Leanne Shapton

Gästebuch

Gespenstergeschichten
Cover: Gästebuch
Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
ISBN 9783518429563
Gebunden, 320 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz. In Gästebuch erkundet Leanne Shapton die gleichermaßen flirrenden wie verstörenden Ereignisse, die Menschen im Leben heimsuchen können, von denen sie sich aber kaum zu erzählen trauen. Ein Tennis-Wunderkind kollabiert nach jedem gewonnen Match und schreibt den Sieg einer unsichtbaren, nicht ganz wohlwollenden Existenz zu. Eine Frau kehrt mit einem seltsamen Gefühl von einer Besichtigung der ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz zurück. Der Geist eines Gefangenen habe sich an sie geheftet, behauptet eine Freundin. Er habe ihr Mitleid für seinesgleichen gespürt. Ein Mann in einem blauen Anzug taucht auf zahllosen Society-Events überall in der Stadt auf - am selben Tag, zur selben Zeit. Leanne Shapton komponiert zahlreiche solcher Geschichten und Erinnerungen mit anderem Material - zufällig vorgefundenen Fotografien, eigenen Zeichnungen, Instagram-artigen Porträts - zu einem vielschichtigen Kuriositätenkabinett und verwandelt damit die klassische Geistergeschichte in etwas völlig Neues.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.02.2021

Rezensentin Angela Schader ist entzückt von Leanne Shaptons Buch, in dem Texte und alte Archivbilder in spannende Assoziations- oder Dissoziationsverhältnisse treten, so Schader. So fülle Shapton mal die Leerstellen von Archivfotos mit unheimlichen Geschichten aus, lasse aber auch manchmal Fotostrecken für sich sprechen oder führe eigens zu Bildern verfasste Kommentare ohne das entsprechende Bild vor, staunt Schader. Den daraus resultierenden Effekt einer Grenzverwischung zwischen Dokumentation und Imagination findet die Rezensentin beeindruckend und Shaptons Buch "hochpräzise" gearbeitet und kreativ.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.12.2020

Rezensentin Judith von Sternburg träumt von Leanne Shaptons Gespenstergeschichten und sieht Gespenster. Derart gut gemacht sind die Fotos, Bildbeschreibungen und Schilderungen des Übersinnlichen und Unerklärlichen, die Shapton in ihrem Buch versammelt. Ein ums andere Mal geht Sternburg der Autorin auf den Leim, glaubt an Geister, Mummenschanz und Schauriges aller Art, ohne dass ihr Shapton auf die Nerven geht mit ihrem planmäßigen Aufreißen von Leerstellen, die die Leserinnenfantasie dann aufzufüllen hat. Fake News mal nur so zum Spaß, freut sich Sternburg.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 27.11.2020

Rezensentin Manuela Reichart gruselt sich gern mit den Geschichten und Illustrationen der amerikanischen Autorin Leanne Shapton. Ganz gleich, ob ihr Shapton von menschenfressenden Haien, Gespensterhäusern oder von bösen Geistern besessenen Tennisspielern erzählt - stets gelingt der Autorin die Balance zwischen Unterhaltung und Verstörung, staunt die Kritikerin. Vor allem aber bewundert sie die Arrangements alter Fotografien und die Zeichnungen und Aquarelle Shaptons, die die Geschichten vollenden.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.11.2020

Eine sehr besondere Art, Geister oder Gespenster zu beschwören, findet Rezensentin Jackie Thomae in Leanna Shaptons "Gästebuch" vor. Etwa so: Fotos von Flohmärkten bekommen einen Titel verpasst, der die dort Dargestellten zu Geistern macht - und damit vermutlich längst Verstorbene zu Präsenzen im Heute. Sehr raffiniert findet die Kritikerin das und erinnert sich gleich an eine ihrer CDs, die verschwunden blieb, aber einmal real war - auf ewig im Gedächtnis präsent. Genau so werde es gewiss vielen LeserInnen gehen, die zu diesem Buch greifen - das eben nicht nur wunderschöne Bilder, sondern auch großartige Kurztexte enthält. Thomae. Beides zusammen stellt in kürzester Kürze Literatur her, zu deren Schaffung wir alle am Ende selbst herausgefordert sind, findet die faszinierte Kritikerin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.11.2020

Rezensentin Meike Feßmann ist fasziniert von Leanne Shaptons "dreidimensional" angelegtem Gespensterbuch. In Texten, Zeichnungen und Fotografien, die oft gar nicht zum Erzählten passen, Rätsel aufgeben oder zum Googeln einladen, so Feßmann, erzählt Shapton Geistergeschichten um familiäre Konstellationen herum und spiele dabei unterhaltsam auf der Klaviatur von (Un-)Heimlichkeiten und Kindheitsvorstellungen, lobt die Rezensentin. Dabei komme besonders Gegenständen große Bedeutung zu, die zwar fantastisch aufgeladen, aber trotzdem zeitgemäß seien, staunt Feßmann. Auch Shaptons Spiel mit der Authentizität, das den Leser hier und da hinters Licht führe (beispielsweise greife die Autorin mit nachgestellten Prominenten-Fotos Posen aus den sozialen Netzwerken auf), gefällt der Rezensentin gut. Ein "wunderbar seltsames" und ansprechend gestaltetes Buch, das von der Rezensentin gerade für die "gespenstische" Gegenwart als intellektuell anspruchsvoller Trostspender empfohlen wird.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 24.10.2020

Marcus Woeller taucht ein in die Gespensterwelt der Leanne Shapton. Wie die Illustratorin in ihrem Buch auf schwarzromantische Weise Geschichten anerzählt, im Leser und Betrachter Motive weckt (etwa aus Viscontis "Tod in Venedig"), um diese "Geisterbilder" sodann wieder zum Beispiel mit "heftigen Textfragmenten wie aus einer Pulp Story" zu durchkreuzen, wie sie sprunghaft "wie der Image-Feed auf Insta" erzählt, Spuren aufliest und legt, Anekdoten, fiktive Biografien und Fotoromane zusammenstellt, das findet Woeller höchst staunens- wie lesenswert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.10.2020

Leanne Shapton beherrscht die narrativen Strategien des Horrors perfekt, meint Rezensent Frank Schäfer, und dass sie diese mitunter überdehne, gehöre zu ihrem erzählerischen Kalkül. Das "Gästebuch" stellt Schäfer uns als eine lose Sammlung von Geschichten über "ungebetene Gäste" vor - Gespenster, Geister und derlei unheimliche Gestalten. Entscheidend für die Entfaltung des Horrors in diesen Erzählungen ist laut Schäfer zum einen das Spiel mit der Fiktion: Während Shaptons Texte eher knapp, schlicht und sachlich bleiben, gestaltet sich das Bildmaterial umso reicher, mit dem die Autorin, einer alten Genrekonvention folgend, den Wahrheitsgehalt der beschriebenen Begebenheiten beweisen will. Zum anderen sind es geschickt platzierte Auslassungen, mit denen Shapton den Horrorfantasien ihrer Leser Raum gibt. Dieses Prinzip der Auslassung testet sie teilweise bis zu dem Punkt seines Versagens, und darüber hinaus. Leanne Shaptons "Gästebuch" ist eine "avancierte Meditation" über das Genre der Geistergeschichten, so der überzeugte Rezensent.