David Albahari

Die Ohrfeige

Roman
Cover: Die Ohrfeige
Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783821857855
Gebunden, 368 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann. Der Erzähler in David Albaharis neuem Roman hat viel Zeit. Einmal die Woche schreibt er eine Kolumne für eine Belgrader Zeitung, ansonsten macht er das, was viele in zerfallenden autoritären Regimen tun: Er macht sich unsichtbar. Was bleibt, sind die kleinen, täglichen Rituale, die ihn daran erinnern, dass das Leben wirklich vergeht: der morgendliche Spaziergang an die Ufer der Donau, die von Joints befeuerten philosophischen Gespräche mit Marko, seinem besten und einzigen Freund - und die langen, dunklen Nächte in seiner kleinen Wohnung, die er mit alten Vinylplatten von Cream, den Beatles und Marianne Faithfull teilt. Den Zumutungen des Alltags begegnet er mit einer humorvollen Melancholie, die sich als stoischer Fatalismus tarnt - bis eine zufällige Beobachtung seine Neugier weckt: Ein junger Mann ohrfeigt eine junge Frau...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.04.2008

David Albaharis Roman "Die Ohrfeige" hat Rezensent Sascha Michel überaus beeindruckt. Er würdigt ihn als eines der "kühnsten" Bücher des Autors, das ungemein komplex von der Milosevic-Ära in Serbien handelt. Die Ausgangssituation - ein Journalist beobachtet, wie eine junge Frau geohrfeigt wird, und schreibt Jahre später im Exil nieder, was diese Beobachtung bei ihm ausgelöst hat - scheint ihm zwar einfach und unspektakulär. Der Strudel der Ereignisse, in der der Protagonist hineingezogen wird, ist in seinen Augen dann aber höchst verwickelt, ja "unergründlich": die Grenzen von Einbildung und Wirklichkeit, von Paranoia und echter Gefahr verwischten immer mehr. So sieht Michel in dem Roman auch ein Buch über tiefen Zweifel an Sinnstiftung und Welterklärung überhaupt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.02.2008

Mit hohem Lob bedenkt Sonja Vogel diesen in Belgrad des Jahres 1998 spielenden Roman David Albaharis um einen jungen Journalisten, der durch eine anscheinend eigens für ihn inszenierte Ohrfeige in den Sog merkwürdiger Ereignisse gerät und dadurch zunehmend paranoide Züge annimmt. Im Verlauf der überaus "spannend" geschriebenen und "kunstvoll konstruierten" Geschichte, die Antisemitismus und Vertreibung im Jugoslawien der Bürgerkriege thematisiert, verwischen sich für Vogel mehr und mehr die Grenzen zwischen Einbildung und real Erlebtem, bis auch der Leser nicht mehr weiß, was wirklich passiert und was sich lediglich im Kopf des Protagonisten abspielt. Der Leser müsse selbst diese Grenzen durchdringen. Für Vogel ein "grandioser Roman".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.02.2008

Seit David Albahari im Exil im Kanada lebt, hat er sich von einem begabten Popliteraten zu einem ernsthaften Autor gewandelt, der sich "tiefgründig" mit dem Niedergang Jugoslawiens beschäftigt, lobt Friedmar Apel. Zum Glück nicht nur tiefgründig, sondern auch gut geschrieben. Albahari gelinge es nämlich, die mündliche Tradition des jüdischen Erzählens mit der europäischen und amerikanischen Technik des "erinnernden Schreibens" zu fusionieren. Ein Belgrader Journalist verstrickt sich durch die Liebe zu einem jüdischen Mädchen in Verschwörungstheorien und Kabbala-Kreise. Anhand der Unterdrückung der Juden in Serbien zeichne Alabahari nicht nur ein Bild der serbischen Mentalität, sondern erschaffe auch ein "poetisches wie bewegendes Kunstwerk".
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.01.2008

Als "Meisterwerk" und "grandiosen, am Rande des Wahnsinns delirierenden Monolog" feiert Rezensent Karl-Markus Gauß das neue Buch des in Kanada lebenden serbisch-jüdischen Autors und bekennt, tief in den von David Albahari virtuos konstruierten Strudel von Verschwörung und Gegenverschwörung geraten zu sein. Es geht Gauß zufolge um einen serbischen Journalisten und Schriftsteller, der eines Tages in den Sog rätselhafter Ereignisse gerät, die durch eine Ohrfeige ausgelöst werden, deren Zeuge Albaharis Held wird. Die Handlung sei so aberwitzig und verschlungen, dass er sich außerstande sehe, sie angemessen zu protokollieren, teilt uns der Rezensent atemberaubt mit. Denn die Geschichte führe den Leser auch tief in die Abgründe der jüdischen Geschichte auf dem Balkan, die Gauß zufolge auch eine Geschichte des Antisemitismus ist. Erlösung sei hier ebenso wenig wie Aufklärung zu erwarten, da Albahari seinen Roman meisterhaft in der Schwebe von "Politik und Kabbala, Aufklärung und planmäßiger Verwirrung, Erkenntnis und Rätsel" halte. Auch die Übersetzung von Mirjana und Klaus Wittmann wird für ihre "sprachschöpferische Intensität" hochgelobt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2007

Das Thema "Innere Emigration" ist für Rezensent Hans-Peter Kunisch nicht durch. Wie minutiös und aktuell sich damit umgehen lässt, kann er an David Albaharis Buch studieren, das den Antisemitismus während des Balkankrieges behandelt. Dem Autor, findet Kunisch, kommt seine doppelte Perspektive (als in Kanada lebender Serbe) dabei zugute. Als Leser sieht sich Kunisch hier mit einem Erzählprinzip konfrontiert, das nicht versöhnend wirkt, sondern Konkretes immer wieder durch Vages, Tatsachen immer wieder durch Zweifel unterläuft und die Reaktionsweisen der Hauptfigur in krisenhaften Versuchsanordnungen ausstellt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.09.2007

Ein großes Meisterwerk annonciert der Rezensent Andreas Breitenstein. Spätestens mit diesem jüngsten Roman sei der 1994 aus Serbien nach Kanada exilierte Schriftsteller David Albahari endgültig unter den ganz Großen der Gegenwartsliteratur angekommen. Den Schilderungen des Rezensenten ist zu entnehmen, dass die Geschichte des Romans nicht nur überaus kompliziert ist, sondern dass einem der unzuverlässige Ich-Erzähler die Entscheidung, was darin Realität ist, was Halluzination, oftmals unmöglich macht. Alles beginnt mit der titelgebenden "Ohrfeige" auf offener Straße in Belgrad, deren Zeuge der Ich-Erzähler (er hat keinen Namen) wird. Eine Zeitungsannonce und weitere als Zeichen lesbare Vorkommnisse nähren den Verdacht, diese Ohrfeige sei extra für ihn inszeniert. Ein Manuskript kommt ins Spiel, es geht um Kabbalismus, serbischen Antisemitismus, "Seelenwanderung, Sphärenmusik, Zahlenmagie". All das aber verstehe der Autor, so der Rezensent, schillernd und uneindeutig zu einem Werk zu komponieren, in dem die Motive einander spiegeln und überlagern, sich der eindeutigen Auflösung widersetzen. Die Nähe zum Paradox rücke Albaharis Schreiben in die Nähe Kafkas, meint Breitenstein, der dieses Urteil offenkundig sehr ernst meint. Schließlich handelt es sich seiner Überzeugung nach um einen "unfassbar großen, unheimlich komplexen Roman".