Ignacio Padilla

Schatten ohne Namen

Roman
Cover: Schatten ohne Namen
Tropen Verlag, Berlin 2007
ISBN 9783932170843
Gebunden, 192 Seiten, 18,80 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Frank Wegner. Mitten im Ersten Weltkrieg spielen Viktor Kretzschmar und Thadeus Dreyer bei einer Zugfahrt an die Grenze des Habsburgerreiches eine Partie Schach. Der Gewinner wird Kretzschmars Identität als Weichensteller in der Provinz annehmen, der Verlierer sieht seinem vermeintlich sicheren Tod an der Ostfront entgegen. Als ein Mann namens Thadeus Dreyer Jahre später auf Franz Kretzschmar trifft, den Sohn seines einstigen Gegners, ist er ein hochdekorierter Kriegsheld und verantwortlich für ein Doppelgängerprogramm, das dazu dient, ranghohe Nazis bei riskanten öffentlichen Auftritten zu vertreten. "Schatten ohne Namen" verfolgt die ineinander verwobenen Schicksale der Protagonisten über mehrere Jahrzehnte und über die halbe Welt hinweg. Am Ende ist niemand mehr der, der er gewesen zu sein schien.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.07.2008

Rezensent Jochen Jung verbeugt sich tief vor diesem "erzählerischen Virtuosen" und "gewitztem Kolporteur" samt seinem "aufregenden Buch" um ein Schachspiel mitten im Ersten Weltkrieg, das mit seinem komplexen Gedankenspiel sogar den Leser matt setze. Ein Soldat und ein Weichensteller spielen Jungs Inhaltsskizze zufolge höchst konzentriert Schach in einem Zug. Verliere der Weichensteller, muss er sich erschießen, verliere der Soldat, muss er seine Identität mit dem Weichensteller tauschen. Es verliert, wie man liest, der Soldat, was eine identitätsverwirrende Geschichte zur Folge hat, die in den 60er Jahren in Jerusalem endet. Und zwar mit Zweifeln, ob es wirklich Eichmann war, der dort am Galgen starb. Höchst fasziniert verfolgt der Rezensent dieses literarische Zwitterwesen zwischen Märchen, Kolportage und Roman und findet das Aufregende an dem Buch, dass sich sein Autor für keine Kategorie je entscheidet, sondern einfach den "Quirl seiner Erzählmaschine" in den Stoff tauchen würde.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 24.05.2008

Sehr raffiniert und vielversprechend, versichert Rezensent Kersten Knipp, beginnt dieser Roman mit dem Schicksal zweier Figuren, die ihre Identität getauscht haben. Der Bahnwärter Viktor Kretzschmar, der früher ein Mann namens Thadeus Dreyer war, versucht, mit einem Zugunglück einen Mann namens Thadeus Dreyer zu töten, der einst Viktor Kretzschmar war. So weit, so schon nicht ganz unkompliziert. Das eigentliche "Verwirrspiel" mit weiteren Doppelgängern, reichlich Anspielungen auf und Anlehnungen an lateinamerikanische Weltliteratur von Borges bis Marquez beginnt dann aber hinterher. Gar nicht leugnen will der Rezensent die "geballte Kunstfertigkeit" des Autors - nur sieht er gerade in ihr das zentrale Problem des Romans: Der Leser hat so viel damit zu tun, der Handlung und ihren Motiven zu folgen, dass er allen möglichen Sinn oder Hintersinn bald aus den Augen verliert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.12.2007

Hans-Peter Kunischs Begeisterung über diesen Roman von Ignacio Padilla findet nach nicht einmal 50 Seiten ein jähes Ende. Den Auftakt des Buches bildet der Identitätstausch eines österreichischen Soldaten, der an die Ostfront des Ersten Weltkriegs geschickt werden soll und eines Weichenstellers, der nach dem Krieg in seiner getauschten Identität Karriere bei den Nazis macht. Padilla schreibt über dieses so gar nicht in der lateinamerikanischen Literatur beheimatete Thema mit bemerkenswerter Souveränität und er bietet manchen "gut inszenierten" Kniff in der Erzählweise auf, weiß der Rezensent zu würdigen. Wenn Padilla dann aber mehrmals die Erzählperspektive wechselt und in der Nachkriegsgeschichte immer noch weitere Identitätsverwirrungen aufdeckt, kann der Rezensent ihm nicht mehr mit Freude folgen und er moniert, dass die Geschichte hier offenbart, dass sie den Nazi-Hintergrund lediglich als postmodernes Spielfeld nutzt. Kunisch kann nun das Gefühl nicht loswerden, dass es dem Autor vor allem darum geht, die eigene Kunstfertigkeit zu demonstrieren, und für ihn gewinnt damit der Roman eine kreuzworträtselhafte Qualität, die er als gänzlich beliebig kritisiert.
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