Esther Kinsky

Am Fluss

Roman
Cover: Am Fluss
Matthes und Seitz, Berlin 2014
ISBN 9783957570567
Gebunden, 387 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Alte Fabriken, ärmliche Häuser, aber auch unverhoffte Streifen von Wildnis: eine Landschaft an der Grenze zwischen Stadt und Land, bevölkert von aus ihren Ordnungen gefallenen Menschen, wie sie das wahre Leben am Rande jeder Metropole prägen. In neun Etappen eines Spaziergangs in der Gegend um den River Lea im Osten Londons verfolgt Esther Kinsky die sich überlagernden Spuren ersönlicher Geschichte und urbaner Historie dieser Flusslandschaft und nutzt die Wildnis des Marschlands als Freiraum für Erinnerung und Reflexion. Der River Lea wird zur Grenzmarkierung und zugleich zu einem Wegweiser: Erfahrung und Wahrnehmung finden an ihm eine Schranke und ein Ziel.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.11.2014

Esther Kinskys Leben und Werk ist eng verwoben mit der Erfahrung, an Flüssen zu leben, erklärt Rezensent Uwe Rada: So arbeite die Autorin in ihren Romanen sehr verlässlich an einer "Poetologie des Flusses". Auch dieses Buch, das sich an die Fersen einer Frau heftet, die am Industriefluss River Lea entlang quer durch den Osten Londons streunt und dabei in Erinnerugen schwelgt, ist deshalb wieder ein echter Flussroman geworden. Dialoge und Metaphern gibt es zwar keine, dafür lernt man mit der Erzählerin das Sehen neu, berichtet der Rezensent, der sich ganz offensichtlich mit einigem literarischem Genuss dieser Wanderschaft angeschlossen hat. Zwar muss man damit umgehen können, dass der Roman gemächlich plätschert, erklärt der Kritiker mit großer Freude an naheliegenden Allegorien. Dennoch ist er am Ende ganz fasziniert von der Beschreibungslust, mit der sich Kinsky hier als "Archäologin der scheinbaren Unbedeutendheiten" betätigt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2014

"Radikal, sprachmutig, intensiv" und einfach schön sind nur einige der Beschreibungen, die Rezensentin Angelika Overath wählt, um ihrer tiefen Bewunderung für Esther Kinskys neuen Roman "Am Fluss" Ausdruck zu verleihen. Wie eine Sichtbarmachung durch Licht und Laute erscheint der Kritikerin der Band, in dem Kinsky durch die Natur am Rhein der Kindheit, am bei Tel Aviv ins Meer mündenden Nahal Ha Yarkon, an der polnischen Oder, der ungarischen Tisza und am Hooghly River entlang wandelt. Märchenhafte Figuren, abstrakte Wahrnehmungen, in Sepia getauchte Erinnerungen und eine virtuose Sprache machen diesen Band zu einem Meisterwerk, das die Kritikerin nur wärmstens empfehlen kann.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 04.10.2014

Für den Rezensenten Paul Jandl begibt sich Esther Kinsky ins Elementare mit diesem Buch, indem sie über Flüsse sinniert, vor allem aber indem sie es sehr lakonisch macht, fotografisch dabei, das metaphorische Potenzial des Gewässers gerade so weit berührend, dass es spürbar wird, findet Jandl. Was so unspektakulär aussieht, als Gang in eine botanische Gegenwelt (hier: Londons), wird für Jandl unter Zugabe großer poetischer Genauigkeit zu einer an Henry David Thoreau geschulten, sammelnden, bewahrenden Naturbetrachtung. Auch skurrile, mythische Gestalten kommen vor, erklärt Jandl, und eine Leerstelle, über die der Rezensent lange nachsinnt, ohne sie füllen zu können. Genau hier verortet er das Romanhafte des Textes.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.09.2014

Esther Kinsky war bisher vor allem als Dichterin und Übersetzerin bekannt, großartig übertrug sie etwa Henry David Thoreaus "Aussteigervision mit Suchtpotenzial", erinnert sich Susanne Mayer. Auch in ihrem eigenen Roman "Am Fluss" ergeht sich die Erzählerin in "Augen- und Fußwanderungen", durchstreift die kleine Welt in einem Randgebiet Londons, einem Marschland, durchzogen von einem kleinen Fluss, bevölkert von Vögeln, die "Schwermutslaute aus untraurigen Kehlen" anstimmen, wie es bei Kinsky heißt, was den Grundton des ganzen Buches sehr schön zum Ausdruck bringt, findet die Rezensentin. Die meisten Personen, die auftauchen, sind ebenso unstet, prekär und in die Peripherie verrutscht wie die Landschaft, verrät Mayer: "Verrückte, Vertriebene, Migranten, Gypsies", zählt die Rezensentin auf. Wie die Erzählerin die verschwommenen Ränder der Polaroid-Fotografien interpretiert, die sie immer wieder macht und die manchen Kapiteln vorangestellt sind, untersucht Kinsky genau, was sich in den Randgebieten unserer Wahrnehmung abspielt, abseits der Großstädte, der Norm und des wachen Bewusstseins.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.08.2014

Über die Vielfalt von Ziegeln lernt Hans-Peter Kunisch bei Esther Kinsky eine Menge. Als Roman taugt das neue Buch der Autorin laut Rezensent deswegen noch nicht, eher als lange Erzählung. Dass dieses Erzählen ohne große Metaphern auftritt, scheint Kunisch nicht zu stören, das Erkunden randständiger Landschaften gelingt der Autorin laut Kunisch auch so, genau und mit im Gedächtnis bleibenden Bildern. Das Autobiografische in diesem Buch über das Nichtankommenkönnen, tritt für Kunisch hinter die einfühlsame, geschmeidige Sprache zurück, mit der Kinsky Figuren, Dinge und Gegenden beschreibt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.08.2014

Geradezu hymnisch bespricht Rezensentin Katharina Teutsch Esther Kinskys Roman "Am Fluss". Voller Bildung und Wissen, ohne jedoch neunmalklug zu sein, erscheint ihr dieses Buch, in dem ihr verschiedene mythische, bewegend schöne Schicksale in London, vor allem aber in der Natur begegnen: Könige, fromme Juden, Kunstreiter oder Gaukler. Es sind aber insbesondere die Naturbeobachtungen, das Vernehmen etwa von "Schwermutslauten aus untraurigen Kehlen", die der Kritikerin die außergewöhnliche Wahrnehmungskunst der Autorin vor Augen führen: Das lang vergessenene Genre des "Nature Writings" etabliere Kinsky erneut, hierzulande etwa bekannt durch Goethe - den Vergleich scheut die Rezensentin nicht. Autobiografisches ohne Selbstzweck ist hier ebenso zu lesen wie jüdisch-orthodoxes Leben in London - ganz ohne Klischees - urteilt die hingerissene Kritikerin.
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