Ferdinand von Schirach

Jeder Mensch

Cover: Jeder Mensch
Luchterhand Literaturverlag, München 2021
ISBN 9783630876719
Gebunden, 32 Seiten, 5,00 EUR

Klappentext

Jeder Mensch hat das Recht …Mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung 1776 und der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789 in Frankreich wurden die Grundsteine für unsere moderne Gesellschaft gelegt, für unsere Freiheit und unsere unveräußerlichen Rechte. Das Erstaunliche an diesen Deklarationen ist, dass sie nicht die Wirklichkeit widerspiegelten. Die großen Manifeste der Menschheit verlangten eine Ordnung der Gesellschaft, die es noch nicht gab. Es waren Utopien. Heute stehen wir vor ganz neuen Herausforderungen. Globalisierung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Klimawandel: Die Gefahren, denen wir heute ausgesetzt sind, waren vor 200 Jahren noch nicht einmal vorstellbar. Wir brauchen deshalb neue, zusätzliche Menschenrechte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.04.2021

Inhaltlich will Rezensent Thomas Ribi gar nichts gegen die Forderungen sagen, die der Anwalt und Medien-Promi Ferdinand von Schirach in seinem Manifest erhebt: Das Recht auf eine gesunde und geschützte Umwelt, auf Wahrheit, auf Schutz vor Ausforschung und Manipulation, auf Waren, für deren Herstellung keine Menschenrechte verletzt wurden, das sind alles gute Sachen. Aber der Gestus, das Pathos, mit dem Schirach in seinem dreißigseitigen Bändchen aufwartet, gehen Ribi doch sehr gegen den Strich, vor allem weil der Autor selbst wisse und einräume, wie unrealistisch ihre Durchsetzung ist. Vollends ins Spektakelhafte gleite das Manifest auf der dazugehörigen Webseite ab, bei der man die Schirachschen Grundrechte unterzeichnen könne und, wie Ribi ungläubig zitiert, "den nachfolgenden Generationen etwas Glückliches, etwas Strahlendes hinterlassen". Mit nur einem Klick!

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.04.2021

Rezensent Johan Schloemann kann dieses Manifest des Anwalts Ferndinand von Schirach nicht ganz erst nehmen. Auch wenn er dem Mann, der seine Prominenz ebenso seinen True-Crime-Geschichten wie einem NS-Verbrecher als Großvater verdankt, hehre Absichten unterstellt, kann er doch nur den Kopf schütteln über die Anmaßung, im Alleingang Europa eine neue Grundrechte-Charta schreiben wollen. Zwar wisse Schirach, dass es eine solche in Europa schon gibt, aber er finde sie eben nicht so eingängig wie die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Da möchte jemand der "neue Solon, Lafayette oder Jefferson" werden, ahnt Schloemann, weist aber darauf hin, dass es für solche Rechtstexte heutzutage in Europa einen etwas aufwändigeren Angang braucht, als ein bisschen TV-Marketing. Und wenn Schirach dann auch noch ein einklagbares Recht auf Wahrheit einfordert, steigt Schloemann ganz aus.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.04.2021

Rezensent Mark Siemons ist äußerst skeptisch. Man kann nicht einfach politische Ziele wie eine gesunde Umwelt, eine nicht lügende Verwaltung oder Digitalisierung zu "Grundrechten" erklären und dann hoffen, sie einklagen zu können. Diese Vorstellung widerspricht schon der Idee von Grundrechten, die nicht von ungefähr im Vorpolitischenn angesiedelt seien und jenseits der politischen Aktualität gültig sein sollen, so Siemons. Hier werde eine Art "moralische Wellness-Oase" geschaffen, kritisiert Siemons, der es durchaus gefährlich findet, das Grundrechtsprinzip auf diese Art zu überdehnen.