Gernot Wolfram

Samuels Reise

Roman
Cover: Samuels Reise
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2005
ISBN 9783421058317
Gebunden, 208 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Die Geschichte einer ungewöhnlichen Reise. Ein junger Übersetzer verliebt sich in eine Frau, die einen eigenwilligen Sohn hat. Der Junge, Samuel, interessiert sich nur selten für andere Menschen und lebt in der Welt von Science-fiction-Romanen. Er schickt Briefe an den Autor dieser Bücher, einen alten Mann in Krakau, in dem unschwer Stanislaw Lem zu erkennen ist, und träumt davon, ihn eines Tages zu treffen. Als die Mutter Samuels ein vierwöchiges Stipendium in Amerika erhält, reist ihr Freund mit dem Jungen nach Polen. In Krakau angekommen, verschwindet Samuel plötzlich, und der Mann begegnet auf der Suche nach ihm Menschen, deren Leben und Geschichte ihn auf die geheimen Wege dieser Stadt im Wandel führen und ihn unentrinnbar verändern.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.05.2005

Marta Kijowska ist insgesamt sehr angetan von Gernot Wolframs Roman "Samuels Reise", der einen leichten, frischen Ton besitze und trotzdem sorgfältig durchdacht sei, sagt sie lobend. "Samuels Reise" führt nach Polen in Begleitung eines zwölfjährigen Jungen, der unterwegs verloren geht und damit die Fahrt und Suche in einem fremden Land zur "inneren Bildungsreise" werden lässt, wie Kijowska schreibt. Der Roman spiele ständig mit dem Thema von Nachahmung und Täuschung, Vertrautheit und Fremdheit. Samuel sei Übersetzer von Beruf und damit so eine Art "Profi für die Überwindung von Fremdheit", meint die Rezensentin. Etwas irritiert äußert sie sich über Wolframs sorglosen Umgang mit den "Mäandern der Zeitgeschichte"; sein Polen trage eindeutig tschechische oder ostdeutsche Züge, hält Kijowska fest, was für sie auf Kosten der Glaubwürdigkeit geht. Kijowska berichtet, dass Wolfram ursprünglich aus der Gegend zwischen Dresden und Prag stammt und als zwölfjähriger Junge mit seinen Eltern nach Westdeutschland übergesiedelt ist; diese Erfahrung des Fremdseins werde in dem Roman verarbeitet, vermutet sie. Abgesehen von diesen kleinen "unfreiwilligen Verfremdungseffekten", die Polen nicht Polen sein lassen, hat ihr der Roman aber gut gefallen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.05.2005

Ein gut lesbarer Roman aus dem deutschen Sprachraum, der eine gewisse Leichtigkeit transportiert, besitzt für Hans-Peter Kunisch Seltenheitswert. Seines Erachtens hat Gernot Wolfram mit "Samuels Reise" ein solches Buch geliefert, das trotz seiner Gängigkeit schweren Stoff bearbeitet - es geht um Polen und die deutsche Vergangenheit in Polen. Dort gibt es beispielsweise Menschen wie einen Mann namens Klima, der eine Agentur für Doppelgänger führt, die sich notfalls sogar als KZ-Insassen ausgeben und so die Frage aufwerfen, formuliert der Rezensent beeindruckt, was Authentizität bedeute beziehungsweise was wichtiger sei, die Wahrheit oder die Wirkung? Wolframs Sprache ist dabei ganz klar und durchsichtig, analysiert Kunisch weiter, aber auch etwas geheimnislos. Wenn man dem Roman eine Schwäche anlasten dürfe, dann nämlich seine Berechenbarkeit. Irritationen vermisst der Rezensent, der sich stimmungsmäßig teilweise an Nooteboom, teilweise an Kundera erinnert fühlt. Doch in der Klima-Figur sieht er auch einen "Rest an Widerständigkeit" bewahrt, die dem Buch sonst abgehe.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.03.2005

Beeindruckt von der literarischen Souveränität Gernot Wolframs, der mit "Samuels Reise" sein Romandebüt vorlegt, zeigt sich Meike Fessmann. Wolfram tut nicht nur lässig, er schreibt auch lässig, behauptet sie begeistert, und treffe dabei das "Nüchternheitspathos des Englischen", das bei den jungen Autoren so beliebt sei, auf wirklich überzeugende Weise. Mit diesem dem Englischen eigenen Pathos meint Fessmann eine "Beobachtungsgenauigkeit", die ebenso geographische Räume erfassen wie Seelenräume erkunden hilft. Der geografische Ort des Romans ist Polen, wohin es den Ich-Erzähler, einen Übersetzer (aus dem Englischen natürlich) in Begleitung eines zwölfjährigen Jungen verschlägt, der sich bald selbständig macht. Der Erzähler heftet sich notgedrungen an dessen Spur. Er "interpretiert" ihn, schreibt Fessmann, und so entdecke er Polen mit kindlichen Augen, ein Land, das mit Klischees nur so durchtränkt sei, meint die Rezensentin. Geschickt verbinde Wolfram Vergangenheit und Gegenwart, verknüpfe die verschiedenen Ebenen und Motive fast unmerklich, so dass man "Samuels Reise" einerseits wie ein Roadmovie lesen aber andererseits auch als eine literarisierte Abhandlung von Fremdheitserfahrungen begreifen könne.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.03.2005

Das Besondere an "Samuels Reise" ist, glaubt man der Rezensentin Anne Kraume, dass der Roman sich weniger um die Polen-Reise des jungen Samuel dreht als um die seines älteren Reisebegleiters, ein Schriftsteller, der in Polen Boswell übersetzen will und der Samuel ermöglichen soll, in Krakau seinen Lieblings-Science-Fiction-Autor kennenzulernen. Auf die Fremde, in die die Reise dieses ungleichen Paares gehe, scheine sich der Autor bestens zu verstehen. Schließlich habe er einen Erzählband namens "Der Fremdländer" veröffentlicht, in dem es um "alltägliche Verunsicherungen" ging und "darum, dass kaum jemand in die Umgebung passt, in der er sich befindet". Keiner dieser Fremdländer sei jedoch so fremd gewesen wie sich der Autor im Polen der Nachwendezeit fühlt. Im Gegensatz zum Abenteurer Boswell sei ihm nämlich an "Ruhe und Regelmäßigkeit" gelegen, Eigenschaften jedoch, die im Nachwendepolen rar seien. Nachdem in Krakau das Treffen Samuels mit seinem Idol arrangiert ist, trennen sich die Wege der Beiden, berichtet Kraumer, und der allein zurückgebliene Schriftsteller spürt, wie sich ein Wandel in ihm vollzieht: Er gewöhnt sich an "den losgelösten Zustand unterwegs". Gernot Wolframs Debütroman, so das wohlwollende Fazit der Rezensentin, "beschreibt diese Entdeckung der Fremde liebevoll als einen Aufbruch", weshalb sie ihm auch großzügig manch "schief geratenes" Bild verzeiht.