Alberto Mendez

Die blinden Sonnenblumen

Roman
Cover: Die blinden Sonnenblumen
Antje Kunstmann Verlag, München 2005
ISBN 9783888974038
Gebunden, 186 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Angelica Ammar. In vier miteinander verwobenen Episoden erzählt Mendez vom Grauen des Spanischen Bürgerkrieges. Für die republikanischen Spanier wurde er ein Kreuzweg, der Tausende in die Gefängnisse und vor die Gewehrläufe des Erschießungskommandos brachte. Mendez beschreibt vier exemplarische Niederlagen. Die Helden dieser Geschichten vereint das staunende Entsetzen über die Gewalt der Sieger, die ihnen, wie den Sonnenblumen das Licht, die Luft zum Atmen nimmt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.04.2006

Schreckliche Geschichten erzähle der Roman aus einer schrecklichen Zeit für Spanien, den vierziger Jahren nach dem Bürgerkrieg, berichtet Rezensent Albrecht Buschmann. Auf verblüffende Weise gelinge es dem Autor, in ihrem Grauen eigentlich fantastisch anmutende Lebensschicksale durch wechselnde Erzählerstimmen plausibel darzustellen. Zum Beispiel flieht ein junger Lyriker mit seiner Frau in die Berge Nordspaniens, wo diese ein Kind zur Welt bringt. Zuletzt werden alle drei tot unter der Schneedecke aufgefunden, daneben auch das Tagebuch des Lyrikers. Hier und auch bei den anderen lose verknüpften Schicksalen verstehe es Mendez, durch den Wechsel von erzählerischer Nähe über die Tagebücher und distanzierter Rahmenfiktion die nötige "Balance" zu halten. So vermeidet Mendez es zur Freude des Rezensenten - im Gegensatz zu vielen andern Büchern über den Bürgerkrieg -, sich an den grauenvollen Lebensläufen "zu vergreifen".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.04.2006

Ein eindrucksvolles und ungewöhnliches Buch sei der einzige veröffentlichte und posthum ausgezeichnete Roman des 2004 verstorbenen Spaniers Alberto Mendez, lobt Hans-Peter Kunisch. Anhand von vier Schicksalen, die als "Niederlagen" geschildert werden, beleuchte Mendez die Zeit des spanischen Bürgerkriegs zwischen 1939 und 1942. Die ineinander verwobenen Erzählungen seien "radikal verknappte Verlierergeschichten", kompromisslos und authentisch, in der Form schwankend zwischen Brief und Erzählung. Ein ranghoher Militär werde dabei ebenso vor moralisch-politische Entscheidungen gestellt wie der Bauer Eulalio oder ein Laienpriester. Ein Buch das "tief vernarbte Wunden wieder aufreißt, um sie erst einmal richtig anzusehen" schreibt Hans-Peter Kunisch.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.12.2005

Alberto Mendez' "Die blinden Sonnenblumen", das in vier "locker" verbundenen Episoden von Schicksalen von Franco-Gegnern erzählt, sind allesamt "Etüden der Niederlage", stellt Kersten Knipp fest. Darin wird allen Protagonisten "die Rettung versagt" und ihr Tod als "unausweichlich" dargestellt, während sich ihre fiktiven Briefe, Nachlässe und Tagebücher, aus denen die Geschichten aus der Franco-Zeit in Spanien bestehen, als "literarischer Rekonstruktionsversuch" entpuppen, erklärt der Rezensent. Dass die Schicksale der Opfer des Bürgerkriegs "allenfalls bruchstückhaft" dargestellt werden können, dieses Wissen teilt der Autor mit vielen anderen Schriftstellern seiner Generation, so Knipp, der in den Episoden dennoch einen "Triumph der Erinnerung über das Vergessen" bewundert. Berührt stellt er fest, dass bei Mendez dem physischen Ende seiner Figuren stets eine lange Zeit der "seelischen Martern" vorausgeht, die in "harter, naturalistischer Sprache" beschrieben wird. Dieser "pseudodokumentarische Erzählstil" erzeugt neben der Wirkung von "historischer Aufrichtigkeit" auch einen die Handlung vorantreibenden Sog, den der beeindruckte Rezensent in der letzten Episode, in dem ein in einer winterlichen Berghütte eingeschlossener Mann mit seinem kleinen Sohn ums Überleben kämpft, als "am eindrucksvollsten" ausgeführt lobt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.12.2005

Katharina Granzin zeigt sich von diesem Roman, der in den ersten Jahren der Franco-Ära spielt, sehr berührt und tief beeindruckt. Alberto Mendez, der im letzten Jahr wenige Monate nach dem Erscheinen seines späten Debütromans starb, gelang mit diesem Buch ein "Überraschungscoup" und wurde mit wichtigen Preisen geehrt, teilt die Rezensentin mit. Sie preist an diesem Roman vor allem, dass er "Dinge vorstellbar" macht, die undenkbar schrecklich sind, und die dennoch wegen ihrer poetischen Verdichtung noch "ästhetischen Genuss" vermitteln, wie sie schwärmt. Die "lakonische Präzision" der Sprache und die "Poesie des bewusst erlebten Augenblicks", die sich über die sämtlich in "Todesnähe" befindlichen Figuren der Episoden vermittelt, faszinieren die Rezensentin, die sich auch vom "virtuosen Umgang" des Autors mit den unterschiedlichen Reflexionsebenen sehr beeindruckt zeigt. Als eine der Haupt-Metaphern des Romans erkennt sie das "Lebendig-Begrabensein", so wie es dem Protagonisten der ersten Episode widerfährt, denn auch alle anderen Protagonisten bewegen sich in diesem Roman in geschlossenen Räumen, die ihre Freiheit einschränken, erklärt Granzin. Sie kann sich auch vorstellen, dass dieses Buch im Stande ist, endlich die "Trauerarbeit" einzuleiten, die für die Franco-Zeit in Spanien immer noch aussteht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.10.2005

Die Rezensentin Barbara von Becker ist auf jedem Fall beeindruckt von diesem literarischen Vermächtnis des kurz nach Erscheinen des Romans in seiner Heimat Spanien verstorbenen Autors Alberto Mendez: Sie traut es diesen "vier kurzen, locker untereinander verbundenen Erzählungen" zu, "nachhaltige Spuren in das Gedächtnis seines Landes zu graben". Thema der Geschichten - der Roman ist das einzige Buch des gegen Franco opponierenden Mendez, der sonst als Verleger arbeitete - sind die von Sieg Francos aufgerissene gesellschaftliche Gräben und die dazugehörigen menschlichen Dramen: Durch "Sätze und Gedanken von herber poetischer Schönheit" gebe Mendez den Opfern des Regimes ein Gesicht und damit etwas von ihrer Menschenwürde zurück. In den Augen der Rezensentin wird der Autor mit diesem Band "zu einem Anwalt dieser Sprachlosen".