Aleksander Wat

Jenseits von Wahrheit und Lüge

Mein Jahrhundert. Gesprochene Erinnerungen 1926-1945
Cover: Jenseits von Wahrheit und Lüge
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783518411896
Gebunden, 694 Seiten, 29,65 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Esther Kinsky. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Matthias Freise. Im Gespräch mit dem polnischen Nobelpreisträger Czeslaw Milosz erzählt Aleksander Wat von seinem Leben in der polnischen Republik der Zwischenkriegszeit und von seinem Schicksal in der Zeit von 1939 bis 1945. Aleksander Wat, Schriftsteller und Publizist jüdischer Herkunft, gilt als Schlüsselfigur der polnischen Dichtung des 20. Jahrhunderts. Begeisterter Anhänger des Kommunismus in den zwanziger Jahren, wandte er sich später davon ab und brachte nach seiner Flucht vor der Nazi-Okkupation ins russisch besetzte Polen beinahe die ganze Zeit des Zweiten Weltkriegs in sowjetischen Gefängnissen zu. Dort lernte er das System von seiner unmenschlichsten Seite kennen, und dort begegnete er Hunderten von Leidensgenossen: darunter ukrainische Bauern, polnische Arbeiter, jüdische Schuster, russische Banditen, vor allem aber Schriftstellerkollegen und Philosophen, mit denen er lange Gespräche führte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.05.2001

Dickes Buch - lange Besprechung. Und das gehört auch so, zumal, wenn dem Autor, wie es Kurt Oesterle sagt, eine der besten Totalitarismus-Bilanzen gelingt, wenn er darüber hinaus eine der Solschenizyn'schen ebenbürtige Gefangenenliteratur schafft und zugleich und wie nebenbei noch ein Panorama des 20. Jahrhunderts (aus seltener polnischer Sicht!) entwirft - und alles in einem einzigen Buch! Die "sperrigen Eigentümlichkeiten", von denen Oesterle berichtet und die im Wesentlichen mit dem Umstand zusammenhängen, dass dieses Buch von seinem Autor "nicht geschrieben, sondern in vierzig Sitzungen auf Band gesprochen" wurde, müssen da winzig wirken. Und für das eigentliche Handikap des Unternehmens - die beklagenswerte Unbekanntheit seines Urhebers -, kann letzterer nun wirklich nichts.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.10.2000

Felix Philipp Ingold hat so seine Schwierigkeiten mit den ursprünglich auf Tonband gesprochenen Erinnerungen des polnischen Dichters Aleksander Wat (eigentlich Chwat, 1900-1967), die jetzt - gekürzt - auf Deutsch vorliegen. Offenkundig hält er den “intellektuellen Martyrolog” des Exkommunisten, der nach dem II. Weltkrieg viele Jahre im Gefängnis verbrachte, für ziemlich bedeutend, ist aber in seiner langen Besprechung nachhaltig irritiert von Wats Selbstbezogenheit und der Nichtigkeit seiner Aussagen über den Stalinismus und die Dichtkunst. Als roten Faden des turbulenten, völlig unchronologischen Textes macht er die “Dominanz der ästhetischen Wahrnehmung gegenüber dem ethischen oder logischen Urteil” aus. Kennzeichen des real existierenden Sozialismus ist für Wat die “Hässlichkeit”. Mitgefangene sieht er als literarische Figuren aufs Schafott steigen. Ingold ist das alles einen prima Neologismus wert: Es handelt sich um ein “höchst verwirrendes Wimmelbild”.
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