Vorgeblättert

Leonardo Padura: Ein perfektes Leben, Teil 2

S. 76 ff.

Er klopfte behutsam mit den Fingerknöcheln an die Bürotür und öffnete sie.
Hinter seinem Schreibtisch zelebrierte Mayor Rangel den Akt des Zigarrenanzündens. Er drehte die Zigarre an der leicht geneigten Flamme des Gasfeuerzeugs, wobei er in regelmäßigen Abständen blauen Rauch ausstieß, der in Höhe seiner Augen schwebte und ihn in eine dicke, duftende Wolke hüllte. Rauchen war ein wesentlicher Bestandteil seines Lebens, und niemand, der seine schwärmerische Leidenschaft für eine gute Havanna kannte, hätte ihn jemals gestört, während er eine Zigarre anzündete. Wann immer sie konnten, schenkten sie ihm eine Zigarre, zu jeder Gelegenheit: Geburtstag und Hochzeitstag, Vatertag und Neujahr, Geburt eines Enkels oder Examen eines Kindes. Auf diese Weise legte sich Mayor Rangel eine stolze Sammlung zu, eine Reserve, aus der er sich bediente. Je nach Tageszeit eine bestimmte Marke, je nach Stimmung eine bestimmte Dicke und je nachdem, wie viel Zeit er zum Rauchen hatte, eine bestimmte Länge.
Erst als er die Havanna richtig angezündet hatte und mit der Befriedigung des Kenners die makellose Aschekrone der Glut betrachten konnte, richtete er sich in seinem Sessel auf und sah den soeben Eingetretenen an.
"Du wolltest mich sehen, ja?", begann der Teniente.
"Was bleibt mir schon übrig. Also, setz dich."

Wenn man in einem so angespannten Zustand ist und das Gefühl hat, keinen klaren Gedanken fassen zu können, dann ist es das Beste, sich eine Havanna anzuzünden. Aber nicht, um einfach nur etwas anzuzünden und Rauch zu inhalieren, sondern um die Zigarre wirklich zu rauchen. Nur so kann man von ihr alles bekommen, was sie an Gutem zu geben hat. Wenn ich rauche und dabei etwas anderes tue, verschwende ich diese 14,2 Zentimeter lange Davidoff 5000 Gran Corona. Sie verdient, dass man sie bewusst raucht, oder einfach nur, dass man sich hinsetzt, um zu rauchen und sich dabei eine Stunde lang zu unterhalten. Genau die Zeitspanne für eine gute Zigarre. Die Davidoff, die ich mir heute Morgen angezündet habe, war ein Desaster. Erstens weil der Vormittag noch nie der beste Zeitpunkt für eine Zigarre dieser Kategorie war, und zweitens, weil ich sie nicht vorschriftsmäßig angeraucht habe. Ich habe sie verdorben, und so sehr ich mich auch bemüht habe, sie zu retten, es ist mir nicht gelungen. Ich hatte das Gefühl, einen ordinären Stumpen zu rauchen, ehrlich. Ich weiß nicht, wie du pro Tag zwei Schachteln Zigaretten rauchen kannst anstatt einer einzigen Havanna. Das macht dich so nervös. Ich sag ja nicht, dass es eine Davidoff 5000 oder irgendeine andere Spitzenzigarre sein muss, eine Romeo y Julieta Cedros N° 2 zum Beispiel, eine Montecristo N° 3 oder eine Rey del Mundo. Nein, irgendeine gute Zigarre mit dunklem Deckblatt, die einen leichten Zug hat und ebenso leicht brennt, das ist das wahre Leben, Mario, oder wenigstens kommt es dem am nächsten. Kipling hat einmal gesagt, eine Frau ist nur eine Frau, aber eine gute Zigarre ist mehr als das. Und ich sage dir, der Mann hatte Recht. Denn wenn ich auch nicht viel über Frauen weiß, mit Zigarren kenne ich mich aus. Es ist ein Freudenfest für die Sinne, mein Lieber. Schärft die Augen, weckt den Geruchssinn, rundet den Tastsinn ab, und nach dem Essen hinterlässt sie, zusammen mit einer Tasse Kaffee, einen angenehmen Geschmack im Mund. Es ist sogar Musik in den Ohren! Hör mal, ich drehe sie zwischen den Fingern, und sie stöhnt auf, als wär sie rollig. Hörst dus? Und dann die zusätzlichen Wonnen: Eine makellose Aschespitze von zwei Zentimetern anzuschauen oder die Bauchbinde abzuziehen, nachdem du das erste Drittel geraucht hast, ist das nicht das wahre Leben? Starr mich nicht so an, ich meins vollkommen ernst, mehr als du glaubst. Rauchen ist eine Lust, vor allem dann, wenn du zu rauchen verstehst. Was du machst, ist ein Laster und ordinär. Deswegen wirst du ausfällig und ärgerst dich schwarz. Hör zu, Mario: Dies ist ein Fall wie jeder andere, und du wirst ihn lösen. Aber lass dich nicht von der Vergangenheit beeinflussen, okay? Schau mal, damit du dich wieder in die Reihe kriegst, werd ich eine Ausnahme machen. Na ja, du weißt, dass ich sonst niemandem eine Zigarre schenke, aber dir werde ich eine von meinen Davidoff 5000 verehren. Und jetzt sag ich Maruchi, sie soll dir einen Kaffee bringen. Dazu zündest du dir die Zigarre an, so wie ichs dir beschrieben habe, und dann erzählst du mir, wie du dich fühlst. Du müsstest schon ein ausgemachter Blödmann sein, wenn dir das nicht hilft, das Leben zu genießen. Maruchi!

Teil 3