Vorgeblättert

Habib Tengour: Der Fisch des Moses. Teil 3

07.09.2004.
(...)
Gemächlich lagern sie vor der Tür und geben sich ganz ihrem Kaffee hin. Für Hasni wie für Mourad ist das Frühstück ein wichtiger Moment, um gut gerüstet dem Tag zu begegnen. Das heitere Murmeln des Kaffeekochers inmitten lauter vertrauter Düfte ist ein gutes Omen.
Hasni erinnert sich bis heute an den Kaffee, mit einem Hauch Milch drin, wie ihn seine Großmutter mütterlicherseits morgens für ihn zubereitet hat, in den Sommern, die er in Bettioua zugebracht hat, am Stammsitz des Familienclans. Der Duft der Weizen- und Gerstenfladen, die gegessen wurden, sowie sie aus dem Lehmofen kamen, vermischte sich mit dem Kaffeearoma, dem ranzigen Geruch, der den Kleidern entströmte, und den Ausdünstungen des Viehs im Hof. Zu essen gab es nicht viel, aber an Kaffee fehlte es nie, und wenn er noch so teuer war. Seine Großmutter hatte ein Geheimnis, ihn zu rösten. Den Geschmack dieses Kaffees, mild und pfeffrig, hat er nach dem Tod seiner Großmutter nirgends wiedergefunden. Weder seine Mutter noch sonst irgendwer bereiten ihn auf diese Weise zu. Er bedauert oft, seine Großmutter nicht nach dem Rezept gefragt zu haben. Und so läßt er sich morgens stets viel Zeit und schüttet die Brühe nicht achtlos in sich hinein, als wolle er die verflossenen Wonnen Schluck um Schluck von seinem stumpfen Gaumen abrufen - vor allem aber, um die zu ehren, die ihn so zärtlich aufgezogen hat.
Mourad dagegen hat keinerlei Kindheitserinnerung. Das Frühstück ist ein Ritual, das er erst in Paris kennen- und schätzengelernt hat, zusammen mit Lea. Sie schwärmte für Espresso. Nie war sie mit den Pariser Cafes zufrieden. Die können keinen richtigen Kaffee kochen. In puncto Frühstück war sie wirklich sehr eigen. Sie besaß eine ganze Sammlung in Italien gekaufter Espressokannen. Starrköpfig war sie. Von Kopf bis Fuß. Widder wie er! Spitze Hörner, die bei der leisesten Widrigkeit hervorschossen. Etwa, als sie behauptete, daß es das Wort "Myrrhe" nicht gäbe! Und darauf beharrte, er würde einen groben Fehler begehen, man müsse es "Myrte" aussprechen, und es sei eine Pflanze. Es nützte gar nichts, daß er ihr erklärte, die Heiligen Drei Könige hätten dem Jesuskind Myrrhe mitgebracht, und daß das ein Duft ist, Harz aus Arabien, sie wollte einfach nicht davon ablassen. Woher wolle er das schon wissen? Mit seinem Wortschatz, der so ärmlich war, daß er beim Scrabble stundenlang herumjonglierte, um ein Wort aus seltenen Buchstaben zu bilden! Sie wollte nicht einmal im Wörterbuch nachsehen. Er hat dann, fast schon entschuldigend, erklärt: "Dieses Wort hat sich mir einfach ins Gedächtnis eingeprägt, weil ich dachte, Myrrhe sei ein sagenhaftes Geschenk, wegen seiner merkwürdigen Schreibweise. Ich hatte es in einem Märchenbuch entdeckt, das meine Schwester Dalila als Klassenbeste in Französisch bekommen hatte. Erst sehr viel später habe ich durch Zufall herausgefunden, daß Myrrhe ein Weihrauch ist. Da habe ich heiße Tränen vergossen? Du kannst doch nicht alles wissen, Lea?" Er flüstert den Namen Lea vor sich hin. Er atmet tief durch und versucht, auf andere Gedanken zu kommen.

