Johannes Thiele

Verflucht sinnlich

Die erogenen Zonen der Religion
Cover: Verflucht sinnlich
List Verlag, München 2001
ISBN 9783471789384
Gebunden, 407 Seiten, 22,50 EUR

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.01.2001

Die NZZ bespricht gleich zwei neue Bücher über ein bisher weithin unbekanntes Thema: Lust und Erotik im Christentum.
1). Leah Otis-Cour: "Lust und Liebe. Geschichte der Paarbeziehungen im Mittelalter". (Fischer-Taschenbuch)
Endlich erfahren wir mehr über das Liebesleben unserer christlichen Vorfahren im Mittelalter. Die Rezensentin Angelika Dörfler-Dierken ist darüber hell erfreut. Die Studie der amerikanischen Historikerin Leah Otis-Cour räumt mit einigen gängigen Klischees auf. Zum Beispiel, dass vor dem 18. Jahrhundert eher Eheleid denn Eheglück geherrscht habe. Bereits im 12. Jahrhundert, mit der juristischen Einrichtung der Konsensehe, wurden eine ganze Reihe von Liebeshochzeiten gefeiert, in deren Folge die Frauen gar nicht so recht- und glücklos waren, wie allgemein auch heute noch angenommen wird. Dörfler-Dierken hält das Buch der Historikerin für einen gelungenen Beitrag zur Frauen- und Geschlechtergeschichte. Der Autorin sei es gelungen, zahlreiche Einzelstudien mit einer ganzen Reihe von spannenden Erkenntnissen verständlich und gut strukturiert einer breiteren Leserschaft zu vermitteln.
2). Johannes Thiele: "Verflucht sinnlich. Die erogenen Zonen der Religion" (List-Verlag)
Nicht ganz so positiv bewertet die Rezensentin die Monographie des Journalisten Johannes Thiele über erotische Sinn- und Unsinnlichkeit bei Protestanten und Katholiken. Angelika Dörfler-Dierken mag der These des Autors, dass der Protestantismus als Religion der Rationalität die Sinnlichkeit verbannt und der Katholizismus sich dann später calvinistischer Askese angeschlossen habe, nicht zustimmen. Thiele variiere das alte Thema von Geist und Fleisch und halte letztlich ein Plädoyer für eine Religion des lustvollen Glücks, in der Körper und Geist miteinander versöhnt seien. Und da begibt er sich auf Irrwege, meint die Rezensentin. Sie schätzt den paradiesischen Zustand von sexueller Unschuld realistischer ein. Thiele reflektiere leider überhaupt nicht darüber, wie der Beziehungsalltag auch aussehen kann: Kampf um Abwasch und Liebe und Frust mit der Lust - Aspekte, die er in seiner Monographie nicht berücksichtigt habe.

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