Marie Luise Knott

370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive

Hannah Arendt und Ralph Ellison - 17 Hinweise
Cover: 370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2022
ISBN 9783751803441
Gebunden, 145 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Ein verblüffendes Fragment aus der Vorgeschichte von Black Lives Matter. Kaum ein Essay von Hannah Arendt ist so umstritten wie ihre 1959 erschienene Kritik an der gesetzlich forcierten Integration schwarzer Schüler und Schülerinnen. Während Arendt die Einwände ihrer liberalen Freunde damals abtat, schrieb sie - die Theoretikerin der Freiheit - dem afroamerikanischen Schriftsteller Ralph Ellison 1965, sie habe seine Replik auf ihre damaligen Ausführungen gelesen, die "nackte Gewalt" bislang nicht bedacht und sein "Ideal des Opfers" jetzt erst verstanden. Um welches Opfer ging es dabei? Um welche Blindheiten? Und was erzählt diese Episode über die damalige Zeit und über das Werk Hannah Arendts? Marie Luise Knott entfaltet ein eindrückliches Mosaik an Gedanken, Bildern und Reflexionen zu den Hintergründen von Arendts Briefs und öffnet so einen Blick in den Abgrund der Geschichte des vergangenen Jahrhunderts. Ferne und Nähe afroamerikanischer und jüdischer Erfahrungen werden erfahrbar am Beispiel dieser beiden öffentlichen Personen, die Welten voneinander trennten, auch wenn sie nur einen Zahlendreher entfernt in derselben Straße lebten. Beide konnten von ihren Fenstern aus auf den selben Fluss blicken, der gleich um die Ecke in jenes Meer mündet, über das beide, Schwarze wie Juden, einst, wenngleich unter konträren Bedingungen, ins Land kamen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 22.08.2022

Rezensent Rene Aguigah empfiehlt Marie Luise Knotts Essay über die Übereinstimmungen und Differenzen zwischen Hannah Arendt und Ralph Ellison. Deren bekannter Auseinandersetzung über das Thema Freiheit am Beispiel von Arendts Haltung zu den Ereignissen von Little Rock im Jahr 1957, als schwarze Familien ihre Kinder zusammen mit weißen in die Schule gehen lassen wollten, fügt Knott laut Aguigah biografische Informationen sowie scharfstellende Fragen zu Arendts Perspektive und zum Vergleich unterschiedlicher Gewaltgeschichten hinzu. Der Clou des Buches liegt für den Rezensenten darin, dass Knotts Beschäftigung mit der Ideengeschichte aktuell drängende Fragen berührt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.07.2022

Ein paar Sachfehler in Marie Luise Knotts Buch über zwei berühmte Nachbarn im Riverside Drive in Manhattan entdeckt Rezensent Dieter Thomä zwar. Dem Lesegenuss aber tut das keinen Abbruch, versichert er. Wie die Autorin das Doppelporträt Hannah Arendts und Ralph Waldo Ellisons anhand einer ebenso heftigen wie kurzen Kontroverse der beiden über die Rassenfrage entwirft, findet Thomä inhaltlich wie stilistisch gelungen, elegant und gedankenreich.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2022

Rezensent Thomas Meyer liest zwei Bücher, die Hannah Arendts Verhältnis zum Rassismus gegenüber Schwarzen und zum Kolonialismus beleuchten: "Der Streit um Pluralität" von Juliane Rebentisch und "370 Riverside Drive, 730 Riverside Drive" von Marie Luise Knott. Rebentischs Buch gibt Meyer wenig zu denken. Er findet viel Kritik an Arendt, aber wenig "Konstruktives". Früh stehe für die Autorin fest, dass Arendt "unrettbar eurozentrisch" sei und die Opfer des Kolonialismus für sie praktisch unsichtbar. Das möchte Meyer so nicht stehen lassen: Wer Arendts "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" unvoreingenommen lese, könne sehr wohl erkennen, wann sie spricht und wann ein "weißer Rassist", den sie als Täter sprechen lässt. Erhellender findet Meyer Knotts Buch, das sich mit der Reaktion Arendts auf einen Essay des afroamerikanischen Autors Ralph Ellison befasst, der ihr Arendt vorwarf, Schwarze nur von oben herab betrachten zu können. Wie Knott die unterschiedlichen Erfahrungen Arendts und Ellisons analysiert und kontextualisiert, imponiert ihm, weil sie diese Unterschiede verstehen und nicht glattbügeln oder gegeneinander ausspielen will. Dass man Arendts Überlegungen auch aus ihrer Zeit heraus verstehen muss, scheint ihm evident.