Leila Slimani

Schaut, wie wir tanzen

Roman
Cover: Schaut, wie wir tanzen
Luchterhand Literaturverlag, München 2022
ISBN 9783630876474
Gebunden, 384 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Wie viel Aufbruch ist möglich? Wie frei darf sie sein? Im Sommer 1968 kehrt Aïcha Belhaj nach vier Jahren Medizinstudium in Straßburg nach Marokko zurück. In Frankreich gehen die Studenten auf die Straße, von den Barrikaden tönt der Ruf nach gesellschaftlicher Veränderung. Doch in ihrer Heimat trifft die angehende Ärztin auf eine erstarrte Welt. Die Farm von Aïchas Vater floriert zwar, die Familie allerdings ist zerrissen. Ihr Bruder Selim verschwindet in einer Hippiekommune an der Küste und versinkt im psychodelischen Drogenrausch. Wie soll Aïcha sich behaupten in einem Land, in dem bisher nur Männer Ärzte sind und das von einem autoritären König regiert wird? Am Abend der Mondlandung begegnet sie in einer Strandbar bei Casablanca einem Wirtschaftsstudenten, den alle nur "Karl Marx" nennen. Er ist Teil einer intellektuellen Jugend, die das Land erneuern möchte. Kann Aïcha mit ihm ihren Traum von einem unabhängigen Leben verwirklichen?

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 01.11.2022

Rezensentin Ursula März spürt den Bezug zur Gegenwart in Leila Slimanis zweitem Band ihrer Familiensaga. Die Erlebnisse einer Elsässerin im Marokko des Jahres 1968 geben laut März den Blick frei auf die kulturellen Verwerfungen der Epoche zwischen Moderne und Tradition. Mit der Tochter der im ersten Band eingeführten Figur rückt das bürgerliche Aufsteigerglück der Eltern in den Hintergrund und Ideen der Revolution werden thematisiert, erläutert März. Elemente des Familienromans wie ein großes Figurenensemble und eine Fülle von Episoden und Milieus handhabt die Autorin laut März souverän und legt für die Leserin einen gut sichtbaren roten Faden durch die Geschichte: die weibliche Genealogie in postkolonialen Verhältnissen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2022

Die Themen in diesem Roman Leila Slimanis sind Rezensent Stefan Michalzik nicht unbekannt aus dem Werk der Autorin. Wieder geht es vor allem um die Frauen, die sich nicht direkt dem Patriarchat entgegenstellen, eher es zu umgehen versuchen, so wie hier die Hauptfigur Aicha. Die Geschichte spielt in den Sechzigern, zehn Jahre nach der Unabhängigkeit Marokkos 1956. Die Moderne hat Einzug gehalten, aber das Patriarchat regiert noch, so Michalzik, den besonders eine Szene fasziniert hat, in der eine anstehende Vorlesung Roland Barthes in Rabat diskutiert wird. Soll man sich das anhören oder lieber die eigenen Philosophen lesen? Das ist die Frage und Michalzik nimmt interessiert zur Kenntnis, dass es die Konservativen sind, die einer Arabisierung das Wort reden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2022

In "Schaut, wie wir tanzen", dem zweiten Teil von Leïla Slimanis an die eigene marokkanischen Familiengeschichte angelehnte Trilogie "Das Land der Anderen", verfolgen wir das Schicksal der französisch-marrokanischen Familie Belhaj im Marokko der späten 60er Jahre. Slimani erzählt von einem zwischen Moderne und traditionellem Autoritarismus zerrissenen Land in "atmosphärisch dichten Sätzen", immer dicht dran an den ganz konkreten Folgen von Unterdrückung und der Suche nach der eigenen, postkolonialen Identität, lobt Rezensentin Sandra Kegel. Manchmal verliert die Kritikerin den Überblick über die vielen Figuren, aber allein wie Slimani die marokkanischen Frauen beschreibt, die ihr viel mutiger in ihren Lebensentscheidungen erscheinen als die Männer (vermutlich, weil sie weniger zu verlieren haben), macht das Buch für sie lesenswert.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 15.10.2022

Äpfel, weiß Rezensent Tilman Krause nach der Lektüre von Leila Slimanis zweitem Roman, Äpfel fallen überall gleich: "nicht weit vom Stamm". Die Familiengeschichte, die Slimani in "Schaut, wie wir tanzen" erzählt, wirkt in vielerlei Hinsicht, wie eine moderne Version des französischen Romans der Dreißiger, meint Krause. Es gibt den innerhalb der Grenzen einer Ehe ausgeführten Kampf der Geschlechter, es gibt das Kind, das sich vom patriarchalisch die Familie regierenden Vater emanzipiert und es gibt das obligatorische "schwarze Schaf". Das mag, gibt Krause zu, in dieser Zusammenfassung etwas schablonenhaft wirken. Doch die Autorin füllt die Schablone mit so viel Feingefühl und einem so anregenden Humor, dass die bekannten Formen in neuem Licht erscheinen. Zudem ist die historische Situation, in der sich die familiären Auseinandersetzungen und Krisen abspielen eine andere als die im Europa der Dreißiger: Die marokkanische Gesellschaft in den 1970er Jahren, die Verdrängungen der kolonialen Vergangenheit des Landes - das ist der gesellschaftliche Hintergrund, den Slimani gewissenhaft ausgestaltet. Ja, "sie kann es", resümiert der Rezensent.