet sich bei ihnen ein und verhindert, dass ein Arzt gerufen wird. Bald entzündet sich Anges Wunde und erfüllt das eheliche Schlafzimmer mit ihrem Fäulnisgeruch. Doch das ist erst der Anfang. Während die Stadt Bordeaux sich in gespenstische Nebel hüllt, nehmen Nadias Vergangenheit, lange verdrängte Obsessionen und Schuldgefühle beunruhigende Gestalt an. Die Menschen und bislang vertrauten Orte sind bedrohlich, fremd geworden. Und auch in Nadias Körper gehen eigentümliche Veränderungen vor. Im Versuch, alldem zu entfliehen, folgt sie ihrem Sohn auf eine Insel im Mittelmeer. Doch dort erwarten sie neue Abgründe.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.04.2009

Sehr beeindruckt ist Georg Renöckl vom Roman über das Lehrerehepaar Nadia und Ange, das plötzlich und ohne erkennbaren Grund erst von ihrer Umwelt geschnitten und verachtet und schließlich sogar angegriffen wird. Als einfach meisterhaft preist der Rezensent, wie die senegalesisch-französische Autorin Marie NDiaye den Horror, den die beiden Lehrer erleben, subtil zu steigern vermag. Dabei enthülle sie nach und nach die dunklen Seiten dieses anfänglich so unschuldig wirkenden Paares, bis sich die Leser zu ihrem Unbehagen immer mehr mit der feindlichen Umwelt identifizierten, so Renöckl beklommen. Geradezu physisch meint der Rezensent die beängstigende Steigerung der Paranoia Nadias oder das Gerede der Leute zu spüren, derart eindrücklich sind die Schilderungen einer rätselhaften "Bestrafung", für die zwar zahlreiche "Gründe", aber keine einfache "Erklärung" angeboten wird. Deshalb liegt Renöckl auch nichts ferner, als sich über das "erstaunlich milde Ende" dieses "Horrortrips" zu beschweren, denn dieser "unheimlich gute" Roman hat ihn sichtlich mitgenommen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.02.2009

Niklas Bender ist begeistert. Marie NDiaye gehört für ihn nicht nur zu den wichtigsten Stimmen der französischen Gegenwartsliteratur. Die Autorin erscheint ihm auch als legitime Erbin eines Herrn namens Kafka und seiner beklemmend wirkenden Texte um undurchsichtige Schuldverhältnisse. Wenn die Autorin ihren beiden Protagonisten mittels einer Mutation der Umwelt im schönen Bordeaux den Boden unter den Füßen wegzieht, kann Bender diesen Vorgang einer poetischen Zuspitzung bis in sprachliche Einzelheiten nachvollziehen. Kopfüber stürzt der Rezensent in die Finsternis einer unverständlich gewordenen Welt und kann dem Roman dennoch eine "universelle Dimension" abgewinnen. Da geht es dann um gesellschaftliche Integration und sozialen Aufstieg, ganz aktuell.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.02.2009

Rezensentin Katrin Hillgruber ist begeistert von der Prosa der Autorin Marie NDiaye, die ihrer Meinung nach eine der "eigenwilligsten Autorinnen" Frankreichs ist. Wohl deswegen widmet Hillgruber sich ausführlich dem, was das Werk der Autorin ganz allgemein ausmacht und beschäftigt sich eher beiläufig mit dem aktuellen Buch. Dessen zentrales Motiv, nämlich eine plötzliche Fremdheit im eigenen Leben und die dazugehörige "Paranoia", gehört allerdings zur Essenz von NDiayes schriftstellerischem Schaffen. Und die setzt sie auch diesmal wieder überzeugend um. Die Auflösung der Geschichte "erschreckt nicht weniger als diese selbst", findet die Rezensentin.
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