Der blaue Morgenhimmel verblaßt mit der heraufziehenden Hitze, die zur Mittagszeit unerträglich sein wird. Kein Baum, kein Strauch, kein Grasbüschel kilometerweit im Umkreis. Der steinige Boden reflektiert die Helligkeit. Die Gluthitze nimmt einem die Atemluft. Zur Stunde können sie es noch aushalten im Hof, ohne einen Sonnenbrand fürchten zu müssen. Hasni raucht ununterbrochen, sondert träge bläuliche Rauchkringel ab, die sie einhüllen, einen Kranz um sie bilden, einen Augenblick lang, dann davontreiben und sich in Luft auflösen. Nicht weit von ihnen mühen sich drei Kerle mit struppigem Bart, die heute Reinigungsdienst haben, damit ab, mit Unmengen von Wasser und einem Besen die Spuren der Ereignisse vom Vorabend wegzuschrubben.
"Ken und Sharif Shah sind gestern abend gerade noch rechtzeitig gekommen, um das Massaker zu stoppen", bemerkt Hasni. "Diese Taliban sind tollwütige Teufel." Er betont jedes Wort. "Jeder Vorwand ist denen recht, um zur Waffe zu greifen. Hast du gehört, was er ihnen für eine Abreibung verpaßt hat?"
"Alles Angeberei!" seufzt Mourad. "Die sind doch manipuliert! Seit wann wären Theologiestudenten denn in der Lage, eine so gut gerüstete Angriffsarmee auf die Beine zu stellen?"
Hasni saugt gierig an seiner Pfeife, hält den Rauch eine Weile zurück und atmet extrem langsam aus, bevor er bemerkt: "Alle Welt ist manipuliert, alter Junge! Man geht nicht ins Meer, wenn man nicht schwimmen kann! Die Amerikaner manipulieren uns, so weit okay. Wir wissen das und nutzen es für uns aus. Es ist doch jeder sein eigener Herr, oder nicht? Jedenfalls sind der Imam aus der Drei und seine verfluchten Komparsen noch in der Nacht verlegt worden, sang- und klanglos! Die wären wir los! Wegen dieser Idioten läuft unser Ding Gefahr, ins Wasser zu fallen. Die anderen dürften in nächster Zeit erst mal kuschen. Du bist wirklich verbohrt, Mourad. Ich weiß schon, was du denkst! Du hast Komplexe, weil du Araber bist!"
Mourad gibt keine Antwort. Er schweigt vor sich hin, hängt seinen Gedanken nach, während Hasni ihn aus den Augenwinkeln beobachtet. Was brütet der jetzt wieder aus?
Laut überlegt Mourad weiter: "Man muß mit Augenmaß an die Dinge herangehen, Hasni. Deine Geschichte macht mir Bauchschmerzen. Man attackiert die CIA nicht einfach so, als wäre das irgendeine Vorstadtgang. Wir sind doch nicht in Oran! Dein Plan stimmt vorn und hinten nicht."
Bei Hasni sträuben sich die Nackenhaare, als hätte man ihn tödlich beleidigt. Er erträgt es nicht, wenn ihn einer als Versager oder Null hinstellt, nicht einmal, wenn es von Mourad kommt. Er erwartet von allen uneingeschränkten Respekt gegenüber seiner Person. Er stößt hervor: "Was weißt du denn schon? Du kennst doch gar nicht alle Einzelheiten. Du weißt doch überhaupt nichts von meinem Plan!"
"Nicht nötig, ich kenne ja dich!" erwidert Mourad aggressiv.
