Vorgeblättert

Leseprobe zu Esther Kinsky: Am Fluss. Teil 3

31.07.2014.
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Markt


Die Märkte in London waren, wie ich nach wenigen Monaten erkannte, Randzonen der Zwielichtigkeit und Zweideutigkeit, nichts war so, wie es dem herkömmlichen Marktbesucher auf den ersten Blick und in der Erwartung seiner Gepflogenheiten aus anderen Gegenden der Welt erscheinen mochte. Weniger Orte des Handels, des Hin und Her von Geld und Gut, waren die Märkte vielmehr abgeschlossene Kreisläufe, ein jeder für sich ein Schiff auf dem Meer der von den Regeln der Einheimischkeit beherrschten Straßen der Stadt, mit eigener Besatzung, die den Kreislauf in Gang hielt. Die Marktmenschen verstanden es, nach den von ihnen aufgestellten und ungeschriebenen Regeln ein Theater von Austausch, Umsatz, Geschäftigkeit zu betreiben, das manch lüsterndem, hungrigem, bedürftigem Käufer oder Sucher eine langlebige Illusion bereiten mochte, denn auch die sich immer wiederholende Entdeckung, daß das auf dem Markt Erstandene und nach Hause Geschleppte und Geschleifte sich dort, fern des Marktes als etwas ganz Anderes, Substanzloses oder Verdorbenes entpuppte, brachte wenige auf den Gedanken, es könnte sich um eine trügerische Schaustellerei handeln. Auch wenn von dem frischblutigen Schafsbein, einer gewaltigen gelbrötlichen Mangofrucht oder einem praktischen Tauchsieder bei der Ankunft zu Hause nur noch eine Art Schatten am Boden der Einkaufstasche geblieben war, schrieben die Marktbesucher das selten den Marktmenschen zu, sondern den Umständen außerhalb des Marktes, dem Gedränge in den Bussen oder der Untergrundbahn, dem heftigen Wind, dem unbeständigen Klima, das auf dem Weg vom Markt nach Hause gleich mehrere für empfindliches Gut verhängnisvolle Wetterumschwünge beschert hatte. Vielleicht fanden sich auch einfach viele stillschweigend damit ab, daß dieser Schwund, diese galoppierende Auszehrung und Minderung, die die erworbenen Dinge auf dem Heimweg befielen, ein Preis war, den man zahlen mußte, um Teil des Marktgeschehens zu sein, eine Gebühr, die die in keinem Verhältnis zu den außerhalb des Marktes geltenden Preisen stehende Billigkeit rechtfertigte. Jeder, der einmal Zeuge des Marktauf- und abbaus wurde, konnte keinen Zweifel an der Nebenwirklichkeit dieser Orte haben, die in solcher Geschwindigkeit am Vormittag erschienen, als habe man nur einen kompletten Satz Requisiten - mit Schafshälften, Mangokisten, Tauchsiedern, Heil- und Zaubermitteln, fremdländischen Gewürzen und Früchten und ihren Händlern - aus Luken und Verschlägen gezogen, und am frühen Abend wieder verschwanden, als sei die ganze Szenerie auf einen Fingerzeig hin und mit einem Streich wieder in eben diese Luken und Verschläge geschoben worden. Nur eine kleine Schar fegender, schrubbender Bühnendiener blieb zurück, um im tagtäglichen Marktepilog die Abfälle der Vorstellung wie Fischschuppen, Flossen, Knöchlein und zertretenes Obst in die Gosse oder große Müllbehälter zu befördern.
