Javier Cercas

Der falsche Überlebende

Cover: Der falsche Überlebende
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2017
ISBN 9783100024619
Gebunden, 496 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Peter Kultzen. Medienwirksam hat sich der Katalane Enric Marco 30 Jahre lang als Überlebender des deutschen Konzentrationslagers Flossenbürg ausgegeben, hat sein Leiden öffentlich erzählt, war Präsident der Vereinigung der ehemaligen spanischen KZ-Häftlinge. Doch 2005 kam es zum Skandal, als ein Historiker aufdeckte, dass seine Geschichte eine Lüge war. Wenige Tage zuvor noch hatte Marco im spanischen Parlament eine bewegende Rede zum bevorstehenden 60. Jahrestag der Befreiung des KZ Mauthausen gehalten. Tatsächlich aber war er 1941 freiwillig nach Deutschland gegangen, im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Spanien und Hitler-Deutschland, um in einer Kieler Werft zu arbeiten und so dem spanischen Kriegsdienst zu entgehen. In einem KZ war er nie gewesen. Was trieb Marco dazu, dieses Lügengebäude zu erschaffen, an dem er selbst nach seiner Entlarvung festhielt? Zögerlich und doch fasziniert bewegt Javier Cercas einen Stein nach dem anderen und guckt hinter die Fassaden: auch hinter seine eigene und die seines Landes.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.11.2017

Andrea Hopp liest bei Javier Cercas die Geschichte des falschen spanischen Widerstandskämpfers Enric Marco, der sich zwanzig Jahre lang als Überlebendender des Konzentrationslagers Flossenbürg ausgab. Die schichtweise Enthüllung einer von extremer Geltungssucht und ebensolcher Fantasie angetriebenen Lebensgeschichte aus Lüge und Hochstapelei unternimmt der Autor laut Hopp literarisch, historisch, psychologisch und philosophisch. Die "Kunstfigur" Marco vermag Cercas als Teil einer politischen Mentalitätsgeschichte Spaniens zu präsentieren, meint Hopp, die das literarische Werk als politisches Buch bespricht. So oder so ist er ihrer Meinung nach lesenswert.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.06.2017

Fasziniert hat Rezensent Merten Worthmann Javier Cercas' Buch "Der falsche Überlebende" gelesen, der ihm die unglaubliche Geschichte des Hochstaplers Enric Marco erzählt. Schon der Rechercheaufwand, den der spanische Autor betrieben hat, um Wahrheit und Lüge im Leben Marcos exakt zu trennen, ringt dem Kritiker größte Anerkennung ab. Er erfährt hier nicht nur, wie Marco zunächst noch als junger Anarchist gegen die vorrückenden Truppen des späteren Diktators Franco kämpfte, sondern liest vor allem, wie der aus "desolaten Verhältnissen" stammende Arbeiter, der sich mit dem Regime bald arrangierte, sich erst als Untergrund-Aktivist darstellte, um sich später mit einer "schillernden" Nazi-Opfer-Geschichte zum Helden zu stilisieren. Großartig, wie Cercas sich in seinem zwischen Essay, Erzählung und Bericht mäandernden Text an den bis heute keine Reue zeigenden Betrüger herantastet und ihn psychologisch deutet, lobt der Rezensent, der über die ein oder andere etwas langatmige Passage leicht hinweg lesen konnte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.06.2017

Rezensentin Cornelia Geißler hat mit Javier Cercas' "Der falsche Überlebende" ein wichtiges Buch vorzustellen. Es ist nicht nur die Geschichte des Hochstaplers Enric Marco, die Cercas überzeugend und laut Rezensentin wie einen Spionagethriller anhand von Interviews rekonstruiert. Mindestens genauso interessant findet Geißler, wie der Autor sich dem Fall des falschen KZ-Überlebenden Marco nähert, also Marco und seinen Lügen buchstäblich nahe kommt und sich selbst sowie den Leser dazu ins Verhältnis setzt. Die Frage, was Literatur darf, ist nur eine von vielen, die sich der Rezensentin hier stellen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.05.2017

Ralph Hammerthaler liest die Geschichte über den Hochstapler Enric Marco von Javier Cercas mit Faszination. Wie Marco mit seiner Lüge, er sei ein katalanischer Holocaust-Überlebender in der Blütezeit von oral history und Gedenkindustrie Erfolg hatte, später dann einen Skandal auslöste, vermag Cercas ihm mit Blick auf den Narzissten hinter der Maske zu vermitteln. Vor allem bei den Fakten findet Hammerthaler den Text stark, bei der moralischen Empörung eher nicht. Und dass der Autor der Faszination seiner Figur nicht entkommt, findet der Rezensent spannend. Wie nah sich der Hochstapler und der Literat sind, wird ihm beim Lesen klar. Etwas weniger Cercas im Text, der laut Rezensent auch die jüngere Geschichte Spanien erzählt, hätte dem Buch dennoch gut getan, meint Hammerthaler.
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