J.G. Ballard

Das Reich kommt

Roman
Cover: Das Reich kommt
Diaphanes Verlag, Zürich 2019
ISBN 9783035801361
Kartoniert, 368 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Richard Pearson, ein ehemaliger Werbeprofi, folgt wie automatisch der Intuition seines Wagens und verlässt die Autobahn in Richtung Brookfields, nähe Heathrow, wo sich das gigantische Metro-Centre befindet, ein Konsumtempel von unendlichen Ausmaßen. Ist es zunächst der dort vermeintlich von einem psychisch Kranken verübte Mord an seinem Vater, den er aufklären will, so führen ihn seine Untersuchungen immer tiefer in mysteriöse Zusammenhänge, in deren Mittelpunkt das Metro-Centre selbst zu stehen scheint. Tagsüber dreht sich das Leben in den Vorstädten um nichts als Konsum, nachts finden rassistische Angriffe auf Einwanderer, nationalistische Zusammenkünfte unter wehenden Fahnen ortsansässiger Sportclubs statt. Ihr neuer Führer wird das Gesicht der Werbekanäle des Shopping Centers - und Pearson verstrickt sich zusehends in die brandgefährlichen Geschehnisse im Metro-Centre, die hinter dem Konsumismus nach und nach einen neuen Faschismus sichtbar werden lassen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 08.07.2019

Rezensent Thomas Palzer würdigt ausführlich den britischen Science-Fiction-Autors J.G. Ballard, dessen Romane von einem bitteren Sarkasmus durchzogen sind und in subversiver Konsequenz die Gegenwart in die Zukunft verlängern. Der Roman "Das Reich kommt" schreibt in unerbittlicher Logik die Welt der Vorstädte fort, in der Dauerfernsehen, Shopping Malls und Konformismus die existenzielle Langeweile übertönen sollen - oder wie Palzer Ballard zitiert: "Das Parken in der Zweiten Reihe war wie Ehebruch und Alkoholismus ein wesentlicher Teil des sozialens Kitts, der die Vorstädte fit hielt." Düster, aber nicht untreffend findet der Rezensent diese Bestandsaufnahme einer Welt, in der ein allein von Komfortversprechen angetriebener Fortschritt rasenden Stillstand erzeuge.

Buch in der Debatte

Efeu 11.04.2024
Spürbar ungebührlich findet es Andreas Platthaus in der FAZ, dass der Leiter des Literaturhauses Leipzig, Thorsten Ahrend, den Schriftsteller Matthias Jügler vor einer Lesung aus dessen Roman "Maifliegenzeit" um einen Beleg gebeten hat für dessen in der Nachbemerkung zu seinem Roman gefallene Behauptung: "Seit einigen Jahren ist nachgewiesen, dass es in der DDR Fälle von vorgetäuschtem Säuglingstod gab." Ahrend beruft sich auf Studien, die keinen Nachweis dafür erbringen konnten, Jügler wiederum auf anekdotisches Wissen - die Lesung ist abgesagt. "Was ist das für ein Verständnis von Literatur, vor allem ihrer Fähigkeit, über Dinge, die nicht nach juristischen (oder auch journalistischen) Kriterien belegbar sind, zu erzählen und damit eine Debatte zu eröffnen", ärgert sich Platthaus. "Dass Jügler keine Lust hatte, sich von vorneherein auf unliterarisches Terrain zu begeben, ist verständlich. Er ist kein Archivar, er ist Romancier. Romane ziehen ihre Berechtigung nicht aus Wahrheit, sondern aus Wahrhaftigkeit." Dass systematisch Säuglinge entführt wurden, lege Jügler im übrigen eh nicht nahe: "'In der DDR' ist für Menschen, die lesen können, eine probate Orts- und Zeitbestimmung. Wer darin eine Systembeschreibung sieht, macht sich die Gleichsetzung von Diktatur und Alltag zu eigen, die gerade von Ostdeutschen immer wieder kritisiert wird." Unser Resümee