Daniel Kehlmann

Du hättest gehen sollen

Cover: Du hättest gehen sollen
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2016
ISBN 9783498035730
Gebunden, 96 Seiten, 15,00 EUR

Klappentext

Ein einsam gelegenes Ferienhaus. Tief unten das Tal mit seinen würfelkleinen Häusern, eine Serpentinenstraße führt hinauf. Das kalte Blauweiß der Gletscher, schroffer Granit, die Wälder im Dunst - es ist Dezember, Vorweihnachtszeit. Ein junges Ehepaar mit Kind hat sich für ein paar Tage dieses komfortable Haus gemietet, doch so richtig aus der Welt sind sie nicht: Das Kind erzählt wirre Geschichten aus dem Kindergarten, die Frau tippt Nachrichten auf dem Telefon, und der Mann - ein Drehbuchautor, von dem ein Produzent den zweiten Teil seiner erfolgreichsten Komödie erwartet - schreibt Ideen und Szenen in sein Notizbuch. Aber mehr und mehr notiert er auch anderes - eheliche Spannungen, Zwistigkeiten, vor allem die seltsamen Dinge, die rings um ihn geschehen. Denn mit dem Haus stimmt etwas nicht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 25.11.2016

Fasziniert berichtet Judith von Sternburg von ihrer Lektüre von Daniel Kehlmanns kurzer Schauergeschichte, 95 Seiten bloß lang und scheinbar mühelos, wobei die Rezensentin von hunderten weiteren verworfenen Seiten weiß. Die Zutaten der Geschichte sind sattsam bekannt, aber in der Variation des Bekannten besteht bekanntlich der Reiz von Genreliteratur, und wie Kehlmann hier ganz lässig, geradezu "beunruhigend entspannt" und aufreizend unraffiniert Spannung aufbaut, das ist dann doch schon wieder ganz schön raffiniert, meint die bestens unterhaltene Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 12.11.2016

Martin Ebel staunt, wie Daniel Kehlmann sein Faible für den Schauder in der Literatur in dieser Erzählung fruchtbar macht, indem er das Unheimliche und das Über- und Metafiktionale miteinander verschränkt. Der Autor lässt darin Zitate an Kings "Shining" anklingen, verrät Ebel, der die Kritik an der vermeintlichen Schwäche des Gänsehautfaktors in Kehlmanns Text pariert, indem er erklärt, dass es darum nicht geht. Statt auf die blutige Axt setze der Autor auf das Grauen durch den Verlust des Verlässlichen, in den persönlichen Verhältnissen, bei den Dimensionen, die Zutaten des Gruselgenres nutze er nur als spielerische Geste, so Ebel. Auch ohne Blut, Todesangst und Brutalität lernt Ebel das Gruseln, dadurch, dass der Autor den Leserkopf zum Spukhaus macht und damit die Schauerliteratur vorantreibt, wie der Rezensent anmerkt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.10.2016

Dass Daniel Kehlmann lieber allgemein verständlich als "überkandidelt" schreibt, selbst wenn das mitunter ein wenig schlicht ausfällt, will Rezensent Jan Wiele dem Autor gar nicht ankreiden. Dass er die Sprache allerdings in eine komplizierte Form presst, die mittels innerem Monolog und Montage zwischen Tagebucheinträgen, Sinneseindrücken, fiktionalen Entwürfen und Dialogen mäandert, stört Wiele, der bald nicht mehr ganz folgen kann, schon eher. Zwar geht es in dieser fantastischen Horrorgeschichte um eine junge Familie, in deren Ferienhaus es plötzlich zu spuken beginnt, genau um die Grenze zwischen normalem Wahnsinn und "massivem Wahn", klärt der Kritiker auf. Dass Kehlmann aber auf bekannte Motive von David Lynch oder Francois Ozon zurückgreift, findet der Rezensent nicht gerade originell. Und so hält sich seine Spannung während der Lektüre in Grenzen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 21.10.2016

Rainer Moritz legt Daniel Kehlmanns Schauerroman schnell wieder beiseite. In "Du hättest gehen sollen" erzählt ein Drehbuchautor von seiner Schreibblockade und dem Urlaub, zu dem er mit Frau und quengelnder Tochter in die Berge aufbricht. Das Ferienhaus stellt sich bald als recht unheimlich heraus, und Moritz entgehen die Anspielungen an Stephen Kings "Shining" nicht. Schade nur, meint Moritz, dass Kehlmann "wenig Geschick zeigt, ein unheimliches Szenario aufzubauen". Stets behaupte er nur die Angst und den Schrecken seiner Figuren oder greife auf die Motive aus dem Standardsatz zurück, moniert Moritz, der das weder fantastisch noch unheilvoll findet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.10.2016

Selten hat Rezensentin Ursula März Daniel Kehlmann so raffiniert erlebt wie in dieser Spukgeschichte, die sie in finstere Abgründe führt. Großartig, wie der Autor zunächst mit der realistischen Milieuschilderung eines ständig streitenden Mittelschichts-Ehepaares einsteigt, um dann ein "klaustrophobisches Horrorkabinett" zu entwerfen, in dem er geschickt mit Realitätsebenen spielt und den Leser in immer tiefere Zweifel verstrickt, lobt die Kritikerin. Kehlmanns beeindruckende Menschenkenntnis und seine präzise, nüchterne und entspannte Sprache sorgen zudem dafür, dass die Rezensentin mehr gelesen hat als nur kühl konstruierte Prosa.