Es stimmt Hasni traurig, daß sie nicht auf einer Wellenlänge sind. Im Grunde reicht es eben nicht aus, am selben Ort aufgewachsen oder dasselbe Abenteuer eingegangen zu sein. Es ist auch keine Frage des Alters! Der Altersunterschied zwischen ihm und Kadirou ist viel größer als jener, der ihn von Mourad trennt, aber Kadirou und er kommen aus demselben Milieu. Was soll denn das jetzt! braust er innerlich auf, alle Algerier sind doch gleich! Zu Zeiten Frankreichs waren seine Eltern auch nicht besser dran als meine. Sicher, sie besaßen eine gewisse Bildung; sie konnten ihre Kinder durch die Schulzeit begleiten. Ich habe meine Mutter oft mit den Nachbarinnen über sie reden hören. Seine Eltern sind nach der Unabhängigkeit gut klargekommen, für sie war das leicht! Aber mit Mourad haben wir uns doch immer gut verstanden. Er denkt gerührt an den schmächtigen Gymnasiasten zurück, der flehentlich bat und bettelte, daß er ihm, von Haus zu Haus sozusagen, gegen den kleinen Cesar beistünde, der ihnen am Ausgang vom Lycee Zabana auflauerte und sie ausnahm. Später dann hatte Mourad sich bei seinem Onkel mütterlicherseits dafür verwandt, daß er ihn in seiner Autowerkstatt einstellte. Damals dachte kein Mensch an die Religion. Sie verschwendeten kaum einen Gedanken ans Jenseits? Sie hatten sich aus den Augen verloren, seit Hasni übers Meer war. Während der sich in der Welt herumtrieb, hat Mourad zu studieren begonnen. Kadirou war noch zu klein. Doch seit ihrem Wiedersehen in Kabul sind sie unzertrennlich. Gott hat sie auf den rechten Weg gebracht. Paradoxerweise hat ihre Hinwendung zum Islamismus sie nicht zusammengeführt, sondern eine unausgesprochene Barriere zwischen sie gestellt. Ihre früher so natürliche Nähe wird oft auf eine harte Probe gestellt. Als ob die ganz verschiedenen Beweggründe eines jeden jetzt offen und klar zutage träten und jeden von ihnen dazu brächten, sein eigenes Leben zu leben, trotz ihrer Kinderfreundschaft, die sie zusammengeschweißt hat. Hasni fühlt das alles. Er möchte, daß sein Freund sich nicht in einer Phantasiewelt verkapselt, die sie am Ende nur gegeneinander aufbringt. Warum läßt er sich denn nicht von jenem Instinkt leiten, der sie damals vor den Toren Kabuls jubeln ließ? Wenn sie sich beide in Gottes Partei wiederfinden, dann doch bestimmt, weil der Barmherzige sie noch enger zusammenbringen will. Gott sucht ihre elenden Existenzen in einer leuchtenden Seele zu einen, um sie ganz nach vorn zu katapultieren. Er möchte Mourad dazu bringen, seine Überzeugung zu teilen, um weiter in Harmonie mit ihm leben zu können.
Dann spricht Hasni wieder, und seine Stimme klingt sanft und schwer vor Bedauern: "Da kannst du mal sehen, daß du nicht gerade ein Schnelldenker bist! Mit der Beute leiten wir zu Hause die Revolution in die Wege. Wir fegen das Unrechtsregime der korrupten Despoten hinweg, wir sorgen für Recht und Ordnung. Das Land wird definitiv von den Parteigängern Frankreichs befreit! Das ist doch ein Programm nach deinem Geschmack, oder nicht? Du hast doch selber gesagt: Wir müssen das Unkraut ausrotten, damit das Land endlich frei atmen kann. Was ist denn heute anders als sonst?"
Mourad hat den ernsten und traurigen Unterton in der Stimme seines Freundes sogleich herausgehört. Das hört sich beinahe nach einem Vorwurf an, der ihm ein schlechtes Gewissen macht. Soll er nun erklären, was er denkt? Er weiß nicht recht, was er sagen soll. "Ja, als ich in Birmingham war, hat mich dieser Ruf nach Gerechtigkeit begeistert", seufzt er. Heute findet er, daß ihn das nichts mehr angeht. Ist das ein Grund? Ist er da nicht im Begriff, seinen Glauben zu verraten? Er redet weiter und überläßt es den Worten aus seinem Mund, sich von selbst so zu fügen, daß sie ausdrücken, was er nicht zu sagen vermag:
"Ja, ich habe mich nach Afghanistan verpflichtet, um Erfahrungen zu sammeln und dann in Algerien weiterzukämpfen. Du erinnerst dich doch, wie das war, ganz am Anfang, als wir uns alle wiedergetroffen haben, du, Omar, Kadirou, Laredj und all die, die seitdem ums Leben gekommen sind. Ich glaubte, ich würde die Urgemeinschaft in ihrem brüderlichen Zusammenhalt wiederfinden. Den alten Traum von Medina! Die schlichten leuchtenden Tage! Ganz schön naiv war ich damals. Die Menschen kämpfen immer nur um den Thron. Und wenn sie erst einmal drauf sitzen, dann kleben sie da fest. Der Leichnam des Propheten war noch nicht kalt, da spaltete die Zwietracht schon die Gefährten! Die Menschen begehen die unvorstellbarsten Grausamkeiten, bloß wegen der Macht. Es ist stärker als sie! Der helle Wahn! Ich kann mir lebhaft vorstellen, was für ein Blutbad das zu Hause geben wird. Unsere ganze Geschichte läßt sich als Abfolge übelster Streiche sehen, die dazu dienen, seinen Allerwertesten komfortabel zu betten!"
"Hör auf, hör auf damit!" brüllt Hasni und spuckt aus. "Hast du denn nur Matsch im Hirn, du meine Güte! Hast du gerade den Mond neu entdeckt, oder was? Die Menschen sind schon seit Urzeiten so, seit Erschaffung der Welt, alles räudige Hunde! Wir wollen alle einen Knochen zum Nagen. Und töten, um ihn zu behalten. Wen Gott lenkt, der hat die Erlaubnis dazu, das ist der einzige Unterschied!"
Mourad reißt die Augen auf. Er stammelt: "Glaubst du im Ernst, daß Gott die Menschen in ihren schlimmen Instinkten leitet? Was für eine abscheuliche Vision vom Islam du doch hast! Wie entsetzlich! Und was machst du mit den guten, den Gott gefälligen Taten, die in uns die Liebe freisetzen, mit der der Schöpfergott uns beschenkt hat?"
"Hör, Mourad, dein Sufigesülze, das behalt gerade für dich! Ich weiß nur, daß Gott ein Gesetz erlassen hat, das man respektieren und dem man Respekt verschaffen muß. An diesem Gesetz können weder du noch ich, noch sonst jemand rütteln. Gott selbst täte das nicht. Von daher ist mir alles erlaubt, wenn ich nur gewissenhaft den vorgezeichneten Weg einhalte! Ich erfülle alle meine Pflichten und räume so gut ich kann die aus dem Weg, die Gott bereits verstoßen hat. Es ist so einfach, und du machst es kompliziert. Du grübelst zuviel über deinen Büchern! Gottes Weg liegt offen da. Wer in die Irre geht, ist selber schuld! Da gibt?s kein Pardon! Ich laß mir wegen solcher Idioten doch keine grauen Haare wachsen!"
"Mir wird von all dem speiübel." Mourad weiß, daß nichts, was er einwenden könnte, bei Hasni irgend etwas bewirken würde. Er sagt, einfach nur, um loszuwerden, was ihn bedrückt: "Mit dir diskutiere ich nicht mehr. Du bist taub. Die Religion ist zum Geschäft verkommen, das widert mich an! Ich ertrag das nicht mehr! Ich warte nur noch auf meinen Sold, dann hau ich ab!"
"Nach Australien, was?" höhnt Hasni. "Weil du dir einbildest, das wäre das Paradies!? Mach die Augen auf, Mourad! Da ist es wie überall auch, man braucht Kohle. Viel Kohle! Man kriegt im Leben nichts geschenkt, und ob du da einen Job findest, um über die Runden zu kommen, ist alles andere als sicher. Doktoren der Physik, die gibt?s in Massen!"
In diesem Augenblick erscheint der Junge auf der Türschwelle. Afghanisch gewandet, aber mit Eleganz und einem gewissen Etwas. Er ist bartlos, eine Seltenheit im Camp. Eine zerzauste schwarze Mähne mit Haargummi im Nacken, Ray-Ban-Sonnenbrille mit Goldgestell und eine umgekehrt aufgesetzte Baseballmütze vervollständigen den originellen Typ. Er wirkt trotz seiner mehr als sechsundzwanzig Jahre wie ein Heranwachsender. Gähnend schlurft er zu Mourad und Hasni hinüber und räkelt sich dabei ganz ungeniert. Mourad wird ganz warm ums Herz, als er ihn so sieht. Kadirous bloße Anwesenheit versetzt ihn stets in gute Laune. Es geht eine solche Unschuld von ihm aus, daß man darüber den Ärger des Alltags vergißt.
"Guten Morgen!" sagt Kadirou. "Was für eine Nacht! Ich habe kein Auge zugetan."
"Hast du deshalb in einem durch geschnarcht!?" knurrt Hasni ihn an.
"Ich schnarche nie!" Kadirou ist empört. Er nimmt Mourad zum Zeugen: "Das stimmt doch nicht, Mourad? Sag du ihm, daß ich nicht schnarche."
"Wenn du es sagst!" antwortet Mourad lächelnd, dann, angesichts der kleinlauten, bekümmerten Miene Kadirous: "Hör nicht auf ihn, der nimmt dich auf den Arm. Er hält dich zum besten."
"Kadirou läßt sich immer so leicht ins Bockshorn jagen, deshalb mag ich ihn so!" bemerkt Hasni und kratzt sich zufrieden den Bart mit dem Pfeifenstiel.
Kadirou blickt zögernd von einem zum anderen. Er weiß nie, wann sie ihn veralbern und wann es ihnen ernst ist. Kadirou ist ein Junge ohne Falsch. Ehe er nach Afghanistan ging, hat er auf eigene Faust in Oran Schwarzhandel getrieben. Er hatte schon mehrere Reisen nach Marseille und Neapel hinter sich, da heuerte ihn ein Wohltätigkeitsverein an, um Gelder für den Bau von Moscheen zu sammeln. Freitags baute er sich mit zwei anderen Brüdern an der Tankstelle von Maraval auf, wo sie den Leuten mit ihren Quittungsblöcken mit den unleserlichen Stempeln regelrecht auflauerten. Die Autofahrer, die es erwischte, gerade wenn ihnen der Tankwart das Wechselgeld zurückgab, konnten sich nicht aus dem Staub machen. Sie entrichteten ihren Obolus in der abergläubischen Furcht, nur so der Katastrophe zu entgehen, und fuhren mit quietschenden Reifen los, ohne auf ihre Quittung zu warten. Eines Tages bot Mediouni, einer der angesehensten Großhändler der Stadt, ihm eine Reise nach Thailand an. Den Auftrag führte er zur vollen Zufriedenheit des Geschäftsmanns aus, der ihn von da an regelmäßig im Asien-Business einsetzte. Nach einem Jahr Schufterei brachte er ihn mit Predigern zusammen, die junge Krieger aussuchten, um dem Triumph des Glaubens zum Durchbruch zu verhelfen. Kadirou hatte zwar wenig Lust auf den Dschihad, aber von der Routine die Nase voll. Und vor allem hatte er keine Zukunftspläne. Er ließ sich anwerben in Katerstimmung, nach einer durchzechten Nacht. Er bedauert es nicht.
Er zuckt mit den Achseln: "Was zuviel ist, ist zuviel! Ich frühstücke wohl besser in der Kantine."
"Bring uns Croissants mit!" spottet Hasni hinterher. Kadirou trollt sich, ohne zu kontern. Hasni dreht sich zu Mourad um: "Siehst du, Kadirou macht mit bei meinem Plan. Der traut mir was zu. Der ist nicht so haarspalterisch, der weiß, daß ich recht habe. Du willst mir ja nicht glauben, aber ich habe recht!"
Mourad sieht gerührt Kadirou hinterher, der sich Richtung Kantine entfernt. Er spricht laut aus, was er eigentlich nur so vor sich hinmurmelt: "Das ist noch ein Junge! Der macht bei allem mit, vorausgesetzt, da passiert was. Er ist doch auf der Suche nach dem Abenteuer, dem großen Wurf." Er dreht sich zu Hasni um, wird wieder ernst: "Aber du, Hasni, du bist doch ein besonnener Geist; überleg doch mal. Die Sache ist einfach ein paar Nummern zu groß! Du wirst die Situation nie voll im Griff haben können, es gibt viel zu viele Risiken. Da läßt man besser die Finger davon."
Hasni stimmt ihm zwar zu, aber: wer nichts wagt, gewinnt auch nichts! Gott ist mit den Wagemutigen. Er treibt die Furchtsamen und die Lauwarmen doch immer wieder an. Mourad fehlt es an Zuversicht, oder vielleicht denkt er zuviel und das Falsche. So ist das immer mit den Intellektuellen! Er ist ganz zuversichtlich. Bedächtig sagt er: "Ich habe auch meine Träume, die ich verwirklichen will! Gott ist groß! Ich will meinen Maquis aufbauen. Ohne Kohle kein Krieg. Ich zerbreche mir schon lange den Kopf, wie ich drankommen könnte. Diesmal wird?s was! Wenn du noch immer nach Australien willst, dann mach mit! Ansonsten werden wir alle in diesem elenden Kaff hier krepieren. Es sind über eine Million Dollar in dem Köfferchen! Der Erfolg ist bombensicher. Denk drüber nach!"
Mourad tut ohnehin nichts anderes, als darüber nachzudenken. So sehr, daß er schon Schlafstörungen hat. "Ich habe genausowenig Lust wie du, in diesem Loch hier zu vermodern", seufzt er. "Und Geld brauch ich auch."

Mit freundlicher Genehmigung des Haymon Verlages

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