Dave Eggers

Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig?

Roman
Cover: Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig?
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2015
ISBN 9783462047721
Gebunden, 224 Seiten, 18,99 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Thomas ist ein Getriebener, der Antworten sucht. Antworten auf die Fragen, die er sich als junger weißer Amerikaner, der aus vielen Rastern fällt, selbst stellt. Und Thomas hat nur ein Mittel, diese Antworten zu finden: Er fragt. Er entführt nacheinander Menschen in eine stillgelegte Militäranlage, kettet sie dort in alten Baracken an und fragt. Fragt einen Astronauten, warum er nie zum Mars geflogen ist. Fragt einen Kongressabgeordneten, wie er die Zukunft des Landes sieht. Fragt seine Mutter, warum sie ihn auf ein Leben vorbereitet hat, das nicht existiert. Und er fragt, warum sein Freund Don unschuldig sterben musste. Thomas gerät immer tiefer in den Strudel der Sinnfrage, bis er den Verstand zu verlieren droht. Dave Eggers zeigt uns einen verzweifelten jungen Amerikaner, der seinen Platz im Leben nicht finden kann und der herausfinden will, worin seine Aufgabe auf diesem Planeten besteht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.05.2015

Katharina Granzin fühlt sich provoziert von diesem Buch des amerikanischen Autors Dave Eggers, das keinen Roman für sie darstellt, sondern eine einzige Textoberfläche aus Dialogen, die der Protagonist mit lauter von ihm angeklagten Menschen führt, mit einer Krankenschwester ohne Mitgefühl, mit seiner Mutter, die ihn vernachlässigt hat usw. Seine schlussfolgernde Reaktion ist eine extreme Tat, die Granzin nicht verrät, die sie aber zum Nachdenken und zur Positionierung drängt. Schroff und sperrig bei aller Kürze kommt ihr das vor, aber auch gut lesbar in seiner Ungekünsteltheit, sodass sie aufpassen muss, nicht die "inhaltlich bequemste" Haltung zu den im Text aufgeworfenen existenziellen Fragen einzunehmen. Genau dieses moralisch Fordernde ist es auch, was sie an dem Text vor allem reizt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.04.2015

Recht verhalten fällt Sabine Vogels Besprechung des neuen Eggers aus, der ihrer Ansicht nach im vergangenen Jahr mit seiner Silicon-Valley-Satire "Circle" zwar den Roman zur drängendsten Debatte, aber wahrlich kein literarisches Meisterwerk vorgelegt hat. Auch sein neues Werk fällt wieder ins Genre des gesellschaftskritischen Thesenromans, doch sortiert Eggers die von ihm darin behandelte Sachlage diesmal zumindest dem ersten Anschein nach etwas komplexer, so die Kritikerin: In seinem rein dialogisch erzählten Roman entführt ein umsichtiger Mann Mitte Dreißig eine Gruppe Menschen und befragt diese nach ihren Verfehlungen und unerfüllten Lebensträumen, refereriert Vogel. Der Entführer steht in ihren Augen stellvertretend für eine ganze Heerschar junger Männer, die orientierungslos, mit Wut im Bauch und ohne Zielvorgaben in der Gesellschaft ankommen. Überzeugend findet sie das allerdings vor allem auch stilistisch und strategisch nicht: Der Ruch von "pädagogisch-propagandistischem Proletkult-Theater" geht ihr, genauso wie das etwas banale Fazit des Romans, ziemlich auf die Nerven.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.04.2015

Für einen Roman wie "Eure Väter, wo sind sie?" braucht es schon Allmachtsfantasien, ein kindliches Gemüt und amerikanischen Patriotismus auf einmal, staunt Rezensent Christopher Schmidt, der David Eggers eben diese Eigenschaften bescheinigt. Das beste, was man zur Verteidigung dieses Buches sagen könne, sei, dass es sich um ein "nachgereichtes Nebenwerk" zum Bestseller "Der Circle" handelt, das den Autor zum "Evangelisten der Internetkritik" und amtlichen Moralapostel ausstaffierte, höhnt der Rezensent. Letztlich sei der Roman ein "narratives Privat-Guantanamo", in dem der Autor in Gestalt seines Protagonisten Thomas Strohpuppen-Geiseln über die Missstände in der amerikanischen Gesellschaft ausfragen kann, die diese marionettenhaft kommentieren, kritisiert Schmidt und warnt: "Umblättern nützt hier nichts".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.04.2015

Seit Frank Schirrmacher in einer seiner letzten Anwandlungen Dave Eggers' Google-kritischen Roman "The Circle" hochjubelte, gilt Eggers in Deutschland als bedeutender Autor. Dieser Eindruck bestätigt sich in Jan Wieles Lektüre von Eggers' neuestem "Roman" allerdings nicht. Roman in Anführungszeichen, denn, so Wiele, es ist eine rein dialogische Konstruktion - ein Entführer unterhält sich mit seinen Opfern - , so dass es eher an Theater oder ein Drehbuch erinnert. Es handelt sich um einen hochmoralinsauren Entführer, wenn man Wiele glauben will, der in seinen Dialogen mehr Finger in amerikanische Wunden legt, als er an den Händen hat. Wiele geht's auf die Nerven, er findet's trocken, didaktisch, aufdringlich. Ja, am Ende fragt er sich ernstlich, ob die pädagogische Maxime, nach der es keine dummen Fragen gebe, Bestand hat.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 02.04.2015

Rezensentin Susanne Gaschke reagiert in ihrer Kritik höchst allergisch auf den Helden dieses Romans. Aber das muss man als Kompliment verstehen, denn Eggers hat sein Können darauf verwendet, ein egozentrisches, besserwisserisches, moralisierendes Ekelpaket zu zeichnen, das sich von all den rechts, links und in der Mitte angesiedelten Moralaposteln nur dadurch unterscheidet, dass es auch noch gewalttätig ist. Thomas, so sein Name, entführt eine Reihe von Personen - einen Kongressabgeordneten, seinen ehemaligen Lehrer, die Frau seiner Träume - und zwingt ihnen - sonst Taser! - Diskussionen über Gott und die Welt auf. Damit der Leser sich nicht allzu bequem distanzieren kann, hat Eggers dem Geschwätz eine Prise Plausibilität zugefügt. Das macht die Sache schön unbehaglich. Wenn Thomas am Ende erschossen wird, vergießt die Rezensentin keine Träne.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 01.04.2015

Dave Eggers schreibt kritische Romane, die sich mit den Problemen der modernen Industriegesellschaften beschäftigen, so eine gängige Fehleinschätzung, meint Alexander Cammann. Aber wie schon "Der Circle" zuvor, demonstriert "Eure Väter, wo sind sie?", warum Eggers' Art von Kritik weitestgehend harmlos bleibt, da sie nur "zielgruppengerecht affirmativ" der ohnehin schon kritischen Haltung einer antizipierten Leserschaft begegnet, erklärt der Rezensent. Ästhetische Beunruhigung bleibt aus, kritisiert Cammann, und die tut Not, wenn Literatur die Welt verändern will, wie er weiß.