Kevin Heiniger

Krisen, Kritik und Sexualnot

Die "Nacherziehung" männlicher Jugendlicher in der Anstalt Aarburg (1893-1981)
Cover: Krisen, Kritik und Sexualnot
Chronos Verlag, Zürich 2016
ISBN 9783034013505
Gebunden, 496 Seiten, 62,00 EUR

Klappentext

Die Zwangserziehungsanstalt Aarburg, 1893 gegründet, verfolgte den vordergründigen Zweck, jugendliche Straftäter getrennt von Erwachsenen zu verwahren. Der Anteil administrativer Versorgungen betrug allerdings von Beginn an rund die Hälfte aller Einweisungen. Kompetenzkonflikte kurz nach Anstaltseröffnung, Misshandlungsvorwürfe und die Suizide zweier Jugendlicher in den Jahren um den Ersten Weltkrieg, die medienwirksame Anstaltskritik von 1936 und schließlich die Heimkampagne um 1970 sind die Sondierungspunkte dieses Buches. Es versucht die Handlungsweisen der Akteure innerhalb des institutionellen und politischen Umfelds zu begreifen und reicht damit über den Rahmen einer einfachen Institutionsgeschichte hinaus. Die quellennahen Fallanalysen zeichnen ein Bild des Anstaltsalltags unterschiedlicher Jahrzehnte und die Unwägbarkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen im permanenten Ausnahmezustand einer "totalen Institution".
Der Autor richtet sein Augenmerk ausserdem auf die sexuelle Unterdrückung und deren Folgen für die Jugendlichen, die in offiziellen Darstellungen unberücksichtigt und unerwähnt blieb. Umso deutlicher erscheint sie in den hier erstmals ausgewerteten Archivquellen. Das Buch gewährt Einblicke in den Alltag von Anstaltszöglingen im Verlauf des 20. Jahrhunderts und zeigt die Entwicklung der Erziehungsmaßnahmen an männlichen Jugendlichen auf.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.04.2017

In seiner Dissertation widmet sich der Historiker Kevin Heiniger der Geschichte einer Institution, die 1893 als Zwangserziehungsanstalt eröffnet wurde und sich in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts zum "modernsten Maßnahmezentrum" für männliche Jugendliche entwickelte, erfahren wir von Rezensent Urs Haffner. Über Heinigers klaren Ton, der so gar nichts mit dem in diesem Genre üblichen Betroffenheitssäuseln zu tun hat, freut sich Hafner, ansonsten bleibt ihm jedoch nicht viel zu loben. Der gesamte theoretisch-methodische Aufbau, bringt wenig Erhellendes, da hilft auch kein Foucault, kein Habermas und keine Eugenik und auch die fast voyeuristisch anmutenden Ausführungen zum Sexualleben der Internierten sind viel mehr befremdlich als aufschlussreich, so der wenn nicht gelangweilte, so doch mindestens gleichgültige Rezensent.