Keiichiro Hirano

Das Leben eines Anderen

Roman
Cover: Das Leben eines Anderen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518430552
Gebunden, 360 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Japanischen von Nora Bierich. Akira Kido lebt in Yokohama, ist Ende dreißig, Vater eines vierjährigen Sohnes, Ehemann und Scheidungsanwalt. Er hadert mit seinem Leben, seiner Ehe, alles erscheint ihm festgefahren und auf unbestimmte Weise falsch. Da wird er von einer ehemaligen Klientin aufgesucht und um Ermittlungen zu ihrem kürzlich verstorbenen Ehemann Daisuke gebeten. Ein Jahr nach dessen Tod stellte sie fest, dass Daisukes Identität auf einer Lüge basierte: sein Name, seine Vergangenheit, seine Personalakte - alles gefälscht, Daisuke war nicht derjenige, der er vorgab zu sein. Kido beginnt mit den Recherchen und deckt ein komplexes System von Identitätstausch auf. Bis er schließlich selbst von der Idee verführt wird, sich das Leben eines anderen Mannes anzueignen, um dem eigenen Schicksal zu entgehen.Was geschieht, wenn wir mit einer anderen Person die Identität tauschen? Wie liebt man, wie lebt man in der Lüge?

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 27.07.2022

Rezensentin Katharina Borchardt bekommt einen vielschichtigen, klugen, wenngleich nicht plotgetriebenen Beinahe-Krimiroman mit dem Buch des Japaners Keiichiro Hirano. Die komplexe Geschichte eines Identitätstausches erzählt der Autor laut Borchardt mit viel Einfühlungsvermögen und Sinn für das heiße Thema Identität. Auch wenn die Konstruktion des Textes mitunter vor Langatmigkeit und Komplexität zu ächzen beginnt, bleibt das Buch für die Rezensentin ein verlockendes Lektüreangebot.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.07.2022

Rezensent Franz Haas findet Gefallen an Keiichiro Hiranos Roman in der "erfreulichen stillen" deutschen Übersetzung von Nora Bierich. Der 1975 geborene japanische Autor lässt darin einen nach Figuren für seine Romane suchenden Erzähler auf den Rechtsanwalt Kido treffen, dessen seltsame Geschichte er so nachzeichnet: Der Anwalt sei im Jahr 2011 zu einer ehemaligen Klientin namens Rie gereist, um ihr nach dem Tod ihres Ehemanns und der daraus folgenden Entdeckung seines Identitätsdiebstahls dabei zu helfen, mehr über die wahre Identität ihres verstorbenen Mannes herauszufinden, erklärt Haas. Der Rezensent bekommt hier zusätzlich ein eindrucksvolles Bild der japanischen Gesellschaft und ihrem nach Katastrophen wie Tsunamis und Nuklearunfällen, Themen wie Tod, Krankheit, Schande und Scham werden ihm zufolge sprachlich wunderbar und philosophisch behandelt. Hiranos Talent für "soziale und seelische Schattierungen" verhindern, dass der Roman kitschig wirkt und machen Hoffnung auf weitere Übersetzungen, schließt Haas.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 21.07.2022

Rezensent Ronald Düker erinnert Keiichirō Hiranos, wie er findet, faszinierender Kriminalroman an René Magrittes surrealistisches Gemälde "La reproduction interdite" erinnert. Der japanische Schriftsteller lässt darin seinen Protagonisten, den Scheidungsanwalt Akira Kido aus Yokohama im Jahr 2012 in den Süden Japans zu einer ehemaligen Klientin namens Rie reisen, wo er ihr nach dem Verlust ihres Ehemanns bei der Aufklärung eines mysteriösen Falles helfen soll:  Ihr Ehemann bediente sich lediglich der Identität von Taniguchi Daisuke, dem Mann, den Rie daraufhin suchen möchte, erklärt Düker. Der Kritiker liest hier nicht nur von den Traumata, die nach etlichen Katastrophen, wie dem Reaktorunfall in Fukushima im Jahr zuvor, in Japan (wieder-)auflebten, sondern empfiehlt den mit Identitäten spielenden Text auch als gute Lektüre für unsere von "identitätspolitischen Spiegelfluchten faszinierte Zeit". Ein so eleganter wie komplexer Roman, schließt der Kritiker, der auf mehr Übersetzungen der Werke Hiranos hofft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.06.2022

Steffen Gnam taucht ein in die Welt der Selbstoptimierung, der Lebensangst und der verzweifelten Suche nach dem Glück mit Keiichiro Hiranos 2012 spielendem Roman von 2018. Die Geschichte um einen betrügerischen Identitätstausch in der japanischen Provinz berührt laut Gnam auch die Schwierigkeiten und Ängste koreanischstämmiger Japaner. Nicht zuletzt die Anleihen in der europäischen Literatur, bei Girard und Ovid, machen den Text für Gnam zu einer "faszinierenden Spurensuche" nach "unseren Lebenslügen".
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.05.2022

Rezensent Peter Praschl geht mit Keiichiro Hiranos "raffiniertem" Text auf, wie sehr Romane einem Identitätsschwindel gleichen. Um letzteren dreht sich die Geschichte, in der Hiranos Protagonist, ein Scheidungsanwalt, zu ermitteln hat. Eine falsche Identität und ihr Hintergrund - für den Autor und seine Figur laut Praschl Anlass nicht nur für kriminalistische Nachforschungen, sondern auch für philosophische Spekulationen und Seelenerkundungen. Der Umstand, dass Hirano erstmals auf Deutsch erscheint, lässt Praschl auf mehr von diesem in Japan bereits ausgezeichneten Autor hoffen.