     Berwick Street, Ridley Road, Chapel Street oder Electric Lane waren Namen dieser Freilufttheater, wo man in anderen Sprachen sprach als ringsum, sich mit anderen Gesten und Gebärden verständigte und anderes im Sinn hatte als auf den Straßen und Plätzen außerhalb der Märkte. Ich suchte die Märkte immer häufiger auf, weil mich, so wie sicher die meisten Marktbesucher, dieses halbverstohlene Spiel der Gebärden und Blicke anzog wie ein Tanz, dessen Abfolgen und Regeln man nicht ganz versteht. Man sieht den Tanzenden zu - beim Tauschen, Verleihen, Entwenden mit gespielter Heimlichkeit, beim Verschwindenlassen und Hervorzaubern, beim Beschwindeln und täuschenden Beteuern - lernt die Schritte und Schrittwechsel, sieht das Eintreffen des Vorhersehbaren, und bleibt trotzdem ahnungslos. Es war ein Spektakel der Fremde, in dem ich mich dank meiner eigenen Fremdheit aufgehoben fühlte, und gelegentlich dämmerte mir, daß es manchem so gehen mochte, daß die Fremde das Schwungrad des Betriebs war, in welchem die Marktmenschen diejenigen waren, die sich die Handgriffe dieses Mechanismus mit Geschick und Findigkeit zueigen gemacht hatten. Ich kaufte selten etwas, streifte nur mit den Händen über möglichst vieles, um Spuren der Dinge davonzutragen und meinen Fingern die Gelegenheit zu geben, sich diese Beschaffenheiten einzuprägen und zur Erinnerung zu machen. Als Kaufunwillige war ich bei den Marktmenschen nicht sehr beliebt, sie brauchten Käufer für ihr Spiel, sie brauchten die Zahler der manchmal lächerlich kleinen Summen, damit es in ihren Kassen operettenhaft klingelte, während sich die in der Einkaufstasche davongetragene Staffage bereits anschickte zu welken, zu vertrocknen oder in rasantem Tempo Schimmelpilze sprießen zu lassen. Manchmal ließ ich mich dennoch zu einem Kauf verleiten, ich erwarb ein Büschel Minze, dessen Blätter mir besonders weich und aromatisch erschienen waren, rauhschalige Äpfel, die eine Kindheitserinnerung weckten, oder etwas Nützliches wie eine Eieruhr oder ein Messer, die ich mir bei der Verwendung in meinem Haus vorstellte.Damit gaben sich die Marktmenschen dann für einige Zeit zufrieden und unterließen es, sich in ihrer Marktsprache darüber zu verständigen, wie sie mich zum Teufel jagen wollten.
     Oft machte ich abends noch einen kurzen Streifzug über den kleinen Markt der Inverness Street, der mir im Vergleich zu anderen Schauplätzen immer wie ein Probenraum vorkam. Auf dem Markt - der nur aus ein paar Karren mit so unansehnlicher Ware bestand, daß man glauben konnte, sie dienten ausschließlich und schon seit langer Zeit nur als Anhaltspunkt für die Schrittfolgen in der Choreographie - war viel los, man drängte und schubste, wer sich den Tag über daran aufgerieben hatte, untätig am Fenster zu stehen und verlangend in die Ferne zu blicken, raffte sich jetzt vor Marktschluß zu einem Rundgang auf, und machte dem Verdruß über die Vergeblichkeit seines Verlangens in Rempeleien Luft. Beim Heimweg stellte ich dann mit Erleichterung fest, daß mein Kauf, der gewöhnlich aus ein paar mit jeder Minute ungenießbarer werdenden Avocados bestand, schon auf dieser kurzen Strecke um einiges leichter geworden war.
     Ich durchquerte, umkreiste, streifte die Märkte, die kleinen und großen Darbietungen von Handel, Wandel, Freude und Gehörigkeit, die die Stadt bebilderten, und machte mich damit langsam an die Enträtselung dieses riesigen Gebildes aus Schichten, Winkeln und Kreuz- und Querfäden. Ich merkte, wie die Stadt im Verlauf dieser beim Durchwandern unvermeidlichen steten Reibung in mich eindrang, während ich gleichzeitig in demselben Reibungsprozeß Schicht um Schicht, sozusagen Haut und Haar, an die Stadt verlor. Eines Tages stieß ich, seltsamerweise ganz in der Nähe meines Hauses, in einer alten Straße, durch die ich nur einmal in einer Nacht voll lauem Winterwind gewandert war, auf einen Markt, den ich noch nicht kannte, von dem ich nur in aufgeschnappten Brocken und gerüchteweise gehört hatte, hier war die Stadt dem Marktwesen zuvorgekommen und hatte eine besonders gebrechliche und - wie man hinter vorgehaltener Hand raunte - bereits zum Abriß bestimmte Straße zum Markt der Heimatlosen ernannt. Die Straße, auf der er stattfand, war ein alter, breit angelegter und einstmals sicher sehr schöner Crescent, ein halbmondförmiger Bogen, in dessen äußerster Krümmung eine verwahrloste und von Abfall übersäte Grünanlage schlummerte. Die Häuser zu beiden Seiten waren so verfallen, daß oft nur noch die Fassaden standen, dahinter türmte sich Schutt und Geröll neben budenartigen Wohnungen, errichtet von unverdrossenen Anwohnern um den Raum herum, dessen Wände unter ihren Augen zerbröckelt waren. Andere Häuser hatten noch ein oder zwei Stockwerke und Zimmer, deren rückwärtige Mauern jedoch von Tag zu Tag mehr verfielen, während die Dächer und Dachstühle längst schon von Stürmen oder anderen Unbilden abgetragen worden waren. Die Fassaden aber standen noch, sie trotzten dem Geschick und beherbergten sogar einzelne teils von gezimmerten Verschlägen geschützte, teils inmitten zerbrochener Gebäudeteile lagernde Geschäfte und Schnellküchen, improvisierte Unternehmen, betrieben von unsicheren Händlern der Kleinigkeiten des täglichen Lebens. Es war eine seit Jahren und durch alle Phasen des Verfalls hindurch beliebte Straße, die allerhand gesehen und mitgemacht hatte, wovon die Alteingesessenen gerne unter pfeifendem Keuchen aus ihren trümmerverstaubten Atemwegen berichteten. Seit Bestehen des Marktes der Heimatlosen kamen die Alteingesessenen wieder öfter und lieber aus ihren notdürftig zurechtgezimmerten Stubenverschlägen, probten das Einkaufen in Erinnerung an prächtigere Zeiten und nahmen sogar einen gelegentlichen Imbiß, obwohl ihnen die zubereiteten Speisen fremd sein mußten. Die Neuankömmlinge aus aller Welt wurden jetzt hierher gewiesen, die Straße wurde ihr Treffpunkt, viele wandelten noch so ziellos umher, als beschütze der Schlaf sie vor der Erkenntnis der Fremde, in die es sie verschlagen hatte. Sie betasteten lächelnd die Gegenstände in den Geschäften, sogen den Duft der Speisen ein, streiften an den ständig vom Einsturz gefährdeten Fassaden vorbei und blickten durch die leeren Fenster und Türen in die teils gras- und moosbewachsene Trümmerlandschaft hinaus. Um der beliebten Straße größeren Nutzen zu verleihen und die ziellosen Ankömmlinge zu größerer Nützlichkeit anzuhalten, bot man den Fremden die Möglichkeit, einen Handelsschein nur für diesen Markt der Heimatlosen zu erwerben, wo nun jeder, der nachweislich das Heimatland auf immer verlassen oder verloren hatte, an Ständen und Karren Geschäfte treiben durfte. Es meldeten sich viele Verstoßene und Verjagte, Männer und Frauen, deren Heimatland sich in Luft aufgelöst oder in einem abgelegenen Teil eines großen Weltmeers unversehens versunken war, aber auch solche, die einfach vergessen hatten, woher sie kamen. Natürlich bekamen nicht alle eine Lizenz, aber viele, und sie machten sichschnell ans Werk.
     Zu dieser Zeit der Aufbruchsstimmung stieß ich auf den Markt, den ich bald regelmäßig aufsuchte, der Anblick der rasenden Betriebsamkeit, die sich hier entfaltete und zur Blüte drängte - auf die, wie ich ahnte, eine ebenso rasante Welke folgen würden würde - verursachte mir einen angenehmen Schwindel. Die lizenzierten Heimatlosen machten sich voller Wucht daran, aus dem Schutt der Straße ihre Marktbuden, Stände und Karren zu errichten, sie streiften durch die Stadt und sammelten allerlei Ungenutztes, sie fischten abgenagte weiße Knöchelchen aus den Mülltonnen und bauten kleines Spielzeug und mildtönende Flöten daraus, sie fingen ziellos herumstreunende Tiere, die sie in selbstgezimmerten Ställchen zum Verkauf feilboten und holten in großen Netzen Hunderte von Tauben zur Schlachtung ein. Sie ergatterten säckeweise abgeschnittenes Haar aller Längen bei den Friseuren und fertigten lustige Perücken daraus, und aus den Schuppen und Flossen der Fische, die auf anderen Märkten verkauft wurden, bastelten sie Haar- und Halsschmuck, dessen Tang- und Salzgeruch bei manchen Käufern schöne Erinnerungen weckte. Die gerupften Tauben baumelten bläulichrot an rostigen Fleischerhaken, ihr stinkendes Gefieder wurde beutelweise zum Füllen lieblicher Kissen verkauft. Hinter den Buden und Karren standen heimatlose Mädchen in bunten Kleidern an den neuerdings auch buntgestrichenen aber immer noch genauso leeren Türrahmen der Fassaden und winkten freundlich vorüberschlendernde Männer herbei, Liebelei, Liebelei, riefen sie werbend und führten ihre Liebsten hinaus zwischen die Trümmer oder hinauf in einen Zimmerstumpf, wo sie sich unter offenem Himmel allerhand angeblich aus ihren abhanden gekommenen Heimaten Stammendes einfallen ließen, was sich bald großer Beliebtheit erfreute. Es wurde im Handumdrehn ein Markt, den man als fröhlich pries und dessen stetes Gedeihen man lobte. Die kurzlebige Ware gewann vielleicht gerade wegen ihrer Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit einen gewissen stadtweiten Ruhm, und man kam sogar aus abgelegenen Vororten, um die Heimatlosen bei Handel und Wandel zu bestaunen. Von freundlichen und wohlmeinenden Einheimischen auf ihre Herkunft hin befragt, ersannen viele Heimatlose blumige und märchenhafte Geschichten ihrer angeblichen Heimatländer, in gebrochenen Sätzen und ungereimten Worten beschworen sie Begebenheiten, Schicksale, Helden, Könige und sogar Götter, von denen sie selbst bisher nicht im Traum etwas geahnt hatten, und vergossen zum krönenden Abschluß Tränen, die ihnen vielleicht deshalb so bereitwillig in die Augen stiegen, weil sie sich auf nichts Wirkliches mehr besinnen konnten, das sie den Einheimischen hätten unterjubeln können. Der Markt und die freundliche Nachfrage machte die Heimatlosen der ganzen Stadt zu Sammlern zufälliger Gegenstände, die sie mit hängender Zunge erjagten, süßlich erschwatzten, erschlichen, erbettelten, beherzt erbeuteten und mit ein paar geschickten Handgriffen in den Dienst eines neuen, erfundenen Namens und einer ebenso erfundenen Funktion stellten. Sie wurden zu professionellen Zweckentfremdern und Zweckerfindern, und mit der Zeit hielten immer mehr Händler und Stände in der verfallenden Straße Einzug, Verkäufer und Käufer drängten sich, und neben allerhand Neuartigem kamen Flitterkleidchen hinzu, Taschen, Mützen, Hüte, Kämme und Felle undefinierbaren Ursprungs. Kapellen mit noch nie dagewesenen Musikinstrumenten zogen auf und ab oder plazierten sich bei großem Gedränge an den beiden Straßenenden, spielten ihre ausgedachten Weisen, Tänze und sogar Märsche, junge Frauen und Männer hüpften und kreiselten in Phantasiekostümen im Takt, und die Liebeleimädchen saßen auf den Fensterbänken und sangen mit halbgeschlossenen Augen wie im Traum Worte dazu, die ihnen selbst unbekannt waren, ihre halbnackten Liebsten auf den herbeigeschleppten Matratzen aber umso mehr bezauberten. Es war ein steter Trubel, der sich immer weiter in die Nächte ausdehnte, die Luft erfüllte, und sich weithin wie eine Wolke aus vielstimmigem Gemurmel über die ganze Gegend legte.
     Wer wußte nicht, daß das ein Ende nehmen würde? Vielleicht waren die Gaukler und Händler so im Taumel ihrer heimatlosen Märktlerischkeit aufgegangen, daß sie nicht ahnten, was das verordnete Festival der Heimatlosigkeit einleiten würde, eine Veranstaltung im großen Stil, die Tausende anlockte. Es gab alle möglichen Artisten und Künstler, zählende Hunde und ballspielende Katzen, Feuer- und Schwertschlucker, Messerwerfer, Entfesselungskünstler, Schlangenmenschen, von Heimatlosen dargestellte wilde Tiere aller Art in prächtigen Kostümen, es gab Seiltänzer, die von Fassade zu Fassade spazierten, Zauberer und Wahrsagerinnen, und schließlich sogar eine wahrhaftige Kunstreiterin, die auf einem weißen Pferd herbeisprengte. In ihrem blaßrosa Tüllrock und dem schimmernden Paillettentrikot vollführte sie unter unablässigem Lächeln etliche Kunststückchen. Wenn man genau hinschaute, erkannte man allerdings ein sogenanntes spätes Mädchen, und bei ihrer Abschlußpirouette stürzte sie - wie hinterher jedermann vorgab erwartet zu haben - aus der Höhe hinab und schlug auf das Pflaster auf, weil sie die übrigens lange schon aus der Mode gekommene Kunst nicht mehr recht beherrschte. Totenblaß lag sie auf dem Pflaster, Arme und Beine verrenkt wie ein fallengelassenes Lumpenpüppchen, das schwarzlockige Haar erwies sich als Perücke, die verrutschte und einen kahlen Schädel bloßlegte. Unweigerlich fiel mir der verschollene Kunstreiter ein mit seiner verbittert ausgestoßenen Behauptung, das ganze Kunstreitertum sei ein Schwindel. Man räumte die Verunglückte rasch beiseite und hoffte auf ihre baldige Genesung, das Festival nahm seinen weiteren Verlauf, der schließlich nach Einbruch gänzlicher Dunkelheit in einem Feuerwerk gipfeln würde. Das Feuerwerk sollte weithin sichtbar auf der Hocheisenbahnlinie stattfinden, den Heimatlosen war es gelungen, eigenhändig den gesamten Verkehr auf der Strecke zu diesem Zweck stillzulegen, und sie brannten in der Tat ein gewaltiges Feuerwerk ab, dessen vielfarbiger Funkenregen seine Spuren bis tief in die Nacht zog.
     Aus dem Unglück des kunstreitenden späten Mädchens, mehr noch aber aus der sogenannten Eigenmächtigkeit, in der sie die baufällige Hochbahnlinie mit ihren in unzuverlässigen Abständen rumpelnden Zügen zum Abbrennen eines unvergeßlichen Feuerwerks stillgelegt hatten, drehte man den Heimatlosen und ihrem Markt schnell den Strick, ja ein ganzes Netz von Stricken, mit dem die gesamte trompetengoldene Pracht des Marktes und seiner Betreiber in einem einzigen Fischzug, der auch die meisten Alteingesessenen erwischte, aus der halbmondförmigen Straße schaffte. Am nächsten Tag schon hielten Baufahrzeuge Einzug, die Fassaden wurden aufs Schönste wieder hergestellt, die Fensterhöhlen mit spiegelndem Glas versehen, hinter dem nach Einbruch der Dunkelheit herrliche Interieurs in heimeligem Schein erstrahlten, die in der Tiefe der Häuserzeilen liegende Schuttlandschaft war blendend kaschiert, die Grünanlage gereinigt, man siedelte Rassekatzen an, die von tierliebenden Tantchen morgens und abends gefüttert wurden, und bot ausgewählten Heimatlosen - so erzählte man sich - einen geringen Lohn dafür, daß sie rosig geschminkt, anmutig und in hübscher Kleidung, sich Grußworte zurufend und Heimkehr durch die aufgesetzten Haustüren vortäuschend, die Straße bevölkerten.

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Auszug mit freundlicher Genehmigung von Matthes & Seitz
(Copyright Verlag Matthes & Seitz)


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