Dieter Wellershoff

Das normale Leben

Erzählungen
Cover: Das normale Leben
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2005
ISBN 9783462036084
Gebunden, 314 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Was kann noch als normal gelten, wenn es keine verbindlichen Lebensformen mehr gibt, stattdessen aber die übermächtige Forderung an jeden Einzelnen, das Beste aus seinem Leben zu machen und sein persönliches Glück zu finden? Dieter Wellershoff hat einen so einfühlsamen wie kritischen Blick für die Illusionsanfälligkeit dieser Seelenlage, in der Leidenschaft und Sicherheitsbedürfnis, Hingabe und Abgrenzung, Wahrheitswunsch und Selbsttäuschung sich in widersprüchlichen, labilen Bindungen und Schattenspielen vermischen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.08.2006

Beeindruckt zeigt sich Rezensent Jörg Magenau von Dieter Wellershoffs Erzählband "Das normale Leben". Er würdigt den Autor als "Gentlemen-Erzähler", lobt dessen Stil als "immer korrekt" und "absolut formvollendet" und bescheinigt ihm einen genauen Blick für Atmosphäre und emotionale Gemengelagen. Die Texte über Eheverhältnisse, Liebesbeziehungen, ungelebte Wünsche und Sehnsüchte verdeutlichen für Magenau messerscharf das Prekäre jeder Normalität, die Illusion, etwas wie Normalität ließe sich herstellen. Auch wenn dies gelingt, scheinbar, so bleiben nach Ansicht Magenaus bei den Protagonisten in Wellershoffs Geschichten doch stets die Anstrengungen spürbar, die es kostet, Ordnung nach außen aufrechtzuerhalten.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.12.2005

Das Einzige, was Rezensent Michael Braun stört, ist das etwas "ältlich" wirkende, fast anachronistisch wirkende Milieu, in dem Dieter Wellershoffs Erzählungen spielen: westdeutscher Mittelstand, Golfclub-Ambiente, Beamtenstand, Galeristenszene, mit einem Personal, das Gerda oder Wolfgang heißt. Ein Hauch der 60er Jahre sei ihm beim Lesen entgegen geschlagen, berichtet der Rezensent. Andererseits braucht es wohl dieses Milieu, um dort "literarische Verhängnisforschung" zu treiben, wie Braun es nennt, also "bürgerlichen Daseinsverfehlungen" nachzugehen. Die zehn Erzählungen des Bandes, fast alle in jüngster Zeit entstanden, handeln von Ehebrüchen und Doppelleben, Fluchthandlungen und falschen Arrangements, erwischen ihre Figuren in einem Moment, in denen ihnen scheinbar alles zu entgleiten scheint, erfassen ihren "Sturz in den Ausnahmezustand", der sie die Sicherheit, die Normalität, manchmal sogar das Leben kostet. Wellershoff wähle dabei stets die personale Erzählperspektive, rede seinen Figuren nicht hinein (meistens jedenfalls) und beobachte sie ungemein präzise und dicht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.11.2005

Schon immer, so Rezensent Michael Braun, hätten Dieter Wellerhoffs Helden mit "masochistischer" Hingabe ihr unverwirklichtes Leben beobachtet, zumeist in Form des Liebeslebens. Auch die zehn Erzählungen dieses Bandes böten solche "Parabeln des Scheiterns", so der Rezensent, und erzählten immer aus "intimer" Innenperspektive die Wahrnehmungen und Empfindungen beispielsweise eines deprimierten Buchhändlers, oder einer vor der lesbischen Liebe fliehenden Lyrikerin, oder die möglicherweise "letzten Passionen" eines Redakteurs nach einem Herzinfarkt. Die Innenperspektive ermögliche es dem Autor dabei, weitgehend ohne "kommentierende Sentenzen" auszukommen, konstatiert der Rezensent. Ein weiteres Qualitätsmerkmal sieht Braun in der "Präzision und Dichte" von Wellershofs Prosa, die den Leser "in Bann schlägt". Einfach "nicht zu übertreffen", meint Braun, sei der Autor in seiner nun seit 40 Jahren andauernden Recherche "bürgerlicher Daseinsverfehlungen". Eher merkwürdig muten aus der Sicht des Rezensenten hingegen "soziokulturelle Milieus" aus den sechziger Jahren an, wenn man beispielsweise in die Oper gehe, oder Smoking trage, oder gar "Walter" heiße.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.11.2005

"Gediegen" und "altmodisch" wirken diese Erzählungen nur auf den ersten Blick, wirbt Rezensent Martin Krumbholz für den jüngsten Erzählband des Kölner Schriftstellers Dieter Wellershoff; sie haben bewusst etwas Unaufgeregtes, niemals Saloppes. Wellershoffs Art der Figurenzeichnung erscheint Krumbholz stets von äußerster Sorgfalt und geradezu "defensiv". Ein Autor, der Geduld, ja Verständnis für seine Charaktere aufbringt. Dazu brauche es Lebenserfahrung, meint Krumbholz, und davon besitze der mittlerweile 80-jährige Wellershoff ausreichend. Seine jüngsten Erzählungen handeln von Paaren, deren gescheiterten Ehen, von Trennungen, Liebschaften, von Entfremdung und Überbrückungsversuchen; sie zeichnen minutiös kleine Risse, Veränderungen, Versuchsanordnungen nach, die, so Krumbholz, nach "sauberen Lösungen" schreien würden, die Wellershoff aber nie anbiete. Kunstvoll belasse es der Autor bei Andeutungen, kleinen Bewusstseinsänderungen - "ein Gefühl für das Fehlende" stellt sich ein, meint der Rezensent und gibt zu: "Im Grunde ist alles gesagt." Mehr braucht "Das normale Leben nicht.
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