Annett Gröschner

Walpurgistag

Roman
Cover: Walpurgistag
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), 2011
ISBN 9783421045058
Gebunden, 443 Seiten, 21,99 EUR

Klappentext

Es ist der 30. April in Berlin, die Stadt bereitet sich auf die alljährlichen Krawalle in der Walpurgisnacht vor. Für Annja Kobe ist damit der Zeitpunkt gekommen, von der Polizei unbemerkt mit ihrem Vater umzuziehen, der seit zehn Jahren und fünf Monaten tiefgefroren in einer Kühltruhe liegt. Sie bittet Alex um Hilfe, einen Stadtstreicher, der Berlins Schlupflöcher so gut kennt wie kein anderer. Auf ihrer Tagesreise durch die Stadt kreuzen sie die Wege von Menschen, die wegen neuer Besitzverhältnisse die Wohnung wechseln müssen, Gas ablesen oder Taxi fahren, zur Schule gehen oder sie schwänzen, sich auf der Flucht vor der großstädtischen Einsamkeit in Blind Dates stürzen oder glauben, die Welt durch Aktionstheater verbessern zu können. All diese Lebensgeschichten verweben sich zu einem dichten Netz, das sich über die Stadt legt, sodass Berlin selbst zu einem der Protagonisten wird, seine Gegenwart wie Vergangenheit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.04.2012

Annett Gröschner "Walpurgistag" scheint Wolfgang Schneider etwas durchwachsen. Der Roman, der an einem einzigen Tag, dem 30. April 2002, in Berlin spielt, ist für ihn eine Art Berliner "Short Cuts". Dass sich die drei Dutzend Figuren, die sich in dem Buch tummeln, immer wieder begegnen, erinnert ihn an die Dramaturgie von Seifenopern. Den Vergleich mit Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz" hält er für unpassend: in diesem sieht er einen Hymnus auf eine dynamische Metropole, in Gröschners "Walpurgistag" eher einen "Verliererblues", in dem Zukunft nicht vorkommt, dafür umso mehr DDR-Vergangenheit. Auch die Figuren überzeugen ihn als Romangestalten nicht wirklich. Nichtsdestoweniger hält er das bisweilen recht witzige Werk als "Doku-Fiktion" für "lesenswert", liefert es doch eine "dichte Beschreibung" des Berliner Alltags voll von präzisen Beobachtungen und Details.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.10.2011

Annett Gröschners neuer Berlin-Roman "Walpurgistag" hat Rezensent Hans-Peter Kunisch wirklich überrascht. Denn der Autorin gelinge es auf bewundernswerte Weise gleich mehreren Ansprüchen gerecht zu werden: mit der Verbindung aus Poesie und "journalistischem Aktualitätsbedürfnis" hebe sich Gröschners Geschichte nicht nur von den zahlreichen Berlin-Romanen ab, sondern könne zugleich auch als Vorläufer der 24-Stunden-Dokumentarsendung, die das Berliner Großstadtleben eines Tages und einer Nacht veranschaulichte, gelesen werden. Gröschner lasse ihre Erzählung in der Nacht des 30. Aprils 2002 beginnen - bereits vor zehn Jahren hatte die Autorin in einer Radiosendung die Hörer aufgerufen, zu erzählen, wie sie diesen Tag erlebten - und begleite ihre Figuren von da an durch die verschiedenen Berliner Bezirke. Protagonisten wie die ostdeutschen Rentnerinnen Frau Menzinger und Frau Köhncke, die Schauspielerin Viola Karstädt und insbesondere der Obdachlose Alex erscheinen dem Kritiker wie Leute, die bei der Berlin-Entwicklung "auf der Strecke geblieben" sind. Davon erzähle Gröschner mit viel Witz und "Berliner Lokalkolorit", so der begeisterte Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.09.2011

Ein "gewaltiges, leicht schmuddeliges Panorama einer Stadt, die nur in Imagefilmen wirklich sexy ist", liefert Annett Gröschner in ihrem Berliner Episodenroman, der Ulrich Rüdenauer ein wenig an Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz" erinnert. Elegant bewegt sie sich dabei, meint Rüdenauer, zwischen hartem Hauptstadtrealismus, der sich direkt ins soziale Dickicht begibt und dem Surreal-Grotesken, das Gröschner in der Bürgersteig-Alltäglichkeit entdeckt. Auch die Figuren gefallen Rüdenauer - sei es die Gruppe Berliner Damen, die sensationshungrig durch die Stadt flaniert, oder der mit der Bierflasche umherziehende Harz-IVler. Jeder lebt auf seine Weise in dieser Großstadtexistenz, die Rüdenauer schlicht "Durchwurschteln" nennt. Das Ganze entspringt nicht allein Gröschners Imaginationstalent, wie Rüdenauer bemerkt, sondern ist das Ergebnis eines Radio-Aufrufs, in dem die Autorin vor etwa zehn Jahren die Berliner dazu motivierte, aufzuschreiben, wie sie ihren 30. April erlebt haben. Ein guter Tag für die Literatur, denn daraus ist ein "fulminanter Großstadtroman" entstanden, lobt Rüdenauer.