Elena Ferrante

Die Geschichte der getrennten Wege

Band 3 der Neapolitanischen Saga. Erwachsenenjahre
Cover: Die Geschichte der getrennten Wege
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783518425756
Gebunden, 540 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Karin Krieger. Es sind die turbulenten siebziger Jahre und die beiden inzwischen erwachsene Frauen. Lila ist Mutter geworden und hat sich befreit und alles hingeworfen - den Wohlstand, ihre Ehe, ihren neuen Namen - und arbeitet unter entwürdigenden Bedingungen in einer Fabrik. Elena hat ihr altes neapolitanisches Viertel hinter sich gelassen, das Studium beendet und ihren ersten Roman veröffentlicht. Als sie in eine angesehene norditalienische Familie einheiratet und ihrerseits ein Kind bekommt, hält sie ihren gesellschaftlichen Aufstieg für vollendet. Doch schon bald muss sie feststellen, dass sie ständig an Grenzen gerät. Ganze Welten trennen die Freundinnen, doch gerade in diesen schwierigen Jahren sind sie füreinander da, die Nähe, die sie verbindet, scheint unverbrüchlich. Würde da nur nicht die langjährige Konkurrenz um einen bestimmten Mann immer deutlicher zutage treten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.09.2017

Elena Ferrante gehört für Martin Ebel zu den besten "Wortkünstlern, Menschengestaltern und Geschichtenerzählern" der Gegenwart. Auch im dritten Band der neapolitanischen Saga ist das differenzierte psychologische Verhältnis der beiden Freundinnen noch nicht zu Ende erzählt, staunt der Kritiker, dem es vor allem Lila angetan hat: Als "Glutkern" der Erzählung versprüht sie eine solche furiose Kreativität und Destruktivität, dass sich der Leser ihrer Sogkraft nicht entziehen kann, meint Ebel. Und wie Ferrante hier einmal mehr die verschiedenen Milieus in leuchtenden Farben ausmalt, ihr üppiges Figurenensemble sicher dirigiert, Identitätsfragen verhandelt und die Sexualität und Körperwahrnehmung der beiden Frauen vor dem zeithistorischen Hintergrund beschreibt, ringt dem Rezensenten ohnehin höchste Anerkennung ab.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.08.2017

Niklas Bender möchte die Anfangslorbeeren für Elena Ferrantes Trilogie gerne kassieren. Beim Lesen des dritten Bandes scheinen ihm die Schwächen der doppelten Neapolitanischen Frauengeschichte zu überwiegen. Die erzählten Jahre 1969-1976, die Elenas Ehe umfassen, eine bittere "Erziehung des Herzens", so Bender, warten zwar auch mit spannenden politischen Ereignissen auf, wie der Rezensent erklärt, doch legt die Autorin laut Bender den Schwerpunkt auf die Empfindung, ohne sie mit der Historie fruchtbar zu verbinden. Schematische Figuren, effekthascherische Erzähltechniken und die Frage, was mit der spezifisch weiblichen Perspektive eigentlich gewonnen ist, lassen Bender enttäuscht zurück. Wer sich einfach vom Strom der Ereignisse mitreißen lässt, meint er, hat dennoch etwas von dem Buch.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.08.2017

Exzellent findet Franz Haas auch den dritten Band von Elena Ferrantes Neapel-Saga, in dem die beiden Freundinnen Elena und Lila - in Karin Kriegers "findig-agiler" Übersetzung - die sechziger Jahre erreichen: Elena an der Universität in Florenz und verheiratet mit einem akademischen Langweiler, Lila nach abenteuerlichen Wendungen in ihrem proletarischen Arbeits- und Liebesleben in Neapel. Wie schon in den Vorgänger-Bänden, meint Haas, entfalte Ferrante virtuos die beiden große Zwangsmechanismen, unter denen die beiden Frauen stehen: die Camorra und die "Zurichtungen durch Männer". Deutlich macht ihm Ferrante vor allem, dass für Frauen Liebeswirren eine andere Brisanz haben, weil sie "gesellschaftlich am kürzeren Hebel" sitzen. Aber natürlich, meint am Ende auch er, dass der Roman mit seinen vielen Liebesverwicklungen und Schicksalswendungen etwas konventionell gestrickt sei. Doch bescheinigt er Ferrante sprachliche List und eine Brillanz, die "ohne verbissenen Feminismus" auskomme.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.08.2017

"Jahrhundertepos", schwärmt Rezensent Andreas Fanizadeh über Elena Ferrantes Neapolitanische Saga und stürzt sich entsprechend begeistert auf den dritten Teil. Er begeleitet die beiden ungleichen Freundinnen hier durch italienischen Siebziger, liest wie Lila in einer Wurstfabrik schuftet und sich mit der Mafia einlässt, während Elena in die linksbourgeoise Elite aufsteigt, in einer öden Ehe verharrt und mit der linksautonomen Massenrevolte sympathisiert und staunt, wie nuanciert und psychologisch feinsinnig Ferrante ihr "Panorama" der italienischen Nachkriegsgesellschaft auch in diesem Teil gestaltet. Einen Hauch von "Bitterkeit" vernimmt der Kritiker bei der Autorin, wenn sie ihm erzählt, wie die Emanzipation nach 1968 stockt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.08.2017

Für Rezensentin Ursula März ist Elena Ferrantes Neapel-Tetralogie ein "Schallmauerdurchbrecher", der Frau Mustermann und Herrn Professor friedlich vereint. Denn Ferrante vermag auch im dritten Band ihres "epischen Spektakels" gute Unterhaltung und große Gefühle mit künstlerischem Anspruch zu verbinden, schwärmt die Kritikerin, die hier erlebt, wie sich die soziale Kluft zwischen den mittlerweile dreißigjährigen Freundinnen Lila und Elena noch weiter öffnet: Während Elena mit einem florentinischen Professor verheiratet ist, darbt Lila nach der Trennung von ihrem gewalttätigen Mann zunächst in einer Fischfabrik und lässt sich schließlich mit der Mafia ein, verrät März. Neben aller Spannung bewundert die Rezensentin aber insbesondere, wie raffiniert und "subtil" Ferrante auf der Metaebene des Romans mit den Identitäten ihrer Figuren spielt: Ist Lila vielleicht nur ein Alter Ego von Elena? Hier kennt sich jemand in jedem Fall bestens mit Semiotik und Strukturalismus aus, lobt März.