Heinz Helle

Die Überwindung der Schwerkraft

Roman
Cover: Die Überwindung der Schwerkraft
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
ISBN 9783518428238
Gebunden, 208 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Zwei Bier, und dann noch zwei - mehr braucht es nicht für etwas Nähe. Doch dass die Wärme des Alkohols nicht wirklich gegen die Kälte hilft, die draußen herrscht, wissen auch die beiden Brüder, die von Kneipe zu Kneipe ziehen. Der ältere trinkt längst ohne jeden Anlass, aus Trauer oder Wut angesichts einer Welt, die von Schmerzen und Leid, von Kriegen und Gewalt bestimmt ist. Und doch erzählt er dem jüngeren an diesem Abend nicht nur von Stalingrad und Marc Dutroux, sondern auch von seinem baldigen Vaterglück. Was beide nicht wissen: Es wird danach kein Wiedersehen geben. Nur einmal telefonieren sie noch miteinander. Der nächste Anruf, neun Monate später, ist die Nachricht vom Tod des älteren Bruders. Was bleibt, sind die Erinnerungen an ihn und Fragen: Warum das Ganze? Was wollen wir auf der Welt? Und was genau soll das überhaupt sein, leben und sterben?

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 01.12.2018

Rezensent Philipp Haibach gefällt an Heinz Helles Brudergeschichte vor allem der Sound. An Thomas Bernhards Suadas erinnernd, kommt auch Helle laut Haibach über lange Strecken ohne Punkt aus, entwirft endlose Sätze mit Wiederholungen und viel Sinn für Musikalität und Komik. Unterkomplex ist der Text auch gedanklich nicht, wenn er eine Familiengeschichte, die Schuld der Nachkriegsgeneration und Marc Dutroux verhandelt und zeitlich, thematisch und perspektivisch wild herumspringt, versichert der Rezensent. Die Kunst des Autors erkennt Haibach darin, dem Leser dennoch genug Orientierung zu verschaffen und ihm den Ernst seiner Geschichte glaubhaft zu vermitteln.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.11.2018

Marie Schmidt wird die Gefährlichkeit des Lebens unter Menschen bewusst mit Heinz Helles Roman. Den als Suff-Gespräch zweier Brüder angelegten Text schätzt sie für seine ihrer Meinung nach leicht zu unterschätzende Zurückgenommenheit, die sich bei näherem Besehen als Feier der Rede und der Literatur entpuppt. Nicht weniger als das ganze Menschendasein scheint ihr der Autor vor dem Leser aufzublättern, indem er die Brüder über Existenzielles sprechen lässt, freilich in der Art von "betrunkenen Argumenten", die Schmidt aber sofort versteht. So zwischen heiligem Ernst und Komik gefällt ihr das Buch ausnehmend gut.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2018

Rezensent Dirk Knipphals musste einen gewissen Widerstand gegen das etwas dick aufgetragene Setting des Romans überwinden, dann setzt aber auch bei ihm die Sogwirkung ein: Gebannt folgt er Heinz Helles Erzähler, der ein letztes Mal mit dem verstorbenen Bruder auf Kneipentour geht. Dabei verhandeln die beiden nur die größten Themen: die Doktorarbeit, das Vaterwerden, Treblinka, Stalingrad, Neonazis. Nicht alles überzeugt Knipphals, aber in den besten und schönsten Passagen erinnert ihn die "Überwindung der Schwerkraft" an Peter Weiss und dessen "Abschied von den Eltern", wie auch an die von #MeToo aufgeworfene Frage, wie man literarisch bannen kann, was einem persönlich widerfahren ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.10.2018

Rezensentin Wiebke Porombka hat Heinz Helles Roman "Die Überwindung der Schwerkraft" tief bewegt: Wie hier der jüngere Bruder dem älteren hinterherspürt, um zu verstehen, warum dieser bis zu seinem Tod von einer beständigen Schwermut niedergedrückt wurde, fand sie äußerst tiefgründig. Auch sprachlich sei das Buch über das Verzweifeln an der Hässlichkeit der Welt hervorragend gelungen, meint Porombka: Laut ihr "betrachtet der Roman das Scheitern mit zärtlicher Hilflosigkeit", die der Tristesse zumindest ihre Schönheit entgegensetzen könne, schließt die Rezensentin ehrfürchtig.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.10.2018

Rezensent David Hugendick hat es genossen, dass Heinz Helles neuer Roman nicht dem "dressierten Minimalismus" frönt, der ihm gerade so in Mode zu sein scheint. Stattdessen habe er einen äußerst tiefgründigen Roman über einen jüngeren Bruder geschrieben, der dem verstorbenen älteren nachhänge. In dieser "Geistesbeschwörung eines Toten" jagt ein melancholischer, aber hochgescheiter Gedanke zum Leben den nächsten, lobt der atemlose Hugendick, der den Roman als äußerst anregend empfunden hat.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.09.2018

Rezensent Paul Jandl ist begeistert von Heinz Helles neuem Roman, der ihm zufolge aus den Erinnerungen eines Erzählers an seinen verstorbenen älteren Bruder besteht. Für Jandl gehört "Die Überwindung der Schwerkraft" zu den "schönsten Brüdergeschichten" der letzten Zeit, die durch das Aufzählen etlicher historischer Ereignisse sogar noch besser wird, wie der Rezensent findet. Helle kann hier in Jandls Augen zeigen, wie aus der Flut an Ereignissen, die auf jemanden einprasselt, ein bestimmtes Bewusstsein entsteht, und diesem spüre der jüngere Bruder in seinen Gedanken an den älteren nach. Man dürfe sich von dem Titel nicht täuschen lassen, bei diesem Roman spüre man eindrücklich "das Gewicht der Welt", meint der beeindruckte Jandl.