Claudio Magris

Verfahren eingestellt

Roman
Cover: Verfahren eingestellt
Carl Hanser Verlag, München 2017
ISBN 9783446254664
Gebunden, 400 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Ragni Maria Gschwend. Für sein "Kriegsmuseum zum Zwecke des Friedens" sammelt ein Mann in Triest Kriegsgeräte aller Art. Sie erzählen die Geschichten derer, die damit getötet haben oder getötet wurden. Als Jahre später das Museum bei einem Brand zerstört wird, versucht Luisa, Tochter einer Jüdin und eines afroamerikanischen Leutnants, es zu rekonstruieren. Dabei wird nicht nur die Geschichte ihrer Vorfahren zwischen Diaspora und Sklaverei wieder lebendig, sondern auch die von San Sabba, dem einzigen Konzentrationslager Italiens. Doch die Kraft des Vergessens erscheint ungeheuer: die Verbrechen wurden vertuscht, die Verfahren eingestellt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.06.2017

Ein "erzählerisches Ungetüm" nennt Rezensent Franz Haas Claudio Magris' neuen Roman und attestiert ihm gleichzeitig eine filigrane Struktur und sprachliche Raffinesse, eine Kombination, die in der Literatur selten ist. Es ist ein eigener Organismus, dieses Buch, das schlagende Herz der Geschichte ist ein Museum in Triest und seine Kuratorin, Tochter einer jüdischen Italienerin und eines schwarzen amerikanischen Besatzungssoldaten, lesen wir. In ihr vereinen sich die verschiedenen Erzählströhme, deren zwei Hauptadern durch die Konzentrationslager der NS-Zeit und die Sklavenhöfe Amerikas verlaufen. Haas findet viele lobende Worte für dieses Buch und seinen Autor, lediglich die mitunter allzu forcierte Aktualität bemängelt er, was seine Leseempfehlung jedoch kaum einschränkt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.05.2017

Rezensentin Nicole Henneberg ist ganz hingerissen von Claudio Magris' neuem Roman "Verfahren eingestellt", der ihr auf ebenso "kunstvolle" wie "berührende" Weise die Geschichte der Hafenstadt Triest erzählt. Die Kritikerin taucht hier in das in Triest seit 2014 tatsächlich existierende "imaginäre Museum" ein, dessen Exponate von Magris' Heldin Luisa kuratiert und in Geschichten und imaginären Streitgesprächen mit Leben gefüllt werden. Wie Magris hier Triester Geschichte von sämtlichen Ereignissen des Habsburgerreiches bis zur deutschen Besatzung der Stadt im Jahre 1943 anschaulich werden lässt, dabei eine Kulturgeschichte der Gewalt entwickelt, in deren Zentrum die Ereignisse um die von der SS als Standort für Folterzellen und mobile Gaskammern genutzte Reisfabrik Risiera stehen und diese mit Luisa Familiengeschichte verknüpft, ringt der Rezensentin größte Anerkennung ab. Und so erscheint ihr dieser den Leser "verschlingende" Roman wie ein "Welttheater", reich gefüllt mit "gelehrten" Exkursen über Flora, Kolonialpolitik, Bildungsgeschichte oder historische Grenzgänger. Gelegentliche Abschweifungen kann Henneberg nicht zuletzt dank der "eindringlichen" Bilder gern verzeihen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.04.2017

Rezensent Volker Breidecker kommt aus dem Schlamassel dieses Romans von Claudio Magris nicht mehr heraus. Unklar, ob damit die Kühnheit der Komposition aus vielen kleinen Kapiteln und ausschweifenden Langerzählungen gemeint ist oder die beklemmende Geschichte um einen Triester Militaria-Sammler, der den SS-Verbrechen in seiner Stadt auf der Spur ist, die der Autor erzählt. Klar scheint Breidecker, dass der Autor sich hier gekonnt seiner Dämonen entledigt. Schade nur, meint er, dass kein findiger Lektor die allzu überwältigende Metaphernflut und die Redundanzen im Buch bändigen konnte. Das Gewirr aus Stimmen und Objekten, Exponaten und Notaten aus allen Wissensgebieten, das der Autor "grandios durchrhythmisiert" erschafft, wäre für den Rezensenten anderenfalls viel reizvoller geworden. Die Übersetzung immerhin scheint Breidecker kongenial.
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