Natalie Zemon Davis

Die schenkende Gesellschaft

Zur Kultur der französischen Renaissance
Cover: Die schenkende Gesellschaft
C.H. Beck Verlag, München 2002
ISBN 9783406487217
Broschiert, 234 Seiten, 12,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Kaiser. Diese Studie beschreibt die alles überragende Macht der Geschenke im frühneuzeitlichen Frankreich und entwickelt eine Theorie des Schenkens in der Moderne. Ein Ausblick auf die immer noch mächtige Rolle von Geschenken in der Gegenwart beschließt den Band. Davis liefert eine methodische Reflexion über die Verbindungen von Geschenktransfers zu Marktwirtschaft und Gewalt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.12.2002

Volker Reinhardt hat mit Interesse die Studie der Ethnologin Natalie Davis über die "schenkende Gesellschaft" im Frankreich des 16. Jahrhunderts gelesen. Das Buch gleiche einem "Almanach des Gebens und Nehmens" im Ancien Regime. Die Autorin verfolge das als "soziale Kunst verstandene" Schenken quer durch alle Stände und begreife auch Belohnungen wie kirchlichen Ablass als untersuchenswerte Geschenkformen. Einwände formuliert Reinhardt gegen das methodisch-theoretische Konzept der Autorin. Die zugrunde liegende ethnologische Perspektive vermöge es nicht, eine etwaige "besondere französische Art des Schenkens im 16. Jahrhundert" deutlich herauszufiltern. Weiterhin fehlt Reinhardt der sozialhistorische Blick auf den instrumentellen Charakter von Geschenken und Freundschaft, "ein Grundelement der profitablen Patronage-Beziehungen im Frankreich des 16. und 17. Jahrhunderts". Ergiebiger wäre für Reinhardt folglich eine Analyse "der vielen amüsanten, lehrreichen und auch verblüffenden Geschenkgeschichten" nach sozialen Gesichtspunkten gewesen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.10.2002

Sabine Vogel hat es offenbar etwas anstrengend gefunden, sich durch die "Fülle der Details" hindurchzuwühlen. Ihr fehlen vor allem am Anfang des Buchs die spezifischen Bezüge zur französischen Renaissance: allzu massenhaft und ohne "Kontext" wird von Geschenken und Gegengeschenken berichtet, was zwar schön bunt sei, aber wenig erkenntnisreich. "Spannend wird es erst in den letzten beiden Kapiteln des Buches", schreibt Vogel. Denn dort findet sie, was sie anfangs vermisst hat: die Einordnung in den "Zusammenhang mit der zeitgenössischen publizistischen Auseinandersetzung" über die ganze Schenkerei, die sich natürlich in Richtung Bestechung entwickelte. Besonders "faszinierend" ist dann, so Vogel, das letzte Kapitel, in dem die Reformationsbewegung dargestellt wird als Zurückweisung der Möglichkeit, Gott zu bestechen. Dieses Buch "hat einen belanglosen Anfang, eine interessante Mitte und einen fulminanten Schluss", urteilt die Rezensentin und freut sich, das Buch als Geschenk empfehlen zu können, wenn auch mit kleinen Einschränkungen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.03.2002

Diese Studie über das Geschenk sei selbst eines für den Leser, wie die Rezensentin Rebekka Habermas am Ende ihrer Besprechung bemerkt. Sie mache neugierig über Geschichten und sei "anschaulich geschrieben und präzise analysiert". Ziel dieses Buches ist es, eine Neubestimmung von Struktur und Wandel des Geschenks im Frankreich des 16. Jahrhunderts zu leisten. Es werde deutlich, dass man sich bereits im 16. Jahrhundert der kritischen Nähe von Geschenk und Bestechung bewusst war und dass die moderne Konsumgesellschaft doch viel mehr Parallelen zu der frühen Neuzeit aufweise, als bisher angenommen. Auf diese Weise wird nicht zuletzt auch das evolutionistische Gabenmodell von Marcel Mauss kritisch hinterfragt. So eröffnen sich neue Perspektiven für die Forschung, freut sich Habermas.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.03.2002

Dass der Altruismus durch den Kapitalismus völlig verschwunden sein soll, wie Jacques Derrida behauptet, hält Franziska Meier für eine grobe Vereinfachung und fühlt sich durch Davis' Studie über die Schenk-Praxis im 16. Jahrhundert bestätigt. Auch damals schon seien die Kehrseiten des Schenkens beklagt worden: nämlich damit einhergehende Verpflichtungen. Davis beschreibe ein regelrechtes System gegenseitiger Verpflichtung, das durch Gaben und Gegengaben das soziale und politische Leben regelte. Selbst der aufkommende Calvinismus und Absolutismus seien als Reaktion auf eine überhand genommene Geschenkepraxis zu verstehen. Soweit so gut und auch verständlich geschrieben, meint Meier. Ihr fehlt allerdings eine Bewertung und Einordnung der Schenk-Kultur im 16. Jahrhundert. Mal werde die französische Renaissance-Gesellschaft als stabil und in sich ruhend geschildert, dann wieder sei von Schattenseiten die Rede, wobei unklar bleibe, ob es sich um eine Krise oder gar einen Gesellschaftswandel handelt. Erstaunt notiert die Rezensentin, wie fremd und vertraut zugleich einem die Schenk-Kultur des 16. Jahrhunderts vorkomme: vom selbstlosen Schenken bis zu korrumpierenden Gaben hätten sich sämtliche Spielarten des Schenkens gehalten